Am Samstag fand in Köln unter viel Aufsehen die Deutschlandpremiere des großartigen Rennfahrer-Dramas Rush – Alles für den Sieg statt, eines der ersten Oscarkandidaten der diesjährigen Oscar-Saison. Insbesondere Daniel Brühls Namen werden wir in den kommenden Monaten in diesen Zusammenhang hoffentlich häufiger hören. Anlässlich der Filmpremiere hatte ich die Gelegenheit, mit den beiden Hauptdarstellern des Films, dem Regisseur Ron Howard, dem Drehbuchautor Peter Morgan und dem legendären Formel-1-Piloten Niki Lauda, dessen Rivalität mit dem 1993 verstorbenen James Hunt den Kern der Geschichte von Rush bildet, zu sprechen. In einer Reihe von "Rush"-Specials werden wir Euch die daraus entstandenen, äußerst interessanten und aufschlussreichen Interviews präsentieren, de einen guten Einblick in die Entstehung von Rush und in die allgemeine Arbeitsweise der Beteiligten gewährt. Heute geht es mit dem ersten Teil los, und zwar mit meinen Interviews mit Ron Howard und Peter Morgan, den beiden kreativen Köpfen hinter Rush – Alles für den Sieg.
Ich habe bereits diverse Interviews mit mehr oder minder berühmten Filmschaffenden in Vergangenheit geführt, doch während ich mit meinen Journalistenkollegen in der wundervollen Suite im 6. Stock des Hyatt Regency Hotels in Köln saß (beste Aussicht auf den Kölner Dom an einem wundervoll sonnigen Tag!), beschlich mich erstmals eine große Nervosität. Diese entstammte einer Ehrfurcht vor der Person, die ich kurz darauf interviewen sollte. Ron Howard. Oscarpreisträger, Hollywood-Mogul und eine Industrielegende. Als Schauspieler fing er seine Laufbahn an, bereits als Vierjähriger stand er vor der Kamera und spielte in mehr als 200 Folgen der „Andy Griffith Show“ mit. In George Lucas' American Graffiti spielte er eine der Hauptrollen. Später wechselte er ins Regiefach und feierte dort noch größere Erfolge. Mehr als 20 Filme gehen bereits auf sein Konto als Regisseur. Darunter sind umjubelte Hits wie Apollo 13, A Beautful Mind, Backdraft und Kopfgeld, kleinere, jedoch nicht minder beliebte Filme wie Frost/Nixon und natürlich seine beiden Dan-Brown-Verfilmungen The Da Vinci Code – Sakrileg und Illuminati. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als ich ihm live im Fernsehen dabei zugesehen habe, als er die Oscarstatue für A Beautiful Mind entgegennahm. Also einen Oscarpreisträger interviewen – allein diese Vorstellung machte mich aufgeregt und nervös zugleich. Dass es dann auch noch um einen der besten Filme seiner Karriere ging, vielleicht sogar den besten seit Apollo 13, machte es für mich noch interessanter.
Doch keine Minute nach Beginn des Interviews war die Nervosität verflogen, was der Bodenständigkeit, der Begeisterung und der Freundlichkeit (angesichts des bereits mehrere Tage andauernden Premieren/Interviews-Marathons äußerst lobenswert!) von Ron Howard zu verdanken war. Vor allem sind mein Respekt und meine Ehrfurcht vor ihm nach dem Gespräch noch mehr gewachsen. Hier war ein Mann, bei dem die Liebe und die Leidenschaft zum Medium „Film“ in jeder Sekunde spürbar war. Ein wahrer Filmemacher.
Filmfutter: Rush ist ein Independent-Film. War es schwierig, ihn zu finanzieren?
Ron Howard: Nun, es ist ein sehr internationaler Film. Er wurde so finanziert, wie die meisten internationalen Filme finanziert werden, nämlich mit vielen Produktionsfirmen, die das Risiko geteilt haben und Vorab-Verkäufen des Films in einigen Märkten. So wurde das Geld aufgetrieben. Es war nicht außergewöhnlich schwer, aber für mich war es ein neues Erlebnis, denn das Studiosystem funktioniert anders.
FF: Wolltest Du den Film nicht im Studiosystem produzieren? Wurde Rush von den Studios als ein riskantes Projekt angesehen?
