© 2020 Warner Bros. Pictures
Quellen: DC Comics, The Hollywood Reporter
Man sagt ja, dass wenn man ganz fest an etwas glaubt, es auch wahr werden kann. Für viele Fans des DCEU, die seit Jahren unermüdlich die #ReleaseTheSnyderCut-Kampagne betreiben, wurde diese Weisheit zur Wirklichkeit. In einer weiteren extrem überraschenden, DC-bezogenen Meldung der Woche nach dem Ausstieg von Ruby Rose aus "Batwoman" wurde der Release des sagenumwobenen Schnittfassung von Snyders Justice League ganz offiziell angekündigt. Snyders selbst hat die Ankündigung am Ende einer Live-Watchparty von Man of Steel gemacht, woraufhin sie von Warner und DC bestätigt wurde.
It's happening.#ReleaseTheSnyderCut @hbomax @ZackSnyder https://t.co/tHunDelSyU pic.twitter.com/APb1GR8jvN
— DC (@DCOfficial) May 20, 2020
Die komplett neue Schnittfassung wird unter dem Titel Zack Snyder’s Justice League 2021 exklusiv auf der Streaming-Plattform HBO Max veröffentlicht werden. HBO Max startet als eine neue Alternative zu Netflix, Prime, Disney+ und Co am 27. Mai in den USA. Wo die exklusiven Inhalte von HBO Max in Deutschland veröffentlicht werden, ist noch nicht ganz klar. Eine naheliegende Option ist Sky, denn zwischen dem Sender HBO und dem europäischen Sky besteht ein Exklusivvertrag bis mindestens 2024.
Die offizielle Bekanntgabe von Zack Snyders Director’s Cut des Films ist einer der größten Triumphe, die eine Fangemeinde durch ihre Leidenschaft erzielen konnte. Der Hashtag #ReleaseTheSnyderCut landete immer wieder unter Twitter-Trends. Die Fans haben eine Werbetafel im Times Square in New York mit der Forderung an Warner Bros. angemietet und ließen ein Flugzeug mit einem #ReleaseTheSnyderCut-Banner letztes Jahr über die San Diego Comic-Con fliegen. Snyder selbst hat in den zweieinhalb Jahren seit dem Kinostart des Films Gerüchte über seine drastisch andere Schnittfassung angefeuert, aus der er regelmäßig Bilder veröffentlicht hat. Auch Justice-League-Darsteller Jason Momoa (Aquaman), Ben Affleck (Batman) und Gal Gadot (Wonder Woman) schlossen sich der #ReleaseTheSnyderCut-Bewegung an. Ob diese Fassung wirklich existiert, darüber gab es in der Zeit widersprüchliche Aussagen der Beteiligten. Jetzt haben wir die Gewissheit.
Justice League war Snyders dritter Film aus dem DC-Kinouniversum nach Man of Steel und Superman v Batman: Dawn of Justice. Mit Letzterem legte er die Weichen für Justice League, doch die negativen Kritiken und leicht enttäuschendes finanzielles Abschneiden des Films führten zur Unsicherheit seitens Warner, was Snyders düstere Vision betrifft. Seine erste Schnittfassung war mehr als dreieinhalb Stunden lang, eine auf etwa 140 Minuten gekürzte Rohfassung legte Snyder Anfang 2017 Warner vor, doch das Studio verlangte einen maximal zwei Stunden langen Film. Im Mai 2017 gab Snyder aufgrund einer familiären Tragödie den Regieposten auf, und The-Avengers-Regisseur Joss Whedon kam an seine Stelle, um massive Nachdrehs vorzunehmen, die den Ton des Films einschneidend verändert haben. Am Ende behielt Snyder zwar die alleinige Nennung als Regisseur, Whedon wurde aber als Co-Autor neben Chris Terrio geführt.
Die daraus entstandene Kinofassung von Justice League war ein Frankensteins Monster von einem Film, in dem Whedons humorvolle Einlagen mit Snyders düsterer Ästhetik vermischt waren und sich nichts wie aus einem Guss anfühlte. Es spricht jedenfalls Bände, dass es alleine über die Produktion von Justice League eine eigene Wikipedia-Seite gibt. Batman v Superman war zwar ganz sicher kein makelloser Film, doch er war die kompromisslose Umsetzung einer einzelnen Vision, während Justice League weder Fisch noch Fleisch war. Als der Film herauskam, hat Produzent Charles Roven angegeben, dass etwa 85% davon genau das ist, was Snyder gedreht hat. Als die neue Fassung jedoch vorgestern angekündigt wurde, erklärte Snyder, das nur rund ein Viertel des von ihm gedrehten Films in der finalen Fassung zu sehen war. Dazu muss man jedoch anmerken, dass Snyder laut eigenen Angaben Whedons Kinofassung nie gesehen hat, sondern die Aussage darauf basiert, was er von ihr weiß. Snyder verspricht, dass seine Schnittfassung ein ganz neues Ding werden wird, separat von dem Film, den die Öffentlichkeit bereits kennt.
