Bester Hauptdarsteller
Von den vier Schauspielkategorien dieses Jahr, ist diese die eindeutigste, denn die fünf am besten positionierten Kandidaten haben einen deutlichen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz aufgebaut.
Sichere Kandidaten
Leonardo DiCaprio (The Revenant – Der Rückkehrer) – Wenn es einen absolut sicheren Oscaranwärter gab, noch lange bevor die Oscar-Saison überhaupt begonnen hat, dann war es Leonardo DiCaprio. Seit sein Survival-Western vom Birdman-Regisseur Alejandro González Iñárritu angekündigt wurde, las sich das Projekt als ein 1-A-Oscarkandidat und bislang hat sich diese Erwartung bestätigt. Nach vier Oscarnominierungen als Schauspieler (und einer als Produzent) scheint DiCaprios Zeit endlich gekommen zu sein, den so lange überfälligen Goldjungen, auf den er seit mehr als einem Jahrzehnt (seit Beginn seiner Zusammenarbeit mit Martin Scorsese) verbissen hinarbeitet, nach Hause mitzunehmen. Momentan ist eigentlich kein Ausgang der Oscarverleihung vorstellbar, bei dem DiCaprio diesen Oscar nicht gewinnt, sodass seine Nominierung lediglich eine Formalität ist. Er wurde nicht nur von der SAG, der BFCA und der BAFTA nominiert und erhielt zusätzlich den Golden Globe, auch die meisten Filmkritikerverbände sind sich einig, dass der Oscar ihm gehören soll.
Eddie Redmayne (The Danish Girl) – Redmayne hat erst letztes Jahr für Die Entdeckung der Unendlichkeit einen Oscar gewonnen und seine Rolle in Tom Hoopers The Danish Girl ist pures Oscar Bait – doch es funktioniert. Sämtliche relevanten Oscar-Prädiktoren haben Redmayne nominiert und obwohl er keinen nennenswerten Preis für die Rolle gewonnne hat (vermutlich weil sie alle entweder an DiCaprio oder Michael Fassbender gehen), taucht er auch auf den Nominierungslisten der meisten Kritikerverbände auf.
Michael Fassbender (Steve Jobs) – Wäre es nicht DiCaprios Jahr oder wäre Steve Jobs zumindest nicht so ein Flop an den Kinokassen geworden, dann wäre Michael Fassbender für seine geniale Performance in Danny Boyles Film der aktuelle Favorit in der Kategorie. Neben einer Nominierung bei den Golden Globes, den BAFTAs, der BFCA und der SAG, wurde Fassbender auch von den Kritikerverbänden aus Los Angeles, Phoenix, Vancouver und Houston ausgezeichnet. Es ist die perfekte Oscarrolle für Fassbender, noch mehr als Mark Zuckerberg für Jesse Eisenberg war, doch gegen DiCaprios Übermacht hat im diesjährigen Rennen niemand eine Chance. Eine Nominierung ist aber absolut sicher.
Wahrscheinliche Kandidaten
Bryan Cranston (Trumbo) – Man kommt leicht in die Versuchung, Bryan Cranston auch unter die sicheren Kandidaten einzuordnen, denn schließlich wurde auch seine Performance in allen wichtigen Instanzen nominiert, darunter bei den BAFTAs, den Golden Globes, der SAG und der BFCA. Noch wichtiger ist aber, dass die Academy Filme über Hollywood mag und gerade dieser beschäftigt sich mit einer sehr düsteren Ära der Filmfabrik, während Cranston einen der größten tragischen Helden jener Periode verkörpert. Allein schon die Natur dieser Rolle, mit der Cranston einen zweifach oscarprämierten Drehbuchautor (u. a. von Spartactus und Ein Herz und eine Krone) spielt, macht Cranston zu einem sehr wahrscheinlichen Kandidaten. Doch andererseits half das auch Anthony Hopkins und Helen Mirren für ihre Performances in Hitchcock nicht und Trumbo könnte ein ähnliches Problem haben. Nicht nur ist der Film an den Kinokassen vorbeigezogen, ohne einen Eindruck zu hinterlassen (bislang spielte er in den USA knapp $7 Mio ein), er wird außerdem von einem unerfahrenen Studio betreut und erhielt zwar eher positive Rezensionen, jedoch keine herausragenden. All das in Kombination könnte dafür sorgen, dass der Film und seine Performances bei der Academy einfach untergehen und "größere" Kandidaten an Cranston vorbeiziehen könnten.
