Willkommen zum zweiten Teil unserer großen Vorschau auf die Oscarnominierungen, die am kommenden Donnerstag, den 16.01.2014, verkündet werden. Nachdem ich in aller Ausführlichkeit über die potenziellen Drehbuchkandidaten geschrieben habe, kommen wir nun zum dicksten Batzen der Nominierungen – den vier Schauspielkategorien. Sind es bei den Drehbuchkategorien die Writers Guild of America Awards, die die größte Vorhersagekraft besitzen (aufgruNd der größten Überschneidung mit den Academy-Mitgliedern, die in den gleichen Kategorien die Nominees gewählt haben), so ist der beste Prädiktor bei den Schauspielern selbstverständlich die Screen Actors Guild, die Schauspielergewerkschaft, die dieses Jahr zum 20. Mal ihre Preise verleiht. Hier existiert tatsächlich eine beachtliche Konsistenz mit den Oscarnominierungen, wobei der Fall, dass alle 20 Nominierungen 1:1 übereinstimmen, auch nicht eintritt. In den letzten 19 Jahren wurden jeweils 15 Männer und Frauen in den Kategorien "Bester Hauptdarsteller" und "Beste Hauptdarstellerin" bei den SAG Awards nominiert, verpassten aber eine Oscarnominierung. Das stellt aber nur knapp mehr als 15% aller Nominees dar, denn bei 80 weiteren Personen in jeder der Kategorien, folgten die Oscars dem Beispiel der SAG. Etwas unvorhersehbarer sind die Kategorien "Bester Nebendarsteller" und "Beste Nebendarstellerin". Dort wurden jeweils 22 bzw. 23 von den 95 SAG-nominierten Personen bei dem Oscars nicht beachtet. Insgesamt beläuft sich also das Ergebnis auf 75 Verpasser und 305 Treffer in den vier individuellen Kategorien über die letzten 19 Jahre. Das bedeutet, dass pro Jahr im Schnitt etwa 4 Personen von der SAG nominiert werden, ohne die entsprechende Nominierung von den Oscars zu erhalten. Letztes Jahr (als die Oscars sowieso sehr überraschend ausgefallen sind) war die Trefferquote schlechter. Nur 14 der 20 SAG-Nominees erhielten auch eine Nennung bei den Oscars. U. a. Javier Bardem (Skyfall), Maggie Smith (Best Exotic Marigold Hotel) und Marion Cotillard (Der Geschmack von Rost und Knochen) wurden von der Academy zugunsten von Christoph Waltz (Django Unchained), Amy Adams (The Master) und Emmanuelle Riva (Liebe) übergangen.
Hier also nochmal im Überblick, wer von der Screen Actors Guild dieses Jahr nominiert wurde.
Bester Hauptdarsteller
Bruce Dern (Nebraska)
Chiwetel Ejiofor (12 Years a Slave)
Tom Hanks (Captain Phillips)
Matthew McConaughey (Dallas Buyers Club)
Forest Whitaker (Der Butler)
Beste Hauptdarstellerin
Cate Blanchett (Blue Jasmine)
Judi Dench (Philomena)
Sandra Bullock (Gravity)
Meryl Streep (Im August in Osage County)
Emma Thompson (Saving Mr. Banks)
Bester Nebendarsteller
Barkhad Abdi (Captain Phillips)
Daniel Brühl (Rush – Alles für den Sieg)
James Gandolfini (Genug gesagt)
Michael Fassbender (12 Years a Slave)
Jared Leto (Dallas Buyers Club)
Beste Nebendarstelerin
Jennifer Lawrence (American Hustle)
Julia Roberts (Im August in Osage County)
Lupita Nyong’o (12 Years a Slave)
June (Nebraska)
Oprah Winfrey (Der Butler)
In den meisten Kategorien ist das Rennen bisher einheitlicher verlaufen als letztes Jahr, weshalb ich eine deutlich höhere Übereinstimmung mit den Oscars erwarte. Den einen oder anderen Ausreißer wird es aber dennoch geben.
Beste Nebendarstellerin
Hierbei handelt es sich um die womöglich offenste Schauspiel-Kategorie dieses Jahr. Nach drei ziemlich sicheren Kandidatinnen ist das Feld weit und breit offen.
Sichere Kandidatinnen
Lupita Nyong’o (12 Years a Slave) – Als leidende Sklavin in dem großen und "wichtigen" Oscarfavoriten ist Lupita Nyong’os Rolle Oscarstoff pur. Dass sie dabei noch als Newcomerin eine Top-Performance abliefert ist das i-Tüpfelchen, das dafür sorgt, dass sie die meisten Preise in dieser Kategorie während der bisherigen Saison abräumen konnte. Neben den selbstverständlichen Nominierungen bei allen großen Vorläufern (SAG, BAFTAs, BFCA, Golden Globes), räumte sie auch viele Filmkritikerpreise ab, darunter die von Los Angeles, Phoenix, Las Vegas, Chicago, Florida und Kansas City. Jeder andere relevante Filmkritikerverband hat sie zumindest nominiert. Bei den Golden Globes musste sie zwar gegen Jennifer Lawrence den Kürzeren ziehen, doch allein schon weil Lawrence bereits letztes Jahr gewonnen hat, sollte sie im Rennen um den Oscarsieg weiterhin knapp vorne liegen und wird ohne jegliche Zweifel nominiert werden.
Jennifer Lawrence (Americn Hustle) – Wäre da nicht Lupita Nyong’o und ihre herzzerreißende Performance in 12 Years a Slave, wäre Jennifer Lawrence mit ziemlicher Sicherheit auf dem Weg zu ihrem zweiten Oscar. Es ist schon bemerkenswert genug, dass sie im Alter von 23 bereits drei Oscarnominierungen vorzuweisen haben wird. Sogar Kate Winslet hat "erst" im Alter von 26 ihre dritte Nominierung erhalten Wenn es so weitergeht, wird Lawrence in 15-20 Jahren Meryl Streep überholt haben! Eigentlich wäre Lawrence auch eine starke Anwärterin auf den Sieg in der Kategorie und ihr Triumph bei den Golden Globes bringt sie ihrem zweiten Oscar natürlich näher, doch es steht immer noch die Tatsache im Raum, dass sie erst letztes Jahr gewonnen hat. Ich bin nicht sicher, dass die Academy einer 23-Jährigen ihren zweiten Oscar geben wird. Nichtsdestotrotz ist ihr eine Nominierung sicher, denn trotz der illustren Besetzung von American Hustle ist sie diejenige, deren Darbietung am häufigsten hervorgehoben wird. Das spiegelt sich auch bei allen Preisverleihungen wieder. Neben dem Golden Globe hat Lawrence den ersten größeren Preis der Oscar-Saison gewonnen – den vom New York Film Critics Circle. Zudem gewann sie in Vancouver, Toronto und San Francisco. Alle anderen Preisverleihungen haben sie zumindest nominiert und ihr Name dominiert neben Lupita Nyong’o die Kategorie.