RH: Ja, das war der Fall. Es ist ein gänzlich internationaler Film und handelt von einer Sportart, die in den USA nicht sonderlich populär ist. Es ist eigentlich in jedem Land eine Herausforderung, einen Sportfilm zu verkaufen. Manchmal laufen sie gut, aber sie sind weit davon entfernt, todsichere Erfolgsgaranten zu sein. Und genau das suchen die Studios heutzutage, mehr als alles andere. Rush war wiederum ein wenig zu teuer, um nur ein kleines Experiment für Ron Howard zu sein. Wenn das Budget nur $15 Millionen betragen hätte, dann hätten sie sich vielleicht darauf eingelassen, aber nicht bei $38 Millionen.
FF: Ist der Film denn schon in den USA gut angelaufen?
RH: Seit gestern läuft er breit. Wir fingen klein an (Anm. der Red: in vier Kinos zunächst) und gestern wurde der Release expandiert. Das lief gut, aber wir werden sehen, wie es weitergeht. Es ist ein wundervolles Gefühl, einen Film gemacht zu haben, auf den man stolz ist und der auch günstig genug war, dass man sich sicher sein kann, dass die Investoren ihr Geld zurückbekommen werden. Ich habe letzte Nacht sehr gut geschlafen, obwohl der Film in zwei wichtigen Märkten anlief, in den USA und in Frankreich. Der Film läuft in einigen anderen Märkten bereits gut. Die Arbeit an diesem Film war ein solch angenehmes und befriedigendes Erlebnis. Das Feedback von den Menschen, die ihn gesehen haben, ist unglaublich positiv. Es erinnert mich an die Art, wie die Zuschauer auf Apollo 13 und A Beautiful Mind reagiert haben. Ich denke, die Leute wussten nicht genau, was sie von dem Film erwarten konnten und schauten ihn sich wahrscheinlich mit einer Mischung aus Zweifel und Neugier an. Und sie hatten viel Spaß. Ich widme mich sehr gerne Themen, die nicht nach einer abgedroschenen Formel funktionieren, um damit den Zuschauern die Gelegenheit zu geben, angenehm überrascht zu werden. Das ist definitiv der Fall bei Rush. Ich glaube sogar, dass bei den meisten Zuschauern anfangs skeptisch eingestellt sind. Wenn sie Formel-1-Fans sind, dann bezweifeln sie möglicherweise, dass wir die Seele des Sports richtig einfangen können und die große Mehrheit wird dann angenehm überrascht. Und wenn sie keine Formel-1-Fans sind und insbesondere, wenn sie jünger sind oder Frauen, dann werden sie wahrscheinlich bei einem Film über Formel 1 eher skeptisch sein. In vielerlei Hinsicht genießen sie dann den Film sogar am meisten, weil es für sie eine besonders große positive Überraschung ist.
FF: Wie kamst du auf Daniel Brühl als Niki Lauda?
RH: Wie wahrscheinlich die meisten US-amerikanischen Kinogänger, kannte ich Daniel nur auf Good Bye Lenin! und Inglourious Basterds. Sein Name kam mir zwar bekannt vor, aber ich konnte ihm nicht einmal direkt ein Gesicht zuordnen. Peter Morgan hat ihn mir empfohlen. Peter hat das Drehbuch zu dem Film geschrieben und ihm auch mitproduziert. Er war derjenige, der angefangen hat, die Finanzierung aufzutreiben. Es war kein Projekt, das ich von Anfang an mit ihm entwickelt habe. Als ich an Bord kam, war ich in gewisser Hinsicht einer der ersten, die von dem Projekt sehr positiv überrascht wurden. Ich habe das Drehbuch gelesen und wollte den Film unbedingt machen. Es war wie ein Geschenk, es gab so viele Überraschungen in der Geschichte! Er hat aber schon lange zuvor über den Film nachgedacht und hatte die Idee mit Daniel und Alexandra (Maria Lara). Als ich Daniel getroffen habe, habe ich sofort seine eigenen Erwartungen begriffen. Er hatte sehr viel Respekt vor der Herausforderung und wollte unter anderem unbedingt Nikis Akzent richtig hinbekommen. Ich habe ihn nicht einmal wirklich vorsprechen lassen. Wir haben uns getroffen, ich habe ihm von einigen Ideen zu dem Film erzählt und gab ihm die Rolle. Alexandra habe ich bereits in einigen Filmen gesehen. Mit ihr habe ich über Skype gesprochen und gab ihr dann direkt den Part. Sie hatte genau die richtigen Eigenschaften für Marlene (Lauda).