Matt Damon (Der Marsianer) – Matt Damon sollte ebenfalls in der sicheren Kategorie sein, denn er liefert in Der Marsianer eine der besten Performances seiner Karriere ab, für die er von den Golden Globes am Sonntag ausgezeichnet wurde und zudem Nominierungen von der BAFTA und der BFCA erhielt, ebenso wie die Auszeichnung des bedeutenden Kritikerverbands National Board of Review. Jedoch wurde er überraschenderweise nicht von der Schauspielergewerkschaft nominiert, die Johnny Depp und Bryan Cranston ihm vorgezogen haben. Allein aufgrund dieser Tatsache kann man ihn noch nicht unter die ganz sicheren Kandidaten stellen, auch wenn die Wahrscheinlichkeit seiner Nominierung sehr hoch ist.
Weitere Anwärter
Johnny Depp (Black Mass) – Für Johnny Depp, dessen Karriere in letzter Zeit von Flops geplagt wurde, ist Black Mass in gewisser Hinsicht eine Rückkehr zur Form und er erhielt für die Rolle die besten Kritiken seit Sweeney Todd, seiner letzten Oscarnominierung. Insgesamt hinterließ Black Mass als Film jedoch nur einen gemischten Eindruck und während Depp von der SAG und der BFCA nominiert wurde, ignorierten ihn die Golden Globes (die ihn in Vergangenheit immerhin schon sehr häufig nominiert haben) und die BAFTAs. Er hat durchaus Chancen zu überraschen, wenn Depp immer noch viele Anhänger innerhalb der Academy hat, doch die Top 5 der Anwärter hat sich mittlerweile so klar gefestigt, dass seine Chancen von Tag zu Tag sinken.
Will Smith (Erschütternde Wahrheit) – Auch für Will Smith ist sein neuster Film eine kleine Rückkehr zur Form, auch wenn er finanziell zu wünschen übrig ließ. Immerhin gab es für Smith eine Golden-Globe-Nominierung, jedoch nicht mehr, sodass er hier hauptsächlich der Vollständigkeit halber erwähnt wird.
Christian Bale (The Big Short) – Gleiches gilt auch für Christian Bale, dem ich sehr gute Chancen als "Bester Nebendarsteller" für The Big Short zurechne, der hier aber auch erwähnt werden soll, da die Golden Globes ihn neben Carell für die Hauptrolle nominierten.
Steve Carell (The Big Short) – Wenn die Academy The Big Short wirklich liebt und ihn zum Favoriten im Oscar-Rennen morgen macht, dann könnte dabei auch eine Nominierung für Hauptdarsteller Steve Carell herausspringen. Schließlich wurde er bereits letztes Jahr überraschend für Foxcatcher nominiert. Momentan sehen seine Chancen aber eher schlecht aus.
Michael B. Jordan (Creed – Rocky’s Legacy) – Sylvester Stallone heimst den meisten Lob für Creed ein, doch auch Hauptdarsteller Michael B. Jordan gebührt Anerkennung für seine Performance, mit der er den Film über weite Strecken trägt. Falls Creed wider Erwarten zu einem Oscarkandidaten als "Bester Film" wird, könnte auch Jordan nominiert werden. Bislang wurde er jedoch nur von der National Society of Film Critics prämiert und von einigen kleineren Kritikergruppen nominiert, was nicht ausreicht, um eine reelle Chance im Oscar-Rennen zu haben. Vielleicht wenn er die Rolle in 38 Jahren noch einmal spielt…
Ian McKellen (Mr. Holmes) – Als das Projekt ursprünglich angekündigt wurde, wurde Ian McKellen sofort als potenzieller Oscarkandidat gehandelt und seine Performance hätte eine Nominierung sicherlich verdient. Doch da sein Name im Oscar-Rennen bislang fast nirgendwo aufgetaucht ist und sogar die BAFTAs ihn in seiner Heimat übergingen, sind seine Chancen eigentlich so gut wie tot. Ein Oscar-Wunder möchte ich aber noch nicht abschreiben.
Außenseitertipp
Michael Caine (Ewige Jugend) – Wenn ein britischer Schauspieler allerdings eine mirakulöse Überraschungsnominierung für seine Performance erhalten wird, dann wird es viel eher Michael Caine für Ewige Jugend sein. Paolo Sorrentinos Film hat schließlich einen höheren Prestigefaktor und die Academy liebt Caine. Er gewann in Vergangenheit schon zwei Oscars und wurde für vier weitere nominiert, zuletzt vor 13 Jahren. Caine gehört zu den Schauspielveteranen, die gelegentlich auf der Liste der Oscar-Nominees auftauchen, ohne im Rennen zuvor eine Rolle gespielt zu haben (siehe beispielsweise Tommy Lee Jones für Im Tal von Elah).
Vorhersage:
Leonardo DiCaprio (The Revenant – Der Rückkehrer)
Michael Fassbender (Steve Jobs)
Eddie Redmayne (The Danish Girl)
Matt Damon (Der Marsianer)
Bryan Cranston (Trumbo)
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Morgen kommen wir zum Abschluss mit den zwei größten Kategorien: "Beste Regie" und "Bester Film". Bleibt dran.
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