June Squibb (Nebraska) – Die 84-jährige Schauspielerin ist ein ganz anderes Kaliber als Jennifer Lawrence und Lupita Nyong’o. Sie ist weder eine absolute Newcomerin, noch Hollywoods Darling und ihre Rolle ist weitaus subtiler und weniger "oscarfreundlich" als die beiden oben erwähnten Performances. Nichtsdestotrotz oder vielleicht gerade deswegen ist sie ebenfalls eine Favoritin für eine Nominierung, auch wenn ihre Chancen auf den Sieg minimal sind. Während sich ein Großteil des Lobs für Nebraskas Cast ursprünglich auf die in Cannes prämierte Performance von Bruce Dern konzentrierte, kam man nach und nach zur Erkenntnis, dass Squibbs resolute Performance das Herz des Films ist. Nebraska ist vielleicht keine technische Meisterleistung, doch dafür glänzen seine Schauspieler und sein Drehbuch umso mehr. Innerhalb dieses sehr starken Ensembles kann Squibb problemlos neben ihren Co-Stars bestehen. Das fanden auch die Filmkritiker von Boston, die ihr ihren bislang einzigen größeren Preis als "Beste Nebendarstellerin" vergaben. An Nominierungen mangelte es jedoch nicht und auch sie ergatterte das "goldene Trio" von SAG, BFCA und Golden Globes. Lediglich die britische Academy (BAFTA) nominierte sie nicht. Dazu muss man aber sagen, dass auch Paynes Sideways von der BAFTA keine Schauspielnominierung erhielt (dafür zwei bei den Oscars). Da Nebraska in den USA sich als ein sehr starker Kandidat im Rennen entpuppte, hat Squibb einen automatischen Vorteil vor Konkurrentinnen wie Oprah Winfrey oder Sally Hawkins. Alexander Paynes letzte drei Filme ergatterten insgesamt fünf Oscarnominierungen für ihre Schauspieler – nicht ohne Grund! Auch Squibb sollte Payne zu einer Nom führen.
Wahrscheinliche Kandidatinnen
Julia Roberts (Im August in Osage County) – Richtet man sich alleine nach den wichtigen Oscarvorzeichen ist Julia Roberts' Nominierung so gut wie sicher. Die BAFTAs, die BFCA, die Golden Globes und die Schauspielergewerkschaft SAG haben sie allesamt nominiert. Wer mit solchen Prädiktoren ins Rennen geht, landet fast immer eine Oscarnominierung. Auch bei Julia Roberts sollte es der Fall sein, doch es gibt auch Ausnahmen. So wurde letztes Jahr auch Marion Cotillard (für Der Geschmack von Rost und Knochen) für all diese vier Preise nominiert, bei den Oscars aber letztlich zugunsten von Emmanuelle Riva übergangen. Natürlich sind es tatsächlich nur Ausnahmen, doch man muss sie berücksichtigen. Julia Roberts ist zwar auf allen relevanten Listen aufgetaucht, jedoch hat sich kaum Enthusiasmus für ihre Performance gebildet und der Film selbst wurde so gespalten aufgenommen, dass er nahezu vergessen scheint im Oscar-Rennen, außerhalb der Performances von Roberts und Meryl Streep. Was Roberts jedoch hilft, ist, dass ihre Rolle eigentlich nahezu eine Hauptrolle ist, das Studio aber verständlicherweise nicht in Konkurrenz mit Streep gehen wollte. Nebenrollen mit viel Screentime haben bei den Oscars immer einen gewissen Vorteil, da die Schauspieler mehr Zeit haben, zu beeindrucken.
Weitere Anwärterinnen
Octavia Spencer (Fruitvale Station) – Fruitvale Station startete im Juli mit guten Kritiken und wurde ursprünglich als potenzieller Kandidat in vielen Kategorien gehandelt, doch wie es in jeder Oscar-Saison passiert, gehört er zu den unglücklichen Filmen, die leider im Getümmel untergehen und trotz einer guten Regie und guter Darsteller in Versenkung geraten. Octavia Spencer, die im Film die Rolle der Mutter von Michael B. Jordans tragischem Hauptcharakter spielt, wurde als eine mögliche Kandidatin in der "Nebendarstellerin"-Kategorie gehandelt. Der Academy ist Spencer keine Unbekannte. Vor zwei Jahren gewann sie in eben dieser Kategorie für ihre Performance in The Help. Während sie damals aber die gesamte Oscar-Saison über viele Preise abgeräumt hat, belaufen sich ihre Nennungen diesmal auf eine Auszeichnung von der National Board of Review und Nominierungen von den Filmkritikern von Washington DC und San Francisco (beide hat sie aber verloren). Die großen Oscar-Prädiktoren (SAG, BFCA, BAFTAs) ließen Spencer allerdings unerwähnt. Man sollte den Preis der NBR nicht unterschätzen, weshalb ich sie immer noch auf der Liste der potenziellen Kandidaten habe, eine Oscarnominierung wäre unter aktuellen Umständen jedoch eine wirklich große Überraschung.
Oprah Winfrey (Der Butler) – Ähnlich wie Octavia Spencer, galt Oprah Winfrey kurz nach dem Start von Der Butler als eine definitive Kandidatin für eine Nominierung als "Beste Nebendarstellerin". Viele redeten im Sommer sogar von einem sehr wahrscheinlichen Sieg. Doch trotz des großen finanziellen Erfolgs und solider Rezeption des Films, verebbte der Hype um Der Butler schnell und er geriet in den Hintergrund, nachdem 12 Years a Slave die Rassismus-Thematik viel effektiver behandelte und zum großen Oscarfavoriten avancierte. Auch Oprah Winfreys Chance auf eine Nominierung sank von "sicher" auf "wahrscheinlich" und später nur noch auf "möglich". Zugegeben, die SAG-Nominierung, die BFCA-Nominierung und sogar eine Nominierung von den BAFTAs sind sehr gute Vorzeichen, jedoch verpasste Winfrey die relevante Golden-Globe-Nom und wurde von den Filmkritikerverbänden der USA (mit der Ausnahme von Phoenix) nahezu komplett ignoriert. Zu ihrem Vorteil ist aber, dass Winfrey selbst viel Werbung für sich und ihre Performance betrieben hat. Erfahrung besagt, dass das in der Oscar-Saison sehr hilfreich sein kann, sodass sie sich doch retten und Der Butler zu vielleicht seiner einzigen Nominierung verhelfen kann. Zu guter Letzt, darf man auch nicht vergessen, dass es Oprah Winfrey, eine von USAs beliebtesten Persönlichkeiten, ist.