FF: Wie war es mit dem Part von James Hunt? Musste Chris Hemsworth vorsprechen?
RH: Eigentlich hat er sein Vorsprechen selbst aufgenommen und eingereicht. Er hat damals gerade an Marvel’s The Avengers gearbeitet und konnte mich deshalb nicht persönlich treffen. Ich habe mich mit ihm zuvor getroffen, als ich das erste Mal die Verfilmung von Stephen Kings „Dark Tower“ stemmen wollte. Ich habe mich damals wegen einer bestimmten Rolle mit sehr vielen Schauspielern aus seiner Altersklasse getroffen, einschließlich Chris und seines Bruders und sehr vieler anderer. Der Film wurde aber vorerst auf Eis gelegen. Später haben wir uns überlegt, wer ein guter James Hunt wäre. Wir hatten einen großartigen Niki Lauda, aber man konnte den Film natürlich nur machen, wenn man einen vergleichbar starken James Hunt hatte. Ich war langsam entmutigt. Chris‘ Name war auf unserer Liste, aber ich musste mit ihm reden. Ich habe ihn damals nur in Thor und in seiner Szene in Star Trek gesehen. Ich hatte keine Ahnung, ob er genug Bandbreite besitzt, um einen Charakter darzustellen, der sehr charmant, sexy und charismatisch ist, aber gleichzeitig auch eine dunklere, sprunghafte Seite hat. Die Rolle ist eine große schauspielerische Herausforderung. Er sandte uns ein selbst aufgenommenes Vorsprechen ein, das so fesselnd war, dass Peter und ich uns danach angeschaut haben und sagten: „Wir haben einen Film!“. Wir hatten Niki Lauda und James Hunt. Letztendlich war das Casting insgesamt einfach, aber ich glaube wir hatten sehr viel Glück.
FF: Manche Dinge im Film sind genau so passiert, andere wurden zu Spannungszwecken dramatisiert. Wo hast Du die Grenze gezogen bzw. wo hattest Du den Wunsch, die Handlung etwas aufzupeppen?
RH: Ich habe es Peter (Morgan) überlassen, der sehr gut darin ist, sehr komplexe Geschichte zu „destillieren“ und daraus Filme zu schaffen, die die Zuschauer gut unterhalten. Er strukturiert seine Drehbücher so, dass die Handlung sehr flüssig wirkt und sehr unterhaltsam ist. Wie bei einem guten Bildhauer, ist die größte Frage, was man auslässt. Er ist sehr diszipliniert, was das angeht. Wir haben viel recherchiert und hatten sehr viele Ideen. Die Herausforderung ist immer, dass man mit sich selbst als kreative Person ehrlich sein muss und immer wissen muss, dass es die eigene Interpretation der Ereignisse ist. Das macht es zu einem Spielfilm und nicht zu reinem Journalismus oder einer Doku. Die Frage ist, welches Erlebnis man den Zuschauern geben möchte. Der Gedanke war, sich auf die Rivalität der beiden zu fokussieren und deren Intensität zu verstärken. Im echten Leben entwickeln sich manche Dinge über Monate, die ein Film innerhalb von zwei Minuten auf den Punkt bringen soll. Im echten Leben finden solche Schlüsselmomente des Konflikts bzw. der Transformation sehr selten in kurzen, kompakten Zeitabschnitten statt. Also schaut man sich beispielsweise an, was in einem Zeitraum von sechs Monaten passierte und muss die Idee davon in zwei Szenen verpacken. Die übergeordnete Aussage muss natürlich bleiben, aber wir müssen auch etwas erschaffen, das unterhaltsam ist. Darin ist Peter sehr begabt.
FF: Du kommst aus den USA, wo es sehr viele Vorschriften im Straßenverkehr gibt und wo Formel 1 nicht sehr populär ist. Wie war es, diesen Film zu drehen? War es die Erfüllung eines Kindheitstraums?
RH: Obwohl ich selbst kein Motorsport-Fan bin, haben all de Jungs gegrinst, insbesondere an den Tagen, an denen wir mit den echten historischen Formel-1-Autos gedreht haben – Laudas Ferrari oder Hunts McLaren.
