Pirates of the Caribbean: Dead Men Tell No Tales, USA 2017 • 129 Min • Regie: Joachim Rønning und Espen Sandberg • Mit: Johnny Depp, Javier Bardem, Brenton Thwaites, Kaya Scodelario, Geoffrey Rush • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 25.05.2017 • Website
Handlung
Seit seiner Kindheit hat Henry (Brenton Thwaites) nur ein Ziel im Leben: seinen Vater Will Turner (Orlando Bloom) vom Fluch des "Fliegenden Holländer" zu befreien und seine Familie endlich wieder zu vereinen. Als junger Soldat im Dienst der britischen Marine hat er endlich einen Weg dazu gefunden. Der sagenumwobene Dreizack des Poseidon soll in der Lage sein, jeden Fluch der Meere zu brechen. Um diesen zu finden, benötigt er die Hilfe der eigenwilligen jungen Astronomin Carina (Kaya Scodelario) und des alten Weggefährten seines Vaters, Captain Jack Sparrow (Johnny Depp). Beide verfolgen jedoch auf der Suche nach dem Dreizack eigene Ziele. Die wegen ihrer wissenschaftlichen Forschungen als Hexe verurteilte Carina möchte mithilfe des Tagesbuchs ihres verschollenen Vaters dessen die Theorien über den Dreizack beweisen. Für Jack geht es wiederum um Leben und Tod, denn Kapitän Armando Salazar (Javier Bardem), den Jack einst durch ein waghalsiges Manöver zum untoten Dasein im Teufelsdreieck verurteilte, ist gemeinsam mit seiner Geister-Crew seinem Gefängnis entkommen und sinnt auf Rache. Nur der Dreizack kann ihn noch aufhalten. Auf der Suche nach Jack vernichtet der von Zorn zerfressene Salazar systematisch alle Piratenschiffe. Um sich und seine Crew zu retten, spielt Hector Barbossa (Geoffrey Rush) ein gefährliches Spiel und geht ein wackeliges Bündnis mit Salazar ein. So beginnt ein Wettlauf um die Zeit, bei dem Henry, Carina und Jack nicht nur von Salazar und Barbossa, sondern auch von der britischen Flotte verfolgt werden.
Kritik
In einer frühen Szene von Pirates of the Caribbean – Salazars Rache, dem fünften Film in Disneys milliardenschwerem Franchise, wird der betrunkene Jack Sparrow nach einem verbockten Bankraub von seinen enttäuschten Crew-Mitgliedern ausgeschimpft und mit der bitteren Wahrheit konfrontiert: er ist nicht mehr der legendäre und berüchtigte Piratenkapitän, sondern ein verarmter Säufer, dem nur noch ein alter, brüchiger Kahn gehört und der nichts mehr zustande bringt. Man kann als Zuschauer dabei nicht anders, als sich wundern, ob das nicht ein cleverer Meta-Kommentar über den Darsteller des extravaganten Piraten ist. Verfolgt von zahlreichen beruflichen Misserfolgen und privaten Skandalen, wie seinen betrunkenen öffentlichen Auftritten oder der unangenehmen, in den Medien breit getretenen Trennung von seiner Frau Amber Heard, hat Johnny Depp einige holprige Jahre hinter sich. Es sind inzwischen sechs Jahre seit seinem letzten großen Kinoerfolg vergangen und dieser war ironischerweise sein letzter Auftritt als Captain Jack Sparrow in Fremde Gezeiten. Doch es war nicht immer so. Eine Zeitlang war Depp der größte und bestbezahlte Filmstar der Welt und auch das hat er einzig und alleine der Piratenreihe zu verdanken. Als Disney vor 15 Jahren Pläne bekanntgab, einen Blockbuster basierend auf einer Disneyland-Attraktion zu entwickeln, wurde das Vorhaben von vielen ungläubig belächelt und prompt wurde ein Kinoflop prophezeit. Piratenfilme galten seit dem Riesenfiasko Die Piratenbraut (1995) als Kassengift, Johnny Depp war damals zwar ein anerkannter Star der Indie-Szene, jedoch kein bewährter Zuschauermagnet, und der Plan, einen Film aus einem Fahrgeschäft zu machen, erschien vielen reichlich abstrus und als ein weiteres Zeichen von Hollywoods Ideenlosigkeit. Doch nur ein Jahr später wurden alle Zweifler schnell an den Spruch "Wer zuletzt lacht, lacht am besten" erinnert, denn Disney hatte jeden Grund zum Lachen, als Fluch der Karibik 2003 zum universell beliebten und enorm erfolgreichen Blockbuster wurde, der später auch noch für fünf Oscars nominiert wurde und Depp seine erste Nominierung für die goldene Statue einbrachte. Eine Geldkuh war geboren.
