Im letzten Teil unserer Pixar-Retrospektive haben wir einen Einblick in die Psyche von Spielzeugen und deren Verhältnis zur menschlichen Spezies bekommen. Über die Beziehung von Tieren zum Mensch geht es diesmal. Dabei folgen wir Marlin auf seiner Reise durch den Ozean, auf der Suche nach seinem Sohn Nemo, und begleiten die Gourmet-Ratte Rémy bei der kulinarischen Entdeckung von Paris.
Findet Nemo
2003
"Im Ozean finden wir heraus, dass Fische ziemlich fortgeschritten sind. Sie entwickeln eine Abneigung gegen die Menschen, die die ganze Welt verschmutzen, Fische fangen und diese einsperren."
Nach Merida und Die Unglaublichen reiht sich mit Findet Nemo der dritte, als "Bester Animationsfilm" von der Academy ausgezeichnete Pixar-Film in diese Retrospektive ein. Die Regisseure Andrew Stanton und Lee Unkrich, die zuvor schon zusammen an Das große Krabbeln arbeiteten, erschufen 2003 den ersten Animationsfilm, dessen Handlung sich nahezu komplett unter Wasser abspielt. Produzent John Lasseter (Regie: Toy Story) beschäftigte sich aus diesem Grund schon lange vor der Entstehung des Films mit Recherchen zur Unterwasserwelt, um diese detailgetreu darstellen zu können. Wahrscheinlich ist dies der Grund, warum Findet Nemo sich so toll anfühlt.
Eine dichte, ruhige, faszinierende und gleichzeitig einsame und bedrohliche Atmosphäre umgibt die wunderschönen Bilder von sich in allen Farben und Formen im tiefen Gewässer des Ozeans wiegenden Pflanzen. Thomas Newmans (American Beauty) perfekt nuancierter Filmscore begleitet und erzählt zugleich das feinfühlige Familiendrama in dem Film mit einer Leichtigkeit, die ihresgleichen sucht. Eine komplizierte Vater-Sohn-Beziehung entspringt einer tieftraurigen Prämisse und entwickelt sich im Eiltempo zu einem Roadtrip, auf dem ein überbesorgter Vater auf der einen Seite und ein rebellischer Jungfisch auf der anderen zu sich selbst finden. Ein toller Film, der sich dennoch nicht ganz rund anfühlt. Findet Nemo ist vielleicht ein bisschen zu rasant. Denn diese Kreativbombe von Film wirft doch etwas zu viele Ideen in einen Topf, die er in zu sehr angezogenem Tempo gerne alle abarbeiten möchte. Dies macht den Film kein bisschen weniger großartig, dafür aber kantig.
"Tiere beginnen neugieriger zu werden und sich menschliche Charakteristiken anzueignen."
Ratatouille
2007
"Rémy zeigt menschliche Züge. Außerdem sehen wir zum ersten Mal Interaktion zwischen Tier und Mensch, hier aber zum Zweck der Kontrolle über den Menschen. Rémys Ratten-Clan zeigt sich Menschen abgeneigt und empfindet ihnen gegenüber Furcht und Hass."
Brad Birds (Die Unglaublichen) zweiter Streich erweist sich als fantastischer und facettenreicher Film. 2007 startete Ratatouille in den Kinos und mit seichten 10 Jahren nahm ich im Rahmen einer Geburtstagsfeier meinen Sitz im Zoopalast in Berlin ein, um mir den Film anzusehen. Ob es nun das unscharfe Bild auf der Leinwand war, die sich daraus entwickelnde unruhige Stimmung, oder weil Ratatouille trotz des altbewährten „Für Jung und Alt“-Prinzips doch mehr für die herangewachsene Zuschauerschaft ausgelegt ist – Ratatouille hat mir damals so gar nicht gefallen. Und zwar so sehr, dass ich ihn jahrelang sogar als schlechtesten Pixar-Film (zusammen mit Cars) einstufte. Es ist nicht das erste Mal, dass ich dies im Zuge dieser Retrospektive tun muss: Ich nehme alles zurück!
Denn Brad Birds Animationsfilm erweist sich als fantastisches, vielschichtiges und zuckersüßes Abenteuer. Tollen Themen, wie Familie, Freundschaft und Träume, die zwar wirklich generationsübergreifend interessant sind, vielleicht aber doch etwas zu erwachsen behandelt werden, widmet man sich mit unglaublich viel Herz und Feingefühl. Und Ratatouille macht auch Spaß. Doch auch wenn die ersten zwei Drittel mit einigen kleinen Highlights aufwarten, fehlt dem Film am Anfang die überdurchschnittliche Originalität, das wirklich Besondere. Obwohl Ratatouille von der ersten Minute an ein wirklich toller Film ist, bewegt er sich „nur“ auf dem gewohnt hohen Pixar-Niveau. Die großen Ideen bleiben aus oder wollen sich nicht ganz in den eher bodenständigen Ton einfügen (Stichwort: Haar-Marionette). Doch alles ist vergessen, steuert der Film erst einmal auf die letzten 30 Minuten zu. In wahrer Perfektion wird jede einzelne Thematik liebevoll zu Ende geführt. Höhepunkt wird an Höhepunkt gereiht und ist dabei gleichzeitig herzzerreißend und -erwärmend.
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In der nächsten Ausgabe wird es nostalgisch und rührend: wir begegnen den Pixar-Filmen mit dem größten Tränenfaktor :Toy Story 3 und Oben.
Bisherige Ausgaben:
Pixar Theory #1: Merida & Die Unglaublichen
Pixar Theory #2: Toy Story & Toy Story 2