FF: Wie war der Dreh am Nürburgring?
RH: Es gibt etwas Besonderes an dem Ring. Es ist fast so, als würde man eine Kirche betreten. Als ich am Nürburgring gedreht habe, erinnerte es mich an den Dreh im Louvre (Anm. der Red: bei The Da Vinci Code). Natürlich wussten wir von Niki Laudas Unfall und wir drehten exakt an der Kurve, an der es zum Unfall kam. Es gibt etwas sehr Ernüchterndes daran. Bei vielen Szenen des Films gab es eine verspielte Atmosphäre, mit viel Spaß und Lachern. Mädels in coolen 70er-Klamotten und Jungs mit lustigen Frisuren. Wir hatten eine tolle Zeit, aber als wir zum Ring kamen, diese Szenen dort gedreht haben und später auch einige Szenen in einem Kölner Krankenhaus, dann war es ein anderes Filmerlebnis. Beim ersten Mal am Nürburgring war es einfach cool, aber als wir tatsächlich gedreht haben, wirkte alles bedrohlich.
FF: Aktuell drehst Du einen anderen Film mit Chris, der auf See spielt. Was kannst Du uns dazu erzählen?
RH: Chris hat das Projekt an mich herangetragen, Heart of the Sea. Es basiert auf einem preisgekrönten Buch. Ich hatte keine Ahnung, dass „Moby Dick“ eigentlich von einer wahren Geschichte inspiriert wurde und darum geht es in unserem Film Es ist ein sehr interessantes Drehbuch und diesmal wird es von einem Studio getragen, von Wanrer Bros. Damit das Studio den Film finanziert, brauchte es einen Star, an den das Studio glauben konnte. Chris ist perfekt dafür. Er spielt den Hauptcharakter, Owen Chase. Das Studio brauchte einen Regisseur, der viel Herzblut in den Film reinstecken würde und ich habe mich des Films mit einem ähnlichen Hingabe und Begeisterung angenommen, wie ich sie schon bei Rush verspürte.
FF: Jeder deiner Filme ist anders. Wie würdest du jemandem beschreiben, was ein „Ron Howard Film“ ist?
RH: Das ist nicht einfach. Ich würde gerne daran glauben, dass ich das Vertrauen der Zuschauer verdienen kann zu dem Punkt, an dem sie bereit sind, sich auf meine Filme einzulassen. Rush ist mein 22. Spielfilm und niemand wird alle 22 meiner Filme lieben. Ich versuche immer, im Interesse des Publikums zu arbeiten, aber dabei trotzdem ein Element der Überraschung zu behalten. Manchmal gelingt mir das und manchmal nicht. Aber ich denke, dass ich häufig einen Film inszenieren kann, der die zwei Stunden Zeit gerechtfertigt, die die Zuschauer darin investieren. Ich kann mich an Billy Wilder erinnern, der einst sagte, dass er mehr Geld verdient hätte, wenn er sich wie Hitchcock nur einem Genre verpflichtet hätte und sein eigenes Markenzeichen etabliert hätte. Aber er war einfach zu neugierig. Ich habe Billy Wilders Intellekt nicht, aber ich bin auch sehr neugierig und ich liebe das Medium. Es gibt kein konkretes Markenzeichen eines Ron-Howard-Films. Alles was ich sagen kann, ist, dass es mein Lebenswerk ist und ich bin sehr leidenschaftlich darüber, den Zuschauern etwas zu geben, das deren Zeit verdient.
FF: Du hast Deine Karriere als Schauspieler angefangen. Vermisst Du je die Schauspielerei?
RH: Nicht wirklich, nein. Als wir unsere Kinder großgezogen haben, hatte ich einige Gelegenheiten zum Schauspielern. Meine Ehefrau Cheryl, die immer sehr unterstützend und entgegenkommend war, klar gesagt hat, was in unserem gemeinsamen Leben richtig und falsch ist, sagte damals zu mir: „Als ich dich geheiratet habe, wusste ich, dass du Regisseur werden willst, aber ich habe nie über diesen ganzen Mogul-Status nachgedacht, mit all den anderen Projekten und Imagine Entertainment (Anm. der Red: Produktionsfirma, die von Howard und Produzent Brian Grazer gemeinsam gegründet wurde). Du bist sehr vielbeschäftigt und du gibst dich deinen Filmen mit Herz und Seele hin und dafür respektiere ich dich. Aber wenn du mal wirklich 2-3 freie Wochen hast, würde ich es sehr schätzen, wenn du die Zeit nicht der Schauspielerei hergeben würdest, sondern uns.“ Zu dem Zeitpunkt war die Schauspielerei sowieso nicht mehr das Ziel meiner Karriere. Jetzt sind unsere Kinder erwachsen und sie sagt: „Mach was du willst!“ Also werde ich mich vielleicht eines Tages vor der Kamera wiederfinden. Ich würde mir schon interessieren, um zu sehen, wie es jetzt wäre.
