Prometheus, USA 2012 • 124 Min • Regie: Ridley Scott • Drehbuch: Jon Spaihts & Damon Lindelof • Mit: Noomi Rapace, Michael Fassbender, Charlize Theron, Idris Elba, Guy Pearce, Logan Marshall-Green, Sean Harris, Rafe Spall, Emun Elliott, Benedict Wong • Kamera: Dariusz Wolski • Musik: Marc Streitenfeld • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: 20th Century Fox • Kinostart: 09.08.2012 • Website
Oscar-Nominee Ridley Scott kehrt nach dreißig Jahren zu seinen Science Fiction-Wurzeln zurück: In „Blade Runner“ (1982) beschäftigte sich der gebürtige Brite mit künstlichen Wesen – sogenannten Replikanten -, die von dem Genie Tyrell nach dem menschlichen Abbild entworfen wurden. Zornig über ihre nur begrenzte Lebensdauer und auf der Suche nach Antworten über ihre Existenz machte sich eine Handvoll dieser Replikanten auf die Suche nach ihrem Schöpfer. Auch in dem Vorgängerwerk „Alien“ (1979) ist es ein Android, der die Besatzung des Raumschiffs Nostromo in Gefahr bringt, nachdem sich eine äußerst gefährliche, außerirdische Lebensform als blinder Passagier an Bord geschmuggelt hat. Scotts aktuelle Arbeit „Prometheus“ ist ein inhaltlich interessantes Projekt, das Bezug auf die Themen beider zuvor erwähnter Werke nimmt. Es erzählt eine Geschichte, die im weiteren Verlauf einen Verknüpfungspunkt mit der Ausgangssituation von „Alien“ herstellt. Und es zeigt Individuen, die verzweifelt ihren menschlichen Ursprüngen hinterherjagen, ganz ähnlich wie die Replikanten in „Blade Runner“.
Im Jahr 2089 macht ein junges Forscher-Paar einen bahnbrechenden Fund. Elizabeth Shaw (Noomi Rapace, „Verblendung“) und Charlie Holloway (Logan Marshall-Green, „Devil“) entdecken in einer Höhle eine Wandmalerei, die sie – so glauben sie – zu den Ingenieuren führen soll. Als Ingenieure bezeichnen die beiden Wesen, die nach ihrer Theorie für das menschliche Leben verantwortlich sind. Riesenhafte Götter. Shaw und Holloway gelingt es, die Weyland Corporation von den wissenschaftlichen Ansätzen zu überzeugen, und mit Hilfe der Crew des Schiffes Prometheus sollen sie Jahre später endlich ihr Ziel, den Mond LV-223, erreichen. An dem finsteren Ort vermuten sie in Kontakt mit den Ingenieuren treten zu können und endlich Antworten auf Fragen zu erlangen, bei denen Philosophie und Theologie zuvor versagt haben. An Bord der Prometheus befindet sich neben den Menschen auch der Android David (Michael Fassbender, „Shame“), der das Team während des Kälteschlafes überwacht und bemüht ist, sich humane Eigenschaften anzueignen, um von seinen Kameraden nicht als unangenehmer Fremdkörper wahrgenommen zu werden. Davids großes Vorbild ist der von Peter O’Toole verkörperte T.E. Lawrence aus David Leans Epos „Lawrence von Arabien“. Nicht nur, dass er sein Äußeres nach der betreffenden Figur gestaltet, auch seine stets präsente Überheblichkeit scheint direkt aus dem Film entliehen zu sein – mit dem Unterschied, dass David ein künstliches, intellektuell überlegenes Produkt ohne echtes Gewissen ist. Er kann den Sinn des Einsatzes nicht recht nachvollziehen, ist er selbst doch von Menschenhand erschaffen worden. In einer Pyramide des Planeten findet er Behälter vor, die eine mysteriöse Substanz enthalten. Das, was sich da in den Gefäßen befindet, bringt Tod und Verderben. Die Wissenschaftler stoßen außerdem auf die Leiche einer Gestalt und sehen in einem Hologramm andere Mitglieder dieser Spezies vor etwas fliehen. Waren das die Ingenieure, die Shaw und Holloway zu finden hofften? Was ist auf LV-223 geschehen?