Sally Hawkins (Blue Jasmine) – Sally Hawkins hat in Woody Allens Film eine starke Darbietung abgeliefert und eine Nominierung seitens der Academy wäre die Gelegenheit das Unrecht wettzumachen, das ihr widerfahren ist, als sie 2008 trotz des gewonnenen Golden Globes bei den Oscars für Happy-Go-Lucky nicht nominiert wurde. Die Globes haben Hawkins dieses Jahr auch nominiert, ebenso wie die BAFTAs und die Independent Spirit Awards. Die BFCA und die Screen Actors Guild hat sie aber nicht beachtet, was ihre Position leider deutlich schwächt. Zudem ist es wohl zu ihrem Nachteil, dass bei Blue Jasmine das Scheinwerferlicht voll und ganz auf Cate Blanchetts Oscarperformance ist, die alle möglichen Preise abräumt und Hawkins in ihrem Schatten lässt.
Jennifer Garner (Dallas Buyers Club) – Eigentlich hat sie in dem Film nicht genug "Oscarszenen", um eine Nominierung glaubhaft zu machen, doch das tat Jacki Weaver in Silver Linings auch nicht und es hat trotzdem für eine Nominierung ausgereicht. Letztlich wird es darauf hinauslaufen, ob der Film bei den Oscars generell sehr gut abschneidet. Wenn er neben den erwarteten Nominierungen für seine beiden Darsteller noch Noms als "Bester Film" und als "Bestes Originaldrehbuch" verbuchen kann, dann traue ich ihm auch eine überraschende Nennung für Garner zu.
Außenseitertipp
Scarlett Johansson (Her) – Eine Nominierung für Scarlett Johansson würde wahrhaftig Geschichte schreiben. Die vierfach Golden-Globe-nominierte Schauspielerin, die aber noch nie von der Academy nominiert wurde, ist in Spike Jonzes Film nämlich keine Sekunde lang auf der Leinwand zu sehen und ist nur durch ihre einprägsame Stimme vertreten. Sie spielt die Stimme des intelligenten Betriebssystems, in das sich Joaquin Phoenix' Charakter verliebt. Wäre der Film selbst nicht ein sehr starker Kandidat für diverse Oscars, würden wir über diese Möglichkeit gar nicht sprechen. Man kann jedoch damit rechnen, dass sowohl der Film selbst als auch sein Drehbuch für Oscars nominiert werden, sodass der Film insgesamt mehr Aufmerksamkeit erhält. Warner Bros. bewirbt Scarlett Johanssons Performance sehr stark für die Oscars und während die Hollywood Foreign Press Association (Golden Globes) ihre Darbietung als unzulässig für eine Nominierung erklärt hat, haben diverse Kritikerverbände, u. a. die von Washington, Ohio und Chicago, aber allen voran die BFCA haben ihre Performance nominiert. Natürlich muss man dabei bedenken, dass auch Andy Serkis in Vergangenheit für seine Motion-Capture-Performance in Planet der Affen – Prevolution für diverse Kritikerpreise nominiert wurde, was aber in keiner Beachtung seitens der Oscars resultierte. Ich behaupte aber, dass Johanssons Chancen deutlich besser sind (wenn auch trotzdem nicht sonderlich gut), allein schon weil sie ein deutlich größerer Star ist, für sie eine große Kampagne aufgezogen wurde und der Film selbst so gut ankommt (was nicht zuletzt ihrer Stimme zu verdanken ist). Eine Nominierung hier wäre ein Meilenstein, der höchstwahrscheinlich früher oder später erreicht werden wird – die Frage ist nur, ob es bereits dieses Jahr so weit ist.
Vorhersage:
Lupita Nyong’o (12 Years a Slave)
Jennifer Lawrence (American Hustle)
June Squibb (Nebraska)
Julia Roberts (Im August in Osage County)
Oprah Winfrey (Der Butler)
Bester Nebendarsteller
In dieser Kategorie steht der Sieger so gut wie fest, doch neben ihm würde ich nur auf eine einzige weitere Person als sicheren Nominee setzen. Darüber hinaus kämpfen nämlich vier Kandidaten um drei Plätze.
Sichere Kandidaten
Michael Fassbender (12 Years a Slave) – Die erste Oscarnominierung in Michael Fassbenders Karriere rückt endlich näher! Nachdem die Academy ihm trotz vieler anderer Auszeichnungen für seine Performance in Shame die kalte Schulter zeigte, sollte seine dritte Zusammenarbeit mit dem Regsiseur Steve McQueen endlich eine Nennung für die goldene Statue bringen. Zwar gewann er bislang dafür kaum Preise, aber das liegt vor allem an Jared Letos absoluter Alleinstellung im Favoritenstatus in dieser Kategorie. Nominiert wurde Fassbender dafür überall, wo es zählt (SAG, BAFTAs, BFCA, Golden Globes). Genau wie seine Co-Stars aus 12 Years a Slave, Chiwetel Ejiofor und Lupita Nyong’o, wird auch Fassbender am Donnerstag als Nominee vorgelesen werden. Nebendarsteller, die Bösewichte spielen, sind bei der Academy stets beliebt (siehe Javier Bardem in No Country for Old Men, Heath Ledger in The Dark Knight, Christoph Waltz in Inglourious Baserds und Ralph Fiennes in Schindlers Liste). Fassbender reiht sich in diese Liste perfekt ein.
Jared Leto (Dallas Buyers Club) – Jared Leto wird für den Oscar nicht nur nominiert werden, er wird ihn auch mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit auch gewinnen. Nur die "Beste Hauptdarstellerin"-Kategorie ist mit Cate Blanchett noch so vorhersehbar wie diese. Letos Rolle passt bei den Oscars natürlich wie die Faust aufs Auge – ein drogenabhängiger, AIDS-kranker Transsexueller in einer wahren Geschichte. Doch das würde nicht ausreichen, wenn Leto in der Rolle nicht einfach großartig wäre und zeigen würde, dass sich musikalisches Talent bei ihm mit schauspielerischem scheinbar wunderbar verbindet. Neben dem Golden Globe hat Leto bereits zahlreiche weitere Preise abgeräumt, darunter die der Filmkritikerverbände von New York, Los Angeles, Chicago, Washington, Las Vegas und Toronto gewonnen, nur um einige zu nennen. Die BFCA und die SAG haben ihn ebenfalls nominiert. Lediglich die BAFTAs versahen Dallas Buyers Club mit keiner einzigen Nominierung (was aber daran liegen könnte, dass nicht genug Mitglieder den Film rechtzeitig sahen). Leto ist damit, neben Fassbender, ein absolut sicherer Kandidat.