FF: Kannst du uns vielleicht etwas zu deiner Adaption von Dan Browns „Inferno“ erzählen und zu deinen anderen Projekten, die in Arbeit sind?
RH: Inferno ist momentan nur ein Drehbuch, an dem gearbeitet wird. Ich fand den Roman sehr unterhaltsam und auf diversen Ebenen sehr faszinierend. Wir werden sehen, was für ein Drehbuch wir haben. Bei „Dark Tower“ haben wir momentan eine Art Funkstille. Jedes Mal, wenn wir etwas Genaues dazu gesagt haben, waren die Medien und die Fans so aufgeregt, dass Erwartungen aufgebaut wurden. Das möchten wir vermeiden, indem wir daran hinter verschlossenen Türen arbeiten. Es ist aber definitiv ein Projekt, an dem mir sehr viel liegt und zum Glück ist Stephen King sehr unterstützend. Es ist eine riesige, komplexe Welt. Es gibt eine Handvoll anderer Projekte, die faszinierend sind. Ich mache aber einen Schritt nach dem anderen. Und natürlich gibt es noch Raum für Projekte, die an mich herangetragen werden, mit denen ich nicht gerechnet habe, wie beispielsweise Rush oder Heart of the Sea.
FF: Chris Hemsworth ist der Star von Rush, aber er ist auch Thor und ist Teil einer der erfolgreichsten Filmreihen aller Zeiten. Comicbuchverfilmungen sind momentan sehr im Trend und viele umjubelte Regisseure haben bereits Comics verfilmt. Hättest Du Interesse daran, einen Comic zu verfilmen?
RH: Früh in meiner Karriere, noch in den Achtzigern, hatte ich die Möglichkeit, an Batman zu arbeiten. Auch Spider-Man stand für mich im Raum. Damals war die Computertechnologie aber nicht da, wo sie heute ist. Es ist heutzutage möglich, diese Fantasiewelten glaubwürdig umzusetzen. Ich erkenne, wie beliebt diese Filme sind und ich mag sie auch selbst als Kinogänger, aber ich persönlich war nie jemand, der viele Comics gelesen hat. Einen Comic-Film zu machen wäre für mich eine gigantische Herausforderung und mehr eine technische Übung als etwas, was ich wirklich fühlen würde. Aus diesem Grund habe ich mich da rausgehalten. Es gibt Leute, die das Genre lieben und es sehr gut verstehen. Bei diesen Filmen ist immer eine sehr enge Kommunikation zwischen den Machern und en Fans der Vorlage notwendig.
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Nach der Feuerprobe mit Ron Howard, war ich bei Peter Morgan um einiges entspannter, obwohl ich es wieder mit einer Größe des Film-, Fernseh- und Theatergeschäfts zu tun hatte. Zwei Mal wurde Morgan in Vergangenheit für den Oscar nominiert – für seine Drehbücher zu Die Queen und Frost/Nixon (seine erste Zusammenarbeit mit Howard). Am bekanntesten ist Morgan für seine Tony-Blair-Trilogie, dessen Mittelteil Die Queen bildet (The Deal war der erste Film und The Special Relationship schloss die Trilogie ab). Rush – Alles für den Sieg ist sein zweiter Film, der eine komplizierte Persönlichkeit vor dem Hintergrund einer Sportart zeichnet – nach dem unterschätzten The Damned United – Der ewige Gegner. Das Interview hat der geborene Engländer zur Überraschung aller Beteiligten in nahezu makellosem Deutsch geführt! Seine beiden Eltern sind Deutsche und er selbst ist mit einer Österreicherin verheiratet. Wie unter anderem gerade diese Ehe seine Interesse an der Thematik von Rush geweckt hat und für welche Rolle Russell Crowe in Rush ursprünglich vorgesehen war, hat Morgan in einem aufschlussreichen Interview erzählt.