Der Titel „Prometheus“ bezieht sich hier selbstverständlich nicht nur auf den Namen des Transporters, sondern reflektiert auch die griechische Mythologie: Prometheus galt als der Vorausdenkende, der als Schöpfer der Menschen die Götter gegen sich aufbrachte und letztlich von Zeus für viele Jahrhunderte an einen Felsen gefesselt wurde. In der Sage war es auch Zeus, der Prometheus' Bruder Epimetheus als Geschenk die Schönheit Pandora zukommen ließ und dieser eine verhängnisvolle Büchse mit auf den Weg gab. Das Öffnen dieser Büchse brachte Krankheit, Leid und Tod über die Erde. Ridley Scotts Film eröffnet mit einer atemberaubenden Szene, während welcher die Kamera über eine verlassen scheinende, unbekannte Landschaft schwebt und schließlich bei einem humanoiden Wesen, das offensichtlich von einem Raumgleiter dort abgesetzt worden ist, endet. Die Gestalt hält eine Box, öffnet sie und trinkt den Inhalt. Daraufhin stürzt sie unter fürchterlichen Qualen in die Fluten vor sich und zerfällt in ihre Bestandteile. Die Substanz führt sowohl zur Zerstörung von Leben, wie sie auch gleichzeitig das Entstehen neuer Organismen ermöglicht, die sich im Wasser aus den zugeführten Partikeln bilden. Um was handelt es sich bei dieser Flüssigkeit, der später noch eine zentrale Rolle zukommt? Ist sie ein Gift, ein Opfertrank? Oder handelt es sich bei dem Behältnis womöglich um die Büchse der Pandora, aus der das Elend erst erwachsen soll? Sind auch wir Menschen den kontaminierten Gewässern entsprungen; sind wir selbst vielleicht eine Krankheit, eine Seuche, die sich in der unberührten Natur ausbreitet, sie ausbeutet und vernichtet? Regisseur Scott und seine Autoren Jon Spaihts und Damon Lindelof („Lost“) werfen mit „Prometheus“ Fragen auf, die sie letzten Endes nie wirklich vollständig beantworten – und dies vielleicht auch nie im Sinn hatten. Momente wie der Prolog zeigen ein Ereignis, das aber ohne konkrete Erläuterungen im Verlauf der Handlung verbleibt. Wir erhalten ein Puzzleteil und eine Theorie. Dazu Mythen, die Assoziationen mit dem Gezeigten hervorrufen. Aber kein eindeutiges Gesamtbild.
Die Schöpfung steht im Mittelpunkt der Geschichte: Nicht nur, dass Shaw und Holloway mit ihren Nachforschungen ihren Glauben an die Anfänge der Menschheit bestätigen oder widerlegen wollen, auch die industrielle Schöpfung – wie im Falle von David – oder der Mensch, der durch die Möglichkeit des Gebärens selbst als natürlicher Schöpfer in Erscheinung tritt, werden thematisiert. Shaw leidet unter dem Tod ihres Vaters (Patrick Wilson) und kann keine Kinder bekommen, sie wird angetrieben von dem Drang nach Antworten. David ist eine Maschine, die von Peter Weyland (Guy Pearce), dem bei Ankunft auf dem Planeten vermutlich bereits verstorbenen Förderer der Expedition, entworfen wurde. Er steht den Bemühungen der Wissenschaftler, etwas über ihre Ursprünge zu erfahren, etwas sarkastisch gegenüber und kann die Beweggründe dafür nicht verstehen. In einer Szene fragt David den verzweifelten Holloway, wie weit er für seine Antworten gehen würde und was er bereit wäre, dafür zu tun. Es folgt eine Handlung, die auch dem Androiden fast schöpferische Fähigkeiten verleiht. Meredith Vickers (Charlize Theron, „Young Adult“), die als oberste Führungskraft der Weyland Corporation den Einsatz leitet, glaubt nicht an das Ziel der Mission. Auch die Beweggründe für Weyland selbst, das Projekt finanziell zu unterstützen, bleiben vorerst im Dunkeln.
„Prometheus“ bildet nicht das von den Protagonisten erhoffte Paradies ab, sondern zeigt ein höllenartiges Szenario. Der Schrecken nimmt langsam den Platz des Wunders ein. Und leider gilt das nicht nur für die Erlebnisse der Crewmitglieder, sondern auch für den Film selbst: Die anfängliche Faszination für die Grundidee der Geschichte wird später in einem teilweise zerfahrenen und arg klischeebeladenen Fantasy-Horror-Mix ertränkt, der die Zeit zwischen den relevanten Schlüsselszenen mit Attacken von wurm- bis krakenartigen Monstern, unheilvollen Unwettern, altbekannten Mutationen, lautem Actiongetöse, edlen Selbstaufopferungen, Letzte-Sekunde-Countdowns und umherwütenden Zombiekreaturen füllt. Einen hypnotischen Nervenkitzel, wie ihn zum Beispiel der erste „Alien“-Film bot, sucht man in diesem quasi Prequel vergebens. Vielleicht hat man das alles auch einfach schon zu oft in etlichen, billig heruntergekurbelten Produktionen gesehen. Irgendwo unter dem ganzen Brimborium steckt vermutlich ein wahrlich guter Film, der möglicherweise später – als Director’s Cut – infolge von Straffungen und zusätzlichen, erklärenden Szenen aus der präsentierten Masse herausgearbeitet werden kann. Zunächst lässt sich jedoch festhalten, dass Ridley Scotts erneuter Aufbruch in ferne Welten zwar die visuelle Wucht und Brillanz seiner frühen Arbeiten ins Gedächtnis ruft, aber zugleich an nicht zu leugnenden, dramaturgischen Mängeln krankt, die einen entschlossenen Sprung vom Hollywood-Schießbudenfest zum intelligenten, vielschichtigen Science Fiction-Werk verhindern. Hier fehlt etwas. Der letzte Funke will nicht überspringen. „Prometheus“ fühlt sich wie der gewohnte Kompromiss zwischen Kunst und Kommerz an – nur, dass der ambitionierte Grundstein das leichtfüßige Spektakel hier so schwer verankert, dass man sich nicht einfach von der kraftlosen Monsterjagd davontreiben lassen mag.
Der Film bietet unterm Strich sicherlich ein spannendes Konzept, das auch nach dem Kinobesuch den Denkapparat auf Trab hält. Die Art, mit der dieses in das komplette Szenario eingearbeitet worden ist, enttäuscht jedoch stellenweise bitter. Hier könnten einige nachträgliche Änderungen dem Resultat noch zu echtem Glanz verhelfen. Warten wir es ab …
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