Renfield, USA 2023 • 93 Min • Regie: Chris McKay • Drehbuch: Ryan Ridley • Mit: Nicholas Hoult, Nicolas Cage, Awkwafina, Ben Schwartz, Adrian Martinez, Shohreh Aghdashloo • Kamera: Mitchell Amundsen • Musik: Marco Beltrami • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Universal Pictures • Kinostart: 25.05.2023 • Deutsche Website
Ein besonderer Wunsch von Oscar-Preisträger Nicolas Cage ist es stets gewesen, einmal den Vampir-Grafen Dracula verkörpern zu dürfen. In Chris McKays Horror-Komödie „Renfield“ geht dieser Wunsch nun in Erfüllung, auch wenn Bram Stokers berühmter Antagonist hier inhaltlich eher die zweite Geige spielt. Im Mittelpunkt steht nämlich dessen titelgebender und von Nicholas Hoult („The Menu“) gespielter Diener, Robert Montague Renfield. Auch findet man uralte Gemäuer und Gothic-Stimmung lediglich im kurzen Prolog wieder, bevor uns das Werk neun Dekaden später ins heutige New Orleans katapultiert.
Dort schleppt der treue Renfield seinem Meister zwar noch immer brav frische Leichen in den Keller eines heruntergekommenen Krankenhauses ran, doch zeigt sich der Blutsauger zunehmend unzufrieden mit der Beute. Dem Untergebenen macht dessen grausames und herrisches Gebaren langsam zu schaffen, weshalb er inzwischen heimlich eine Selbsthilfegruppe für Co-Abhängigkeit in Beziehungen besucht. Tatsächlich versucht Renfield dort, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, indem er einerseits an einem neuen Lebensweg arbeitet und andererseits Draculas Blutdurst zukünftig mit den toxischen Partnern der Mitglieder stillen will.
Bei diesem Plan gerät der nach Käfer-Snacks zu übermenschlichen Kräften fähige Melancholiker jedoch ins Visier einer kriminellen Origanisation, nachdem er unwissend den Gangster-Prinzen Teddy Lobo (Ben Schwartz) attackiert hat. Bei einem Anschlag auf die idealistische Polizistin Rebecca (Awkwafina) dezimiert Renfield schließlich noch erfolgreich Teddys Handlanger und gefällt sich in dem anschließenden Glanz eines Helden. Doch nicht nur Dracula tobt vor Wut, auch Lobo-Oberhaupt Bellafrancesca (Shohreh Aghdashloo) fordert Vergeltung für ihre Gefolgschaft und geht letztlich eine unheilige Allianz mit dem Grafen ein …
Wie man am geschilderten Inhalt bereits erkennen kann, erwartet das Publikum in „Renfield“ alles andere als ein klassischer Vampir-Grusel. Regisseur Chris McKay („The Lego Batman Movie“) und sein Kameramann Mitchell Amundsen („Premium Rush“) tauchen den teils reichlich expliziten Splatter-Spaß in derart grelle Farben, dass man sich fast in einem EC-Comic verortet fühlt. Die Gestaltung des Films ist in der Tat ein kleiner Pop-Art-Augenschmaus, den man in einer solch actionorientierten Produktion wohl gar nicht erwartet hätte.
Obwohl mächtig Gliedmaßen abgerissen werden, ganze Körper platzen und Blut und Schleim aus allen Himmelsrichtungen spritzt (trotz FSK-Freigabe ab 16 Jahren ist der Film kaum harmloser als etwa Robert Rodriguez' einst indizierter „From Dusk Till Dawn“), geraten die Darsteller glücklicherweise nie ganz in den Hintergrund. Tatsächlich erinnert „Renfield“ (und das angenehm ohne Retro-Referenzen) an saftige Kultfilme der Achtziger, wie etwa John Landis' „American Werewolf“, Sam Raimis „Tanz der Teufel II“ oder Stuart Gordons „Re-Animator“. Qualitativ muss McKays Arbeit im Vergleich zwar schon zurückstecken, doch zumindest der Ansatz mit einer wilden Story und heftigen Gore-Effekten aber auch prägnanten Pro- wie Antagonisten ist sehr ähnlich.