Filmfutter: Man kann sich eigentlich keine besseren Gegner als die beiden im Film wünschen, alleine schon wegen der unterschiedlichen Kulturkreise. Welche Recherche hast Du für die Rollen betrieben?
Peter Morgan: Ich habe Niki (Lauda) angerufen, denn meine Frau kennt ihn. Wir waren beide gleichzeitig auf Ibiza. Er ist sofort vorbeigekommen. Ich glaube für ihn ist Urlaub eine Belastung. (lacht) Ich habe zu ihm gesagt: „Wie wäre es mit einem Film über die 1976er-Saison, fokussiert auf die Rivalität mit James?“ Für mich ist das interessant, denn ich bin geborener Engländer und meine Frau ist Österreicherin. Deswegen hat mich die Rivalitätsgeschichte zwischen einem Engländer und einem Österreicher sehr interessiert, denn so ist mein Haus. Ich habe sofort gewusst, dass ich James schreiben konnte, denn ich weiß, aus welcher Familie er kommt. Ich habe Freunde, die James gekannt haben bzw. seine Familie kennen. Ich kenne seine Stimme. Nach einer kurzen Zeit mit Niki dachte ich mir, dass ich auch seine Stimme schaffe. Das war so wie mit der Queen und mit Tony Blair (Anm. der Red: in Die Queen von 2006). Obwohl beide aus einem gewissen Niveau der Gesellschaft kommen, reden sie ganz unterschiedliches Englisch. Wenn man so etwas präzise schreiben kann, dann hilft es immer. Nach dem Treffen mit Niki wusste ich, dass ich beide schreiben konnte.
FF: Wie war der Austausch mit Niki?
PM: Ich habe Niki versprochen, dass er hassen wird, was ich mache. Ich habe gesagt: „Du hast keine Kontrolle, du darfst nicht ‚Ja‘ oder ‚Nein‘ sagen. Wenn wir etwas machen wollen, dann machen wir das. Du musst Vertrauen haben. Ich kann dir versprechen, dass ich dich als Mensch schätze, aber du hast wenige Freunde im Leben und ich glaube es gibt dafür Gründe. Erstens bist du nicht an gewöhnlichen Freundschaften interessiert und zweitens bist du ein kontroverser Typ. Akzeptierst du das?“ Und er antwortete: „Ja, sicher. Die anderen sind Arschlöcher!“ (lacht). Dann war er einverstanden und ich konnte so schreiben, wie ich wollte, aber er wusste, dass es mir daran lag, die Wahrheit zu erzählen. Ich habe großen Respekt für Niki, aber es heißt nicht, dass ich ihn einfach finde. Manche glauben fälschlicherweise, dass wen man jemanden sympathisch schreibt, dass man ihn dann gerne hat. Ganz im Gegenteil. Ich habe die Queen sehr unsympathisch geschrieben, ebenso wie Richard Nixon und David Frost auch. Die Queen war im Drehbuch eine einsame, eingebildete, kalte, arrogante Frau. Aber gerade durch diese menschlichen Fehler hat man sie geliebt. So ähnlich ist es auch bei Niki. Das Besondere an ihm ist seine brutale Ehrlichkeit. Er redet nichts schön. Man kann hm dann sofort verzeihen. Vor dieser tiefen Ehrlichkeit hat man Respekt. Heute habe ich ihn im Flugzeug gefragt, wie seine Erlebnisse bis jetzt sind und er meinte: „Die Leute werden so emotional, wenn sie mich sehen. Es ist also ob mich jeder jetzt intim kennt. Leute, die ich gar nicht kenne, kennen mich“. Die Leute, die den Film gesehen haben, haben jetzt ein ganz anderes Verhältnis zu Niki und er hat auch eine andere Einstellung zur Welt.