Wahrscheinliche Kandidaten
Daniel Brühl (Rush – Alles für den Sieg) – Jeder, der Rush gesehen hat, weiß, dass Daniel Brühl neben Chris Hemsworth im Film der ebenbürtige Hauptdarsteller ist. Dass er jedoch im Oscar-Rennen stets in der "Bester Nebendarsteller"-Kategorie landet, ist gleichermaßen Quatsch und verständlich. Quatsch, denn es entspricht einfach nicht den Tatsachen und verständlich, denn in der "Hauptdarsteller"-Kategorie hätte er schlicht und ergreifend keinen Funken einer Chance, während seine intensive Darbietung als Niki Lauda eine Nominierung für den Deutschen in der "Nebendarsteller"-Kategorie recht wahrscheinlich macht. Wie schon Barkhad Abdi, hat auch Brühl zwar bislang keinen nennenswerten Preis für die Rolle gewonnen, erhielt aber das goldene Viereck der wichtigsten Nominierungen auf dem Weg zu den Oscars – BAFTAs, SAG, BFCA und Golden Globes. Da Rush insgesamt auch ganz gut angekommen ist, im Oscar-Rennen allerdings in den Schatten stärkerer Filme geraten ist, könnte ich mir vorstellen dass eine Nominierung für Brühl eine Art Lohn für das Gesamtwerk sein könnte und die einzige "große" Nom, die er bei den diesjährigen Academy Awards verbuchen wird. Es wäre aus meiner Sicht eine Schande, wenn Brühl nicht berücksichtigt werden würde.
Barkhad Abdi (Captain Phillips) – In Captain Phillips liefert Tom Hanks seine stärkste schauspielerische Leistung seit über einem Jahrzehnt ab. Die wahre Meisterleistung für den in Somalia geborenen Barkhad Abdi besteht darin, dass er in seiner allerersten Filmrolle neben Tom Hanks problemlos bestehen kann und in einigen Szenen mit seiner natürlichen schauspielerischen Wucht den zweifach oscarprämierten Megastar sogar überraschend an die Wand spielt. Seit ich den Film gesehen habe, habe ich ihm die Daumen gedrückt in dem Rennen, habe allerdings nicht gewagt zu hoffen, dass er neben großen Namen wie Bradley Cooper, Michael Fassbender, James Gandolfini oder Jared Leto eine Chance hätte. Zum Glück setzt sich wahre Qualität dann doch manchmal gegen Starstatus durch und Abdi wurde für jeden der vier relevanten Oscar-Vorboten (BAFTAs, BFCA, Golden Globes und SAG Awards) nominiert. Er machte auch diverse Filmkritikerverbände auf sich aufmerksam, sodass einer Oscarominierung nichts im Wege stehen sollte. Eine winzig kleine Befürchtung aber, dass er zugunsten eines größeren Stars übergangen wird, bleibt mir dennoch.
Weitere Anwärter
James Gandolfini (Genug gesagt) – "Die Sopranos" machte James Gandolfini zu einer Legende, doch im Kino erhielt er leider nie den Lob und den Riesendurchbruch, der ihm zustand. Seine ungewöhnlichste und einfühlsamste Rolle spielte er letztes Jahr in Nicole Holofceners größtem Erfolg, Genug gesagt. Leider verstarb der Schauspieler noch bevor der Film in den Kinos anlief. Was die Oscars betrifft, gibt ihm das unweigerlich einen Vorteil. So oder so hätte Gandolfini eine Nominierung für seine Performance durchaus verdient, doch ich bezweifle, dass er ein starker Kandidat gewesen wäre, wenn er noch am Leben wäre. Es ist, jedoch, wie es ist und Gandolfini könnte neben den relativ starken Top 4 (siehe oben) den letzten Platz in der Kategorie ergattern. Bei den Screen Actors Guild Awards gelang ihm das, ebenso wie bei den Preisen der BFCA. Die Golden Globes und die BAFTAs zogen aber Bradley Cooper an seiner Selle vor. Es wird sicherlich ein knappes Rennen.
Bradley Cooper (American Hustle) – American Hustle könnte, wie Silver Linings letztes Jahr, in allen Schauspielkategorien eine Nominierung erhalten. Oder, im schlimmsten Fall, nur in einer einzigen (Jennifer Lawrence als "Beste Nebendarstellerin" dürfte ihm sicher sein). Einer der Wackelkandidaten ist dabei Bradley Cooper, der bei der Screen Actors Guild eine Nominierung überraschend verpasste, dafür aber bei den Golden Globes, von der BAFTA sowie der BFCA nominiert wurde. Es ist für mich recht klar, dass er mit Gandolfini um den letzten Platz kämpfen wird und ich denke, dass Gandolfinis unerwarteter Tod letztes Jahr letztlich den Ausschlag geben könnte, warum Cooper dieses Jahr sich nicht über seine zweite Oscarnominierung freuen wird. Sollte er aber doch eine erhalten, würde es mich keinesfalls wundern.
Tom Hanks (Saving Mr. Banks) – Tom Hanks als Walt Disney sollte doch eigentlich klassischer Oscarstoff sein, hat er wirklich Chancen auf eine Doppel-Nom? Ich denke eher "nein", doch angesichts der Rolle und des Stars, der sie spielt, kann man es einfach nicht ausschließen. Bei den relevanten Prädiktoren, wie den Golden Globes oder den Preisen der Screen Actors Guild, tauchte Hanks' Name im Zusammenhang mit dieser Rolle aber nicht auf, weshalb ich seine Chancen als minimal einschätze.
Will Forte (Nebraska) – Wie auch Daniel Brühl ist Will Forte in Nebraska der klare Hauptdarsteller, vielleicht sogar noch mehr als sein von Bruce Dern gespielte Filmvater. Doch während es in Vergangenheit hin und wieder vorkam, dass das Studio zwei Darsteller oder Darstellerinnen aus einem Film für die Hauptrollenoscars pushte (siehe z. B. F. Murray Abraham und Tom Hulce in Amadeus), kommt dies heutzutage äußerst selten vor und so muss sich auch Will Forte mit der "Nebendarsteller"-Kategorisierung abfinden. Die National Board of Review zeichnete ihn in dieser Kategorie aus und bei den Independent Spirit Awards wurde er nominiert. Damit fing die Oscar-Saison für ihn gut an. Spätere Nennungen blieben allerdings aus, mit der Ausnahme einer Nominierung vom San Francisco Film Critics Circle.
