The Possession, USA 2012 • 92 Min • Regie: Ole Bornedal • Drehbuch: Juliet Snowden & Stiles White • Mit: Jeffrey Dean Morgan, Natasha Calis, Kyra Sedgwick, Jay Brazeau, Madison Davenport, Matisyahu • Kamera: Dan Laustsen • Musik: Anton Sanko • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: StudioCanal • Kinostart: 08.11.2012 • Website
Nach einer angeblich wahren Begebenheit möchte uns Ole Bornedal mit seinem Besessenheitsspuk „Possession“ schocken, der die zweite Hollywoodarbeit des Dänen nach „Freeze“, einem Remake seines eigenen, morbiden Spielfilmdebüts „Nightwatch“, markiert. Die Produktion haben Ghost House Pictures, die Schmiede von Genreveteran und „Tanz der Teufel“-Schöpfer Sam Raimi, übernommen, welche zuletzt mit „Drag Me To Hell“ eine äußerst effektive Achterbahnfahrt für Horrorliebhaber vorgelegt haben. Das neue Werk zeigt nun eine Familie mit zwei Problemen:
1) Die Eltern haben sich scheiden lassen und Papa hat das Haus verlassen.
2) Ein böser Dämon aus einer uralten Holzkiste ergreift Besitz von einer der beiden Töchter.
Den ersten Punkt nehme ich den Verantwortlichen sofort als realen Vorfall ab, bei der anderen Sache – nun ja -, da verbleibe ich skeptisch. Auch wenn über eBay tatsächlich schon eine vermeintliche Dibbuk-Box ihren Besitzer gewechselt hat.
Die besagte Kiste stammt hier von einem Flohmarkt, den Clyde (Jeffrey Dean Morgan) mit seinen Kindern besucht. Die junge Em (Natasha Calis) entdeckt das antike Stück und kurz darauf steht es schon auf ihrem Nachttisch. Doch niemand kennt bisher die grausige Geschichte, die hinter dem verschlossenen Objekt steckt. Eine alte Frau muss zu Beginn des Films bereits auf bitterste Weise herausfinden, dass mit dem unheilvollen Inhalt nicht gut Kirschen essen ist. In der Kiste haust offensichtlich ein Dibbuk, ein nach jüdischem Volkglauben böser Geist, der nach seiner Freisetzung den Körper von Lebenden besetzt. Em bekommt bald riesigen Appetit und benimmt sich auf einmal gar nicht mehr wie das brave, kleine Mädchen. Bis Clyde und seine Ex-Frau Stephanie (Kyra Sedgwick) schließlich herausgefunden haben, was um sie herum geschieht, ist es schon fast zu spät. Jetzt hilft nur noch ein echter Rabbi mit einigen mächtigen Beschwörungsformeln …
Ole Bornedal kann inszenieren – das wissen wir nicht nur von seinem grandiosen Erstling, sondern auch von weiteren Werken, die er nach seinem eher erfolglosen Überseeausflug in der alten Heimat abgedreht hat. Sein erneuter Versuch, die Traumfabrik zu erobern, glänzt auf audiovisueller Ebene, fällt aber zugleich leider negativ durch seine reichlich altbackene Story auf: Ein Kind ist von einem Dämon besessen und sorgt für allerlei erschreckenden Unfug. Da stellt sich nicht mehr die Frage, ob man das zuvor schonmal gesehen hat, sondern wie lang das letzte Mal her ist – nein, William Friedkins „Der Exorzist“ war es wahrscheinlich nicht. Wer nun behauptet, das Rad könne in der Kinolandschaft nicht ständig neu erfunden werden, liegt mit dieser Aussage mit Sicherheit nicht ganz falsch und auch im Fall von „Possession“ wäre es vermutlich nicht fair, die Kritik lediglich am Umstand der mangelnden Originalität festzumachen. Was hier allerdings viel mehr stört, ist der Mangel an wirklich gruseligen Einfällen. An Momenten, die tief unter die Haut kriechen. Mich hat das Werk während seiner 90-minütigen Laufzeit nur zweimal knapp mit seinem Grauen erwischt, der Rest bestand aus nett umgesetzten Spezialeffekten und der obligatorischen Portion Ekel. Der Dibbuk besitzt beispielsweise die Macht, auch dem Umfeld seines Opfers unschöne Dinge anzutun (Stichwort: Zähne) und in der Box selbst befinden sich noch einige andere, blinde Passagiere. Dass dann die Figuren gegen Ende herzlich egal werden und der Hokuspokus das Zepter übernimmt, gehört ja heute mehr oder weniger zur lästigen Genrepflicht. Selbst wenn die Darsteller in Anbetracht des Stoffes durchaus solide Leistungen verzeichnen dürfen.
„Possession“ imponiert schon eher durch die stimmungsvollen Aufnahmen von Bornedals Hauskameramann Dan Laustsen, seinen angenehm ruhigen, klassischen Aufbau und die Tatsache, dass der Regisseur seinen Terror nicht durchgehend bierernst verkaufen will, sondern auch einige humorvolle Einlagen in das böse Treiben einwebt. Schön wäre es jedoch gewesen, wenn man ein wenig mehr über die Mythologie des Unholds erfahren hätte. Manchmal reicht es schon, die furchtbaren Hintergründe der Geschichte darzulegen, um die Nackenhaare der Zuschauer aufzustellen – das kann effektiver sein als die teuersten Special Effects oder lautesten Geräuschattacken. Während mir der Film wenig Aufregendes offeriert und lediglich kurzweiligen Spuk auf handwerklich ansprechendem Niveau präsentiert hat, konnten die anwesenden Kritikerkollegen offenbar mehr mit dieser kleinen Fingerübung anfangen. Dass allerdings sowohl Bornedal als auch Raimi dieses Spiel besser beherrschen, haben sie schon mehrfach bewiesen. Vielleicht ja wieder beim nächsten Mal. Ich verweise zu diesem Thema abschließend lieber auf James Wans ungleich packenderen „Insidious“ und verbleibe mit der Feststellung, dass es auch weitaus schlechtere Genrevertreter als „Possession“ gibt.
Nachtrag: Als Vorlage für den Film hat ein L.A. Times-Artikel von Leslie Gornstein gedient, der die erste Auktion der bei eBay angebotenen Dibbuk-Box dokumentiert.
Trailer
https://youtu.be/0gBeG31fX40