FF: Eigentlich trägt Niki Laudas Figur durch Daniel Brühls Performance den ganzen Film…
PM: Ja, das sagen viele Leute. In Amerika ist das definitiv nicht so. Die Leute haben dort einfach nicht das Verhältnis zu Niki wie in Deutschland oder Österreich. Seine Persönlichkeit ist in Amerika schwerer zu verdauen. Erstens spricht er komisch. Zweitens – obwohl er ein gewisses Heldentum verkörpert, verstehen die US-amerikanischen Zuschauer James Hunt besser. Es ist nicht nur die Sprache, sondern auch die Sexualität, die er ausstrahlt. Er ist eben „gerader“ und wir in Europa sind kantiger. In Amerika ist Niki Lauda definitiv ein Nebencharakter des Films, während beispielsweise in Zürich der Film als die „Niki Lauda Biografie“ angekündigt wurde, als ob James Hunt gar nicht existiert. Und in England ist es natürlich die James-Hunt-Geschichte. Natürlich, alle loben Daniel für seine Performance, aber der Film wird in verschiedenen Ländern schon unterschiedlich interpretiert.
FF: Ron Howard hat erzählt, dass Du Daniel und Alexandra für ihre Rollen vorgeschlagen hast. Woher kennst Du als Engländer diese Schauspieler so gut?
PM: Na ja, es ist nicht ganz so. Wir leben schon länger in Wien und bei mir zu Hause wird fast nur Deutsch gesprochen. Ich bin der einzige, der immer darauf besteht, Englisch zu reden. (lacht) Deswegen war es mir sehr wichtig, dass Niki und Marlene im Film Deutsch reden und ich wollte auch deren Dialoge auf Deutsch schreiben. Weil ich am Anfang das Drehbuch geschrieben habe, ohne bezahlt zu werden, habe ich für kurze Zeit die Macht gehabt. Mit meiner Macht wollte ich entscheiden, wer die Regie führt und wer die Schauspieler sind. Ansonsten hätte ich die Rechte nicht verkauft. Und ich bestand darauf, dass Niki Lauda von einem deutschsprachigen Schauspieler gespielt wird und Marlene ebenso. Ich will nicht Christian Bale als Niki Lauda sehen. Er ist ein brillanter Schauspieler, aber ich will einen Deutschen sehen und ich will dass Niki mit Marlene Deutsch redet. Dann habe ich sämtliche deutsche Produzenten angerufen und gefragt, wer für die Rolle von Niki Lauda passen würde. Manche haben August Diehl genannt, den wir auch getroffen haben, aber die meisten haben an Daniel gedacht. Ich kannte natürlich Inglourious Basterds und Good Bye Lenin! und ich wusste schnell, dass er für die Rolle richtig ist. Paul Greengrass, der erste Regisseur hat sofort zugestimmt und Ron Howard später auch.
FF: Gab es auch genaue Vorstellungen für die Besetzung von James Hunt?
PM: James fanden wir lange nicht. Wir haben sehr viele britische Schauspieler getroffen und alle waren nicht hübsch genug, um James zu spielen. James war ein Phänomen. Hätten wir Chris (Hemsworth) nicht gehabt und wäre Daniel (Brühl) nicht so gut, dann hätten wir am Schluss von Film nie die echten Bilder einfügen können. Es war ein Geschenk, dass die beiden Mimen so gut waren. Denn wären die beiden nicht perfekt gewesen, hätte das nicht funktioniert, die Bilder echter Personen einzublenden.
FF: Wenn Filme wahre Geschichten erzählen, lässt man sich natürlich etwas künstlerische Freiheit. Was ist mit der Szene, in der James Hunt nach der Pressekonferenz von Niki Lauda einen Journalisten verprügelt? Das ist wahrscheinlich nicht so passiert.
PM: Das stimmt, ja. Aber das ist wie bei Frost/Nixon und den nächtlichen Telefonaten zwischen Nixon und David Frost. Das ist nicht passiert. Was wir aber wissen, ist, dass Richard Nixon jeden Abend Alkohol, Schlaftabletten und Antidepressiva eingenommen hat und danach einen Blackout hatte. Während des Blackouts hat er dann mit anderen Staatsmächten telefoniert und wusste das am nächsten Tag nicht mehr. Am Ende seiner Amtszeit haben dann jeden Abend viele Leute zugeschaut und sich gefragt, wen er diesmal anruft und was er sagt. Er hat einfach betrunken Leute angerufen. Ich dachte mir, dass ich mir dann auch erlauben kann, dass er David Frost anruft. Es ist keine Genauigkeit, aber es ist eine Wahrheit. Bei Rush war es genau so. James hat diesen Journalisten nicht geschlagen, aber der Journalist hat genau diese Frage gestellt (Anm der Red: Nach der Reaktion von Niki Laudas Frau auf seine Verbrennungen). Wenn man außerdem nachschaut, dann weiß man, dass James Hunt so ziemlich jeden anderen Menschen bei Formel 1 mal geschlagen. Er war schnell mit seinen Fäusten. Da dachte ich mir, dass die Szene akzeptabel ist und ein netter Weg zu zeigen, dass James für Niki Respekt aufgebaut hat.