Matthew McConaughey (Mud) – Tom Hanks ist nicht der einzige mit Chancen auf eine Doppel-Nominierung dieses Jahr und ebenso wie bei Hanks, ist es auch bei McConaughey eher unwahrscheinlich. Zwar haben einige wenige Filmkritikerverbände seine Performance nominiert, doch bei McConaughey liegt der Fokus momentan voll und ganz auf Dallas Buyers Club und lässt seine überzeugende Darbietung in Mud in den Hintergrund geraten. Wie auch Fruitvale Station gehört Mud zu den Filmen, die leider während der Oscar-Saison still untergegangen sind, obwohl eigentlich viele Voraussetzungen für größeren Oscarerfolg erfüllt waren.
Jonah Hill (The Wolf of Wall Street) – Aus irgendeinem, mir sich nicht ganz erschließendem Grund, ist Jonah Hill so gut unsichtbar im diesjährigen Oscar-Rennen. Vielleicht liegt es ja daran, dass The Wolf of Wall Street während der gesamten Oscar-Saison leicht unter den Erwartungen abgeschnitten hat. Oder aber auch daran, dass Jonah Hill in einer Filmszene auf einer Poolparty offen masturbiert… Wie dem auch sei, haben lediglich die (im Großen und Ganzen ziemlich unwichtigen) Filmkritikerverbände von Ohio und Dallas den Comedian für seine Performance nominiert. Ansonsten blieben die Nennungen komplett aus. Sollte The Wolf of Wall Street aber wider Erwarten bei den Oscarnominierungen besonders gut abschneiden, würde es mich nicht schockieren, wenn Hill einfach "mitgezogen" werden würde, wie es beispielsweise letztes Jahr bei Jacki Weaver für Silver Linings passiert ist.
Außenseitertipp
James Franco (Spring Breakers) – Eigentlich bekommt man für Rollen wie James Francos in Sping Breakers keine Oscarnominierungen, auch wenn er, meiner Meinung nach, das einzige Highlight dieses Films war und seine vielleicht verrückteste Darstellung ablieferte. Sein Charakter ist jedoch zu abgefahren und de Film zu oscarunfreundlich, um bei den konventionellen Preisen abzuräumen. Daher ist es kein Wunder, dass weder die BAFTAs noch die SAG, die Globes oder die BFCA Franco nominierten. Die Kritikerverbände sahen es aber anders. Die Los Angeles Film Critics Association prämierte ihn, gemeinsam mit Jared Leto, als "Besten Nebendarsteller" von 2014. Auch die Filmkritiker von San Francisco und von Ohio prämierten ihn, während er in New York den zweite Platz belegte. Viele weitere Filmkritikerverbände ehrten ihn immerhin mit einer Nominierung. Es ist nicht unerhört, dass jemand ohne SAG-/BAFTA-/Golden-Globe-/BFCA-Nominierung bei den Oscars plötzlich eine Nennung erhält, doch es sind eher die Ausnahmen. Franco, den die Academy sichtlich mag (er wurde für 127 Hours nominiert und durfte im gleichen Jahr gemeinsam mit Anne Hathaway die Verleihung moderieren), könnte eine dieser Ausnahme werden. Ich wüsste allerdings nicht, wen er ersetzen sollte.
Vorhersage:
Michael Fassbender (12 Years a Slave)
Jared Leto (Dallas Buyers Club)
Daniel Brühl (Rush – Alles für den Sieg)
Barkhad Abdi (Captain Phillips)
James Gandolfini (Genug gesagt)
Beste Hauptdarstellerin
Hier ist der Wettbewerb vor allem um den letzten Platz, denn die Top 4 Kandidatinnen stehen mittlerweile nach der Bekanntgabe der BFCA-, der SAG– und der Golden Globe-Nominierungen so ziemlich fest.
Sichere Kandidatinnen
Cate Blanchett (Blue Jasmine) – Cate Blanchetts bevorstehender Sieg ist wahrscheinlich das Sicherste, das es beim diesjährigen Oscar-Rennen gibt. Der Golden-Globe-Sieg am Sonntag war nur ein kleiner Teil der Erfolge, die sie bislang gefeiert hat. Diese schließen Auszeichnungen von den Filmkritikerverbänden von Boston, Chicago, Los Angeles, New York, San Francisco, San Diego, Toronto und Washington ein, nur um einige zu nennen. Natürlich sicherte sie sich auch Nominierungen von der SAG, der BAFTA und der BFCA. Sollte Blanchett für Blue Jasmine nicht nominiert erden, wäre es wohl die größte Überraschung in der Oscargeschichte.
Judi Dench (Philomena) – Die Oscars lieben Judi Dench und sie werden auch ihre Performance in Philomena lieben. In den zehn Jahren zwischen 1997 unfd 2006 hat Judi Dench einen Oscar gewonnen (für Shakespeare in Love) und wurde für fünf weitere nominiert. Sie gehört zum großen britischen Schauspieladel und wird für Philomena ihre siebte Nominierung verbuchen. Auch wenn die Unterstützung der US-amerikanischen Wähler nicht so stark wäre (was sie aber ist, wenn man die SAG-Nominierung und die BFCA-Nom bedenkt), so wäre Judi Dench allein schon aufgrund der starken Unterstützung der beachtlich großen britischen Fratkion innerhalb der Academy drin. Dench wurde von der BAFTA, der SAG, der BFCA und bei den Golden Globes nominiert. Darüber hinaus erntete sie viele Nominierungen von diversen Filmkritikerverbänden, auch wenn diese nicht in gewonnenen Preisen resultierten (das liegt wohl daran, dass Blanchett dieses Jahr einfach alles abräumt).
Sandra Bullock (Gravity) – Sandra Bullock ist neben Jennifer Lawrence wohl die aktuell beliebteste Schauspielerin Hollywood und lief in diesem Punkt spätestens mit ihrem Sieg für Blind Side Julia Roberts den Rang ab. Wie auch damals, im Jahre 2009, hatte Bullock auch ein sehr erfolgreiches Jahr 2013 und landete zwei Riesenhits (Gravity und Taffe Mädels), von denen einer ganz schnell zu den drei größten Oscarfavoriten avancierte (nein, nicht Taffe Mädels). Auch wenn der Fokus bei dem Lob für Gravity auf Alfonso Cuaróns Regie und den technischen Aspekten liegt, erntete Sandra Bullock auch viel Lob für ihre Performance, die zeigte, dass Blind Side kein "Zufallstreffer" für sie war. Zwar hat Bullock keine relevanten Preise dafür gewonnen, wurde aber fast überall nominiert. Die Oscars sollten diesem Beispiel folgen.