Nur die wenigsten werden bestreiten, dass der erste Film der Reihe der beste war, doch auch die darauffolgenden beiden Sequels von Gore Verbinski hatten trotz ihrer aufgeblähten Laufzeiten und zunehmend konfuseren Handlung (wie häufig hintergehen die Charaktere in Am Ende der Welt eigentlich einander?) ihre Reize, die nicht zuletzt in den spektakulären Actionsequenzen und einem zunächst zuverlässig spaßigen Johnny Depp lagen, der die Rolle von Jack Sparrow so sehr vereinnahmte, wie es in den seitdem veröffentlichten Blockbustern höchstens bei Robert Downey Jr. und Tony Stark der Fall war. Deutliche Ermüdungserscheinungen traten dann bei Pirates of the Caribbean – Fremde Gezeiten zutage und es fiel auf, dass ohne den Puffer durch Orlando Bloom und Keira Knightley Jack Sparrow als alleinige Hauptfigur auf Dauer anstrengend sein kann, insbesondere da Depps Chose irgendwann redundant wurde. An den weltweiten Kinokassen hat sich das kaum bemerkbar gemacht, doch die Reaktion vieler enttäuschten Fans ist angekommen. Also versprachen die für den fünften Film engagierten norwegischen Regisseure Joachim Rønning und Espen Sandberg, die mit dem fantastischen, oscarnominierten Abenteuerfilm Kon-Tiki bereits in die See stachen, eine Rückkehr zu den Wurzeln und eine Rückbesinnung darauf, was den ersten Film so gut gemacht hat.
In der Umsetzung bedeutete das neben der Rückkehr von Orlando Bloom für ein kurzes Cameo, im Prinzip eine Wiederholung von zahlreichen Elementen aus dem ersten Film. Wieder ist es eine unheimliche, unaufhaltsame Geister-Crew, dessen Kapitän ein Hühnchen mit Jack Sparrow zu rupfen hat. Wieder darf sich Johnny Depp das Rampenlicht mit zwei attraktiven Newcomern teilen, die die eigentlichen Protagonisten des Films sind und dafür sorgen, dass Jacks Humor besser dosiert auf das Publikum losgelassen wird. Leider hat Orlando-Bloom-Ersatz Brenton Thwaites (Gods of Egypt) die Leinwandpräsenz und das Charisma eine Holzplanke, besitzt jedoch definitiv das Zeug zu einem schneidigen Mädchenschwarm. In beiden Aspekten ist er seinem Filmvater aus den ersten Pirates-Filmen nicht unähnlich, also bleibt man in dieser Hinsicht der Tradition wohl treu. Störender ist tatsächlich, dass der Film einem weismachen will, dass Thwaites der Sohn der nur vier Jahre älteren Keira Knightley und des zwölf Jahre älteren Orlando Bloom ist. Deutlich besser schneidet Kaya Scodelario (Maze Runner) ab, die eine viel proaktivere und interessantere Rolle als Knightley im ersten Film einnimmt, aber auch (Korsetten sei dank!) die Augenweiden-Funktion erfüllt. Doch das mit Abstand größte Lob unter allen Cast-Mitgliedern gebührt Javier Bardem, dessen diabolischer Captain Salazar sich neben Anton Chigurh aus No Country for Old Men und Raoul Silva aus Skyfall als ein weiterer von Bardem zum Leben erweckter starker Bösewicht einreiht. Durch die Intensität seines Spiels vermittelt er erfolgreich die Nachvollziehbarkeit seiner Motive und seines Rachefeldzugs gegen Piraten. Man kann nur dankbar sein, dass es doch nicht Christoph Waltz geworden ist, der zeitweise im Gespräch war, denn die Welt braucht keine x-te Version von Hans Landa.