Trotz der Bemühungen der Fans gab es lange Zeit Zweifel, dass der Snyder Cut jemals das Licht der Welt erblicken würde. Die Fertigstellung des Films nach Snyders Vorstellungen würde weitere Investitionen in zweistelliger Millionenhöhe von Warner erfordern. Seit Justice League jedoch an den Kinokassen mit dem gigantischen Budget von $300 Mio floppte, bewegte sich das Studio mit Solo-Filmen wie Aquaman und Shazam! vom DCEU weg.
Doch der unbeirrbare Einsatz der Fans zeigte Warner, wie groß das Interesse an Snyders Director’s Cut ist und eine Exklusivveröffentlichung wie dieser ist ein herausragendes Werbemittel für HBO Max.
In einem nach der Ankündigung veröffentlichten Artikel berichtet Branchenblatt The Hollywood Reporter, dass Snyder in November 2019, zum zweijährigen Jubiläum des Kinostarts von Justice League, vom Warner-Bros.-Vorsitzenden Toby Emmerich über seinen Agenten kontaktiert wurde mit dem Vorschlag, seine Schnittfassung fertigzustellen. Seitdem wurden die Pläne in Zusammenarbeit mit dem Studio im Geheimen geschmiedet. Vor Emmerichs Anruf hat Snyder selbst nicht mehr an die Veröffentlichung geglaubt, wie er erklärte:
Ich habe immer gedacht, dass wird ein Ding sein, worüber jemand in 20 Jahren vielleicht eine Doku drehen würde, und ich könnte ihnen die Aufnahmen dafür zur Verfügung stellen, kleine Momente einer Schnittfassung, die niemand jemals gesehen hat.
Nach den Gesprächen mit Warner hat Snyder eine Präsentation seiner unfertigen Fassung zusammengestellt und Anfang Februar hohen Tieren von Warner, HBO Max und DC in seinem eigenen Haus in Pasadena vorgeführt. Die Verantwortlichen für Produktion und die geschäftliche Seite der Dinge waren auch vor Ort, um einzuschätzen, wie umfassend die notwendige Nachbearbeitung ist und wie viel sie kosten würde. Snyder erhielt grünes Licht, und hat im April nach und nach die vielen Darsteller des Films kontaktiert, sie über die neusten Entwicklungen unterrichtet und informiert, dass ihre Dienste wieder gebraucht sein könnten. Als ersten rief er Ray Fisher (Cyborg) an, der Snyder zunächst kaum glauben konnte.
Aktuell ist noch unklar, welche Form Zack Snyder’s Justice League annehmen wird. Die zwei Optionen sind die fast vierstündige Filmfassung oder eine Miniserie aus sechs Kapiteln, ähnlich wie Quentin Tarantino das bei The Hateful 8 für Netflix USA gemacht hat. Bei der Präsentation stellte Snyder seine Idee von einzelnen Episoden mit Clifhangern vor.
Warner greift tief in die Tasche, um die nötige Nachbearbeitung zu finanzieren. Je nach Quelle wird die Erstellung von Snyders Schnittfassung zwischen $20 und $30 Millionen kosten. In vielen von Snyders Aufnahmen fehlen noch die nötigen Computereffekte. Zum Vergleich: Whedons Nachdrehs kosteten geschätzte $25 Millionen. Die grobe Struktur des Films bleibt in Snyders Version erhalten, allerdings wird die Mythologie deutlich ausgebaut, Charaktere werden mehr entwickelt, es gibt komplett entfernte Nebenhandlungen und neue Figuren, wie Barry Allens Freundin Iris West, gespielt von Kiersey Clemons ("Easy").
Justice League ist natürlich nicht die erste DC-Verfilmung von Warner, deren ursprüngliche Vision Jhre nach der Veröffentlichung wiederhergestellt wird. Bekannt ist auch Richard Donners Version von Superman II, die erst 2006 veröffentlicht wurde. Bei Justice League ist es jedoch einzig und allein den Fans zu verdanken, dass der Snyder Cut tatsächlich kommt. Beflügelt von diesem Erfolg werden wir künftig vermutlich noch mehr große Kampagnen unterschiedlicher Fangemeinden erleben, wenn sie etwas unbedingt durchsetzen wollen. Ich bin jedenfalls neugierig darauf, Zack Snyder’s Justice League zu sehen. Der Film, wie ich ihn im Kino gesehen habe, war eine sehr mittelprächtige Angelegenheit und der schlechteste Film, bei dem Snyders Name als Regisseur angeführt wurde. Es wäre schön, wenn er den Film mit der neuen Fassung zumindest zum Teil rehabilitieren könnte.
Letzten Endes wird der Snyder Cut aber eine Kuriosität bleiben, denn auch wenn die Version gut ankommt, ist das DCEU, wie es von Snyder damals anvisiert wurde, einschließlich eines Sequels zu Justice League, tot.