Emma Thompson (Saving Mr. Banks) – Auch Emma Thompson wird Unterstützung vom britischen Block innerhalb der Academy erhalten und nach ihrer Golden-Globe-Nominierung, der SAG-Nominierung sowie den zahlreichen weiteren Nominierungen (einschließlich ihres Siegs bei der National Board of Review) wird auch ihre sechste Oscarnominierung folgen.
Wahrscheinliche Kandidatinnen
Meryl Streep (Im August in Osage County) – Meryl Streep ist immer eine wahrscheinliche Kandidatin, weil sie eben Meryl Streep ist – 17 Oscarnominierungen (davon drei gewonnen) sprechen für sich. Ihr neuster Film, Im August in Osage County, liefert ihr genau die richtige Plattform, um ihr Können wieder unter Beweis zu stellen und der Welt zu präsentieren. Die Golden Globes, die Screen Actors Guild und die BFCA ehrten sie dafür mit einer Nominierung. Lediglich die britische Academy (BAFTA) nominierte sie nicht, was eine Schwachstelle in ihrem Status im Rennen bedeutet. Man hat das Gefühl, dass sie vor allem nominiert wird, weil sie Meryl Streep ist, doch so richtig viel Leidenschaft hat sich für ihren Film und ihre Performance nicht aufgebaut. Sie bleibt natürlich weiterhin eine sehr starke Kandidatin, könnte aber, wie beispielsweise Angelona Jolie (Ein mutiger Weg) vor sechs Jahren, überraschend aus dem Rennen ausscheiden. Auch Jolie erhielt damals Golbe-, SAG- und BFCA-Nominierungen, verpasste aber bei den BAFTAs und wurde letztlich von den Oscars zugunsten von Laura Linney ignoriert.
Weitere Anwärterinnen
Amy Adams (American Hustle) – Amy Adams' Sieg bei den Golden Globes gegen ihre Konkurrentin Meryl Streep war ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Oscarnominierung. Adams, die bereits viermal erfolglos für den Oscar nominiert wurde, könnte dieses Jahr ihre erste Nom in der Kategorie "Beste Hauptdarstellerin" ergattern (bislang wurde sie immer nur für Nebenrollen nominiert). Allerdings erhielt sie weder eine SAG-Nom noch eine Nominierung von der BFCA in der "Hauptdarstellerin"-Kategorie (lediglich als Komödiendarstellerin). Dafür konnte sie mit einer Nominierung bei den BAFTAs punkten. Letztes Jahr zeigte die Academy, dass sie Amy Adams zugetan ist, als sie mit nicht sonderlich vielen vorherigen Oscar-"Prädiktoren" trotzdem für The Master nominiert wurde. Mal sehen, ob es wieder passieren wird. Wenn doch, dann wird Adams mit relativer Sicherheit nicht gewinnen, was ihren Status als eine "lange überfällige" Schauspielerin nur noch stärken wird. Soweit kann der Oscarsieg nicht mehr sein…
Brie Larson (Short Term 12) – Wie bereits in meiner Analyse der Drehbuchkategorien erwähnt, ist Short Term 12 ein absolut winziger Film ($1 Mio US-Einspiel), der aber dennoch persistent während der Oscar-Saison hier und da aufgetaucht ist und nicht völlig vergessen wurde. Am meisten machte Brie Larson auf sich aufmerksam, deren Performance von den Filmkritikern von Chicago, San Diego und San Francisco nominiert wurde. Noch wichtiger ist aber, dass sie sowohl bei den Independent Spirit Awards als auch von der BFCA eine Nominierung erhielt. Leider ist es aber so, dass alle dieser Preise überhaupt keinen direkten Einfluss auf die Oscars und die Academy-Wähler haben. Sie zeigen schließlich, wie gut Larsons Performance ankommt. Eine kleine, aber reelle Chance rechne ich ihr deshalb zu. Auch Jacki Weaver wurde für Animal Kingdom, der in den USA ähnlich wenig finanziellen Erfolg hatte, als "Beste Nebendarstellerin" nominiert
Julie Delpy (Before Midnight) – Bei den Golden Globes wurde Julie Delpy dieses Jahr nominiert, was immerhin schon mehr ist, als sie für ihre Performance im Vorgänger, Before Sunset, erhielt. Nichtsdestotrotz rechne ich ihr bei den Oscars keine große Chancen zu – zu stark ist die Konkurrenz und die Tatsache, dass es eine Fortsetzung ist, so von der Kritik umjubelt wie sie auch sein mag, verschlechtert ihre Chancen noch weiter. Ich denke/hoffe, dass Before Midnight am Donnerstag nicht völlig leer ausgehen wird, doch ich glaube, dass eine Drehbuchnominierung der Lohn für den Film sein wird.
Außenseitertipp
Adèle Exarchopoulos (Blau ist eine warme Farbe) – In Augen vieler lieferte die junge Adèle Exarchopoulous die beste weibliche Performance des letzten Jahres ab und in einer gerechten Welt wäre sie ganz vorne im Oscar-Rennen dabei. Es geht bei den Oscars aber leider nicht (nur) um die Qualität und viele andere Faktoren spielen eine Rolle. Sie ist sehr jung und in Hollywood gänzlich unbekannt, ihre Rolle schließt minutenlange explizite Sexszenen ein und sie spielt in einem nicht-englischsprachigen Film mit. Das alles ist leider sehr stark zu ihrem Nachteil. Als ein weiteres großes Problem kommt hinzu, dass der Film mit seiner sehr restriktiven NC17-Alersfreigabe in den USA mit einem Stigma zu rechnen hat bzw. dass bestimmte Academy-Mitglieder gerade deswegen den Film schlicht und ergreifend sich nicht ansehen werden. Dass man für fremdsprachige Performances nominiert werden kann, haben in Vergangenheit Marion Cotillard, Emmanuele Riva und Javier Bardem bewiesen. Mehr als 30 Schauspieler wurden im Laufe der Jahre für Performances nominiert, die nicht in englischer Sprache waren. Allerdings handelte es sich dabei um deutloch konventionellere Darbietungen und häufig waren die Schauspieler zu dem Zeitpunkt schon bekannter. Für Exarchopoulos bleibt einfach zu hoffen, dass sich letztlich Qualität über alles andere durchsetzt. Große Chancen rechne ich aber (leider) nicht zu.