FF: Sollte ursprünglich auch Richard Burton, der ja Hunt seine Frau Suzy Miller (gespielt von Olivia Wilde) ausgespannt hat, in dem Film als ein Charakter auftreten? Es gab ja Gerüchte, dass Russell Crowe die Rolle spielen sollte.
PM: Ja, die Russell-Crowe-Idee gab es, aber wir haben uns dagegen entscheiden. Sobald Russell Crowe nämlich im Film erschienen wäre, hätte man nur in seine Richtung geschaut. Man würde damit die Symmetrie des Films ruinieren. Ich habe eigentlich lustige Szenen für Richard Burton geschrieben, als er die Frau von James Hunt mehr oder weniger abgekauft hat. Das ist wirklich passiert! Burton wollte nicht, dass Hunt der gehörnte Ehemann ist und beide sahen sich immer wieder in der Gesellschaft, sodass es nicht unangenehm werden sollte zwischen ihnen. Suzy war bei Burton glücklicher und um es irgendwie zu regeln, gab Burton James Hunt dann eine Million Dollar. So ungefähr ging das. James hat die Frau mehr oder weniger verkauft. Es waren andere Zeiten… (lacht) Es ist herrlich, so etwas zu schreiben und ich war sehr stolz auf die Szene, denn sie spiegelt die Mentalität der siebziger Jahre sehr gut wider. Es wurde aber sofort ein anderer Film, also nahmen wir die Szene raus.
FF: Formel 1 ist eine der weltweit populärsten Sportarten und es gibt daraus sehr viele faszinierende Geschichte zu erzählen. Trotzdem gibt es nur sehr wenige Filme aus dieser Welt. Woran liegt das?
PM: Erstens ist es sehr teuer zu inszenieren. Zweitens muss man ein passionierter und zugleich uninteressierter Formel-1-Mensch sein, um so etwas zu schreiben. Denn wenn man an Formel 1 zu sehr interessiert ist, vergisst man schnell die Geschichte. Ich habe die Geschichte aber so geschrieben, dass es egal war, wie viele Rennszenen wir drehen. Für mich wäre das genau so gut gewesen, wenn es Schachspieler wären, solange es eine interessante Rivalität ist. Sobald ich mich aber entschieden habe, die Geschichte in der Formel-1-Welt spielen zu lassen, habe ich mich dazu entschlossen, die gesamte Geschichte als ein Rennen zu schreiben. Das fängt beim Formel-3-Rennen im Crystal Palace an, bei dem James gewinnt. Dann überholt Niki ihn, indem er sich bei B.R.M. einkauft. Sobald James das hört, treibt er seine eigenen Kollegen in die Formel 1 und trifft dann Suzy, die er heiratet. Inzwischen geht aber Niki zu Ferrari und trifft auch seine Ehefrau. Und so ging es weiter. Das ganze Drehbuch ist ein Rennen.
FF: Und wer gewinnt am Ende?
PM: Am Schluss sieht man beide Autos nebeneinander. So habe ich mir das vorgestellt. Beide sind Gewinner und beide sind Verlierer.
FF: Denkst Du schon an die Oscarverleihung?
PM: Nein, ich glaube in Europa wird der Film mehr geschätzt als in Amerika, denn wir verstehen sowas mehr. In Amerika stellt man sich die Frage, auf wessen Seite man eigentlich sein sollte. Beide sind tolle Fahrer aber beide sind auch sehr fehlerbehaftete Menschen. Das ist sehr unamerikanisch. Es sind sehr ambivalente Figuren. Und amerikanische Filme sind meistens nicht ambivalent. Sogar die brillanten Filme sind so – ein guter Cowboy gegen den Bösen. Wir werden also sehen…
von Arthur Awanesjan
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Ich hoffe, Ihr fandet die Interview interessant. Demnächst erwarten Euch weitere Interviews zu Rush – mit Daniel Brühl, Chris Hemsworth und Niki Lauda! Also bleibt dran.