Dominieren – nicht nur inhaltlich über seinen Diener – tut selbstverständlich Nicolas Cage jede Szene, in der er zu sehen ist, und kombiniert in seiner Interpretation Draculas die legendären Vorgänger Bela Lugosi, Christopher Lee, Klaus Kinski oder Gary Oldman mit seinem ganz eigenen Overacting-Genie. Dass er großen Gefallen an dieser Rolle hat, merkt man der Performance tatsächlich in jeder Sekunde an. Mit seinem herrlich bizarren Abbild eines vermeintlichen Vampirs in Robert Biermans grandioser Yuppie-Parodie „Vampire’s Kiss“ hat diese Figur im Feld zwischen grotesker Kreatur und vornehmem Adeligen allerdings wenig zu tun. Trotz der modernen Inszenierung und Handlung geht zumindest der Charakter Draculas weitgehend zu den traditionellen Ursprüngen zurück.
Als neurotischer Renfield hat Nicholas Hoult natürlich ein dickes Brett zu bohren, um neben seinem schillernden Co-Star bestehen zu können. Auch wenn Cage definitiv die Hauptattraktion des Werkes bleibt, gelingt es dem jungen Mimen, seiner Rolle genügend Spleens zuzufügen, um deren Transformation vom verklemmten Lakaien zum immer noch schrulligen Helden interessant und sympathisch zu gestalten. Der Emo-Faktor wird zum Glück nicht nervig, sondern mit einem deutlichen Augenzwinkern dargeboten. So wie auch die federleichte Erlösung durch Psycho-Ratgeber oder positive Selbstwert-Sprüche.
An dieser Stelle verpasst das amüsante Werk allerdings leider eine fette Chance, etwas über das ausbeuterische Verhältnis zwischen vielen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in der heutigen Zeit zu sagen. Übertragen auf diesen Aspekt treiben ja nicht gerade wenige Blutsauger auf den Rücken unzähliger Angestellter ihr gieriges Unwesen und lassen diese mit einem kaum ausreichenden Gehalt dahinsiechen, während sie sich die dicken Scheine selbst in die Taschen stecken. Die Gründe für Renfields ausgelaugtes und unzufriedenes Dasein stehen zu wenig im Zentrum und der Befreiungsschlag verliert schließlich im Genre-Tumult seine allegorische Kraft.
Das Drehbuch von Ryan Ridley (basierend auf einer Story von „The Walking Dead“-Schöpfer Robert Kirkman) hätte ein kleines aber bissiges Statement zum aktuellen Arbeitskampf sein können, wollte aber wohl lediglich rund 90 minütige Midnight-Movie-Madness sein. Das ist etwas schade, doch zumindest seinen so auferlegten Zweck erfüllt „Renfield“ trotz kleiner Makel durchaus. Mit Rapperin Awkwafina als selbstbewusste Polizistin Rebecca verfügt der Film zudem noch über eine starke weibliche Co-Heldin – wobei man ihr Schurkinnen-Pendant in Form von Shohreh Aghdashloos sadistischer Bellafrancesca nicht unterschlagen darf.
Seltsam ist es schon, dass der relativ runde Kinospaß „Renfield“ an den US-Kinokassen bereits böse gefloppt ist. Ob das Werk hierzulande oder auf anderen Märkten mehr Zuschauer in die Lichtspielhäuser locken kann, wird sich zeigen. Einem genreaffinen Publikum bietet der Film zumindest eine visuell absolut ansprechende, flott erzählte und schauspielerisch mitreißende Flucht aus dem grauen Alltag und hinein in einen poppig-bunten Mix aus Ghuls und Gangstern. Cult-Following nicht ausgeschlossen.