Vorhersage:
Cate Blanchett (Blue Jasmine)
Sandra Bullock (Gravity)
Judi Dench (Philomena)
Emma Thompson (Saving Mr. Banks)
Amy Adams (American Hustle)
Bester Hauptdarstellerer
Keine Kategorie ist dieses Jahr bei den Oscars so umkämpft wie diese. Drei Kandidaten stehen für mich jenseits jedes Zweifels fest, aber darüber hinaus kämpfen mindestens acht weitere um die verbleibenden zwei Spots, wobei es mich bei keinem von ihnen schockieren würde, wenn eine Nominierung herausspringt. Ein so starkes Jahr (aus subjektiver Sicht) in der Kategorie "Bester Hauptdarsteller" habe ich lange nicht gesehen, und das sogar nachdem durch "Kategorienbetrug" Will Forte und Daniel Brühl in den "Nebendarsteller"-Bereich verschoben wurden.
Sichere Kandidaten
Chiwetel Ejiofor (12 Years a Slave) – Als Hauptdarsteller des "Bester Film"-Favoriten hat Ejiofor einen ganz klaren Vorteil, den auch Schauspieler wie Colin Firth, Jeremy Renner, Clint Eastwood und Jean Dujardin in den letzten zehn Jahren genossen. Dann ist da noch die Natur der Rolle – als entführter und in die Sklaverei verkaufter Afroamerikaner im 19. Jahrhundert kann Ejiofor seine ganze schauspielerische Bandbreite ausspielen. Außerdem, wenn man ganz ehrlich ist – er spielt einen Sklaven, der viel Leid und Schmerz über sich ergehen lassen muss. Die Academy-Mitglieder wissen, das diese Performance nicht ignoriert werden "darf". Die Globes, die BFCA, die BAFTA und die SAG nominierte seine Performance. Er galt für mich auch ganz lange als der klare Favorit für den Sieg, bis McConaughey ihm vorgestern überraschend den Golden Globe vor der Nase wegschnappte. Nichtsdestotrotz glaube ich immer noch, dass er gewinnen wird. Über diverse Auszeichnungen durfte er sich bereits freuen, darunter die der Filmkritikerverbände von Boston, Chicago, San Francisco und Washington. In New York, Los Angeles und Toronto belegte er den zweiten Platz.
Matthew McConaughey (Dallas Buyers Club) – Kaum ein Schauspieler verpasste innerhalb von nur zwei Jahren seiner Karriere eine solche 180°-Wende wie McConaughey, der zuvor als Dauerbesetzung in seichten Romcoms galt. Mit Magic Mike und Killer Joe beweis er vorletztes Jahr, was er drauf hat (und hätte bereits für Killer Joe eine Oscarnominierung verdient). Mit Dallas Buyers Club, Mud und seinem kurzen, aber einprägsamen Auftritt in The Wolf of Wall Street festigte er diesen Eindruck. In Dallas Buyers Club hat seine Rolle all die Zutaten, die man für einen Oscar bzw. zumindest für eine Nominierung braucht – AIDS-kranker, homophober, rassistischer Charakter, der durch seine Krankheit zum Besseren bekehrt wird? Check. Wahre Geschichte? Check. Aussichtloser Kamp gegen das böse System? Check. Körperliche Transformation? Check (McConaughey speckte über 20 Kilos für die Rolle ab). Ein jahrelang unterschätzter Schauspieler, der alle überrascht hat? Check. Der Golden-Globe-Sieg am Sonntag gegen Konkurrenten wie Tom Hanks und Chiwetel Ejiofor hat es besiegelt – McConaughey ist drin!
Bruce Dern (Nebraska) – Bruce Derns letzte (und einzige) Oscarnominierung liegt 35 (!) Jahre zurück. In den letzten Jahren hörte man nicht viel von dem Schauspielveteran. Alexander Paynes neuster Film ermöglichte ihm ein spätes Comeback, das mit einem "Bester Schauspieler"-Sieg beim diesjährigen Filmfestival von Cannes geehrt wurde. Seitdem hat Dern zwei weitere wichtige Auszeichnungen erhalten – die National Board of Review und die Los Angeles Film Critics Association kürten ihn zum "Besten Hauptdarsteller" von 2013. Alle relevanten Preisverleihungen haben ihn nominiert (SAG, Golden Globes etc.) Hinzu kommt noch, dass Schauspielveteranen, die während ihrer langen Karrieren nicht viel Beachtung von der Academy erfuhren, häufig einen Vorteil haben (siehe Max von Sydows überraschende Nom für Extrem laut und unglaublich nah). Derns Nominierung wird jedoch keine Überraschung sein, wie bei seinen beiden oben genannten Kollegen, ist sie beschlossene Sache.
Wahrscheinliche Kandidaten
Tom Hanks (Captain Phillips) – Tom Hanks, einst der erfolgreichste, beliebteste und umjubeltste Schauspieler der Welt, hatte in den letzten zehn Jahren nicht viele Erfolge bei den Zuschauern oder Kritikern. Fünf Oscarnominierung und zwei Siege verbuchte er zwischen 1988 und 2000, danach kam er am ehesten noch mit Charlie Wilson’s War ins Gespräch während der Oscar-Saison von 2007 – für eine Oscarnom hat es aber nicht gereicht. Mit Saving Mr. Banks und Captain Phillips gelang ihm aber letztesJahr ein phänomenales "Comeback" – zwei große finanzielle Hits, die auch bei den Kritikern und dem Publikum hervorragend ankamen, wobei Captain Phillips bei beiden die Nase vorne hat. Wer den Film gesehen hat, kann sich mit Sicherheit an Hanks' erschütternde letzte Szene erinnern, die ihm eigentlich eine Nominierung garantieren sollte. Bei den nötigen Oscar-Prädiktoren (BAFTAs, SAG, Golden Globes, BFCA) wurde er nominiert. Es ist jedoch leicht beunruhigend, dass er während der gesamten Saison keinen einzigen Preis gewinnen konnte und es könnte passieren, dass Hanks einer Überraschungsnominierung (z. B. für Redford oder Bale) zum Opfer fällt.