Doch was ist eigentlich mit Johnny Depp, dem einstigen Star der Reihe? Der Grund, weshalb ich mich noch nicht ausführlicher zu ihm geäußert habe, liegt einfach darin, dass es da nicht viel zu sagen gibt. Abgesehen von der anfangs erwähnten, vermutlich unbeabsichtigten Selbstironie, zieht er als Sparrow hier wieder sein Ding durch, ohne dass die Figur jegliche Fortschritte in der Entwicklung durchmacht. Wer sich davon bislang immer gut unterhalten fühlte, wird es wieder sein, doch so langsam wirken seine Marotten ausgelutscht und sein Schauspiel auf Autopilot.
In einer Zeit von immer länger werdenden Blockbuster-Sequels rudern Rønning und Sandberg zum Glück zurück und verzichten auf die ausufernden Laufzeiten der Vorgänger. Mit "nur" 129 Minuten ist Salazars Rache der bislang kürzeste Film der Reihe, weist aber dennoch gerade in der zweiten Hälfte einige Längen auf. Diese gehören mittlerweile fast schon zu den Markenzeichen der Reihe, denn sogar der großartige erste Film hätte ruhig etwas gestrafft werden können. Doch während jener trotz (oder gerade wegen) seines altmodischen Abenteuer-Feelings erfrischend wirkte, beschleicht einen in fast jeder Szene von Salazars Rache das Gefühl, das alles irgendwie schon gesehen zu haben. Nichts Neues also im Land der Karibik-Piraten, doch für angenehme Nachmittagsunterhaltung reicht es allemal aus. Eine ausgedehnte Actionsequenz im ersten Akt, bei der ein Bankraub nicht ganz nach Plan verläuft, ist sehr einfallsreich und visuell toll umgesetzt. Gleiches gilt auch für Salazars Crew, seine Geisterhaie (!) und sein Schiff, das wie ein eigenes Lebewesen wirkt und andere Schiffe buchstäblich verschlingt. Die Effekte sind selbstverständlich erstklassig.
Von Logan über Fast & Furious 8 bis Guardians of the Galaxy Vol. 2 wird Thema "Familie" dieses Jahr bei Blockbustern ganz groß geschrieben und spielt auch bei Salazars Rache eine wichtige Rolle. Im Gegensatz zum Marvel-Sequel, das seine großen emotionalen Momente sorgfältig vorbereitete, verfehlt der neue Pirates-Streifen jedoch mehr emotionale Noten, als er trifft. Eine gewisse Wendung im dritten Akt, die den emotionalen Höhepunkt des Films darstellen soll, wirkt beliebig und unverdient, was wirklich schade ist, denn die Idee ist gut, an der Umsetzung hat es jedoch gehapert.
Letztlich ist Pirates of the Caribbean – Salazars Rache weder ein Schandfleck auf der Franchise-Weste noch dessen glorreiche Wiederauferstehung aus zunehmender Irrelevanz, sondern einfach nur solide Unterhaltung, die die meisten Zuschauer zumindest gerade so zufriedenstellen wird, dass sie den Kauf des Kinotickets nicht bereuen werden, sich jedoch nicht lange an den Film erinnern werden. Neben einer weiteren tollen Rolle für Javier Bardem besteht für mich der größte Verdienst des Films darin, dass er bei mir die Lust geweckt hat, den ersten Teil wieder einmal anzuschauen. Wer von Jacks Abenteuern nicht genug bekommt, kann sich auf weitere Fortsetzungen freuen, die die obligatorische Szene nach dem Abspann in Aussicht stellt.
Fazit
Pirates of the Caribbean – Salazars Rache bietet leicht verdauliche Nachmittagsunterhaltung mit einigen spektakulär in Szenen gesetzten Actionsequenzen und einem herausragenden Bösewicht, doch wie schon sein Vorgänger, bleibt der Film dennoch eine recht belanglose und letztlich überflüssige Ergänzung zum Piraten-Franchise, bei der nicht alle Gags zünden und nicht alle Wendungen ihre erhoffte emotionale Wirkung entfalten.
[…] Filmfutter 3/5 […]