Leonardo DiCaprio (The Wolf of Wall Street) – Als Jordan Belfort spielt Leonardo DCaprio in The Wolf of Wall Street so gut wie noch nie in seiner (mit tollen Darbietungen gefüllten) Karriere. Das es dennoch vorstellbar ist (wenn auch mittlerweile nicht mehr wahrscheinlich), dass die Academy ihn ignoriert, sagt wohl eher was über das Abstimmverhalten und die Einstellungen der Academy-Mitglieder aus, von denen einige empört die Vorführungen dieses Films verlassen haben. Zu pervers und glorifizierend war der Film, für sie. Wie auch immer man den Film selbst sieht, DiCaprios Tour de Force kann und sollte man nicht ignorieren. Immerhin hat die HFPA es bereits gemerkt und DiCaprio den Golden Globe in der Kategorie "Bester Hauptdarsteller (Comedy/Musical)" verliehen. Die BFCA und die BAFTA haben ihn nominiert, lediglich die Screen Actors Guild bedachte den Streifen mit Null Nennungen. Das könnte aber daran liegen, dass nicht genügend Mitglieder den Film rechtzeitig sahen. In den meisten anderen ahren, wäre DiCaprio auf der Liste der sicheren Kandidaten, doch in einem so umkämpften Jahr, wäre es nicht schockierend, wenn er unter den Tisch fallen würde, falls der Film bei der Academy insgesamt nicht so gut ankommt – eine Situation, die sich leider angesichts des Inhalts nicht ausschließen lässt. Schließlich führte nur eine der bisherigen vier Zusammenarbeiten zwischen Scorsese und DiCaprio zu einer Oscarnom für den Mimen.
Weitere Anwärter
Robert Redford (All Is Lost) – es ist kaum zu glauben, doch als Schauspieler hat Robert Redford noch nie einen Oscar gewonnen. Sogar an Nominierungen hat er für seine Schauspielerei nur eine einzige bei den Academy Awards vorzuweisen. All Is Lost ist vielleicht die beste Chance seiner Karriere, ein weiteres Mal für den Preis nominiert zu werden oder sogar zu gewinnen und in einem etwas weniger umkämpften Jahr wäre er sicherlich höher auf der Liste. Doch die Konkurrenz ist zu groß und während die Golden Globes, die BFCA und die Independent Spirit Awards Redford nominierten, wurde er bei den BAFTAs und den SAG Awards übergangen. Immerhin erhielt er die Auszeichnung er New Yorker Filmkritiker. Man muss sich daran erinnern, dass ihrerzeit Marcia Gay Harden auch nur diesen einzigen Sieg vorzuweisen hatte, bevor sie als "Beste Nebendarstellerin" für Pollock nominiert wurde und schließlich auch gewann. Eine Nominierung für Redford wäre also vollkommen im Rahmen des Denkbaren…
Joaquin Phoenix (Her) – Während Her viele Preise als "Bester Film" sowie für sein Drehbuch und seine Musik gewinnt, geht Joaquin Phoenix' Performance dabei eher unter, was wohl weniger von deren Qualität und mehr von der harten Konkurrenz spricht. Die Golden Globes haben ihn nominiert sowie einige wenige Kritikerverbände. Große Wellen scheint er jedoch nicht zu schlagen. Die Academy mag Phoenix allerdings – letztes Jahr wurde er für einen Oscar nominiert (für The Master), nachdem die SAG ihn übergangen hat. Es bleibt also weiterhin eine Möglichkeit.
Christian Bale (American Hustle) – Cristian Bale liefert (meienr Meinung nach) die beste Performance in American Hustle ab und hätte dafür problemlosn seine zweite Oscarnominierung verdient. Dass es dazu vielleicht nicht kommen wird, liegt einzig und alleine an der Konkurrenz. Die Golden Globes, die BAFTAs und die BFCA haben Bale für seine Performance nominiert, lediglich die SAG hat ihn übergangen. Im Gegensatz zuDiCaprio gilt hier aber nicht das Arguemtn, dass nicht genug ihn gesehen haben – der Film erhielt zwei SAG-Nominierungen. Es scheint also, als wäre der Support für ihn nter den anderen Schauspielern nicht immens, sodass er diesmal wohl eher leer ausgehen wird.
Forest Whitaker (Der Butler) – Vor etwa fünf Monaten galt Forest Whitaker noch als klarer Kandidat für eine Nominierung in seinem Hit Der Butler. Damals war ejdoch nicht klar, wie viele herausagende Darbietungen es in männlichen Hauptrollen letztes Jahr geben würde, sodass Whitaker auf der Liste der Kandidaten weit nach hinten gerutscht ist. Die SAG-Nominierung war ein Erfolg für ihn, doch darauf folgten gar keine weiteren relevanten Nominierungen, nicht einmal von irgendwelchen Filmkritikerverbänden. es scheint so, als hätte Chiwetel Ejiofor ihm deas Rampenlicht gestohlen, wie 12 Years a Slave es als Film auch bei Der Butler tat.
Idris Elba (Mandela: Der lange Weg zur Freiheit) – Vor vier Jahren wurde Morgan Freeman für seine Performance als Nelson Mandela nominiert. Idris Elba sollte in einem Biopic, der ein halbes Jahrhundert von Mandelas Leben abdeckt, eigentlioch auch gute Chancen haben. Tut er aber nicht, denn Elba ist nicht Freeman und der Regisseur seines Films ist nicht Clint Eastwood. Die HFPA ist die einzige Instiution, die Elba eine Nominierung verliehen hat- Hier werden wohl auch der Einfluss von Harvey Weinstein nicht helfen…
Außenseitertipp
Michael B. Jordan (Fruitvale Station) – Neben Forest Whitaker galt auch der relative Newcomer Michael B. Jordan als ein potenzieller Oscarkandidat im Sommer. Im Getümmel der Oscar-Saison ging er aber unter, auch wenn sein Film, Fruitvale Station, immer wieder erwähnt wird. Neben großen Namen wie Bale, Whitaker, DiCaprio, McConaughey und Redford ist er sogar auf der langen Liste ein absoluter Außenseiter, doch eine Nominierung wie diese ist eine Überraschung, die ich mir vorstellen könnte. Damit könnte die Academy den Film entlohnen (falls sie es nicht bereits mit einer Drehbuchnominierung tut). Vergleichbar wäre das mit der Nominierung, die Keisha Castle-Highes für Whale Rider oder Catalina Sandino Moreno für Maria voll der Gnade erhielten. Beide Jungschauspielerinnen wurden zuvor ebenfalls nicht für den Golden Globe oder den Preis der BAFTA nominiert…
Vorhersage:
Chiwetel Ejiofor (12 Years a Slave)
Matthew McConaughey (Dallas Buyers Club)
Tom Hanks (Captain Phillips)
Bruce Dern (Nebraska)
Leonardo DiCaprio (The Wolf of Wall Street)
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Im letzten Teil widme ich mich dann den Kategorien "Beste Regie" und natürlich "Bester Film".
Bisherige Ausgaben:
Teil 1 (Bestes Originaldrehbuch, Bestes adaptiertes Drehbuch)