Schoßgebete, D 2014 • 93 Min. • Regie: Sönke Wortmann • Drehbuch: Oliver Berben, Charlotte Roche (Vorlage) • Mit: Lavinia Wilson, Jürgen Vogel, Juliane Köhler, Anna Stieblich, Pauletta Pollmann • FSK: ab 16 Jahren • Kinostart: 18. September 2014 • Deutsche Website
Handlung
Elizabeth Khiel (Lavinia Wilson) ist Hausfrau, Mutter und Ehefrau. Und das in Perfektion – zumindest ist das ihr Wunsch. Doch die einzige Frucht ihres Versuchs, eine perfekte Frau in jeglicher Hinsicht abzugeben, ist in eine Neurose, die zahlreiche Ängste vereint. Hervorgerufen wird diese durch einen Schicksalsschlag in ihrer Jugend. Ab dort beginnt sie auch, Sex als Allheilmittel, insbesondere in Bezug auf eine funktionierende Ehe, einzusetzen. Ihr Mann Georg (Jürgen Vogel) profitiert davon. Er kann so seine Vorlieben vollends mit ihr ausleben. Eine gute Mutter für ihre Tochter Liza (Pauletta Pollmann) zu sein gelingt ihr da nicht so gut. Doch dafür gibt es ja noch ihren Ex Stefan (Robert Gwisdek), der sich ab und an um die Kleine kümmert. Dadurch hat sie auch etwas mehr Zeit für sich, die sie unter anderem in der Praxis von Frau Drescher (Juliane Köhler) verbringt. Eine scheinbar aussichtslose Therapie einer Neurotikerin, wie sie im Buche steht.
Kritik
Eins vorweg: Nein, ich habe den Roman von Charlotte Roche nicht gelesen. Nachdem ich den Film gesehen habe, bin ich der Meinung, dass es die richtige Entscheidung war. Denn der Film sieht sich wie ein Buch. Das Einzige, was beweisen kann, dass es sich tatsächlich um einen Film handelt, ist die Tatsache, dass Video und Audio mitgeliefert werden. Das Medium Film wird nicht hinreichend benutzt, um dem Inhalt des Buchs eine neue Plattform zu bieten. Sicherlich dürfte die Vorlage auch für einen Sönke Wortmann keine einfache Herausforderung gewesen sein. Man hätte das Buch dann lieber Buch sein lassen sollen.
Der Film kann nicht rezensiert werden, ohne ein Wort über Charlotte Roche zu verlieren. Offensichtlich geht es in Schoßgebete nur um ihre höchst eigensinnige Sicht auf die Welt. Diese Sichtweise wird dem Zuschauer in sehr langatmigen und teilweise stark ausartenden Monologen präsentiert. Auch wenn Elizabeth Kiehl Dialoge mit ihrem Mann, ihrer Tochter oder ihrer Psychologin führt, letztendlich steht einzig und allein die neurotische Mutter im Mittelpunkt des gesamten Films. Die Nebencharaktere bringen den Film kaum bis gar nicht voran. Dadurch fällt die tolle Besetzung mit Jürgen Vogel, Juliane Köhler und Anna Stieblich gar nicht auf. Im Umkehrschluss heißt das, dass Lavinia Wilson in diesem Kontext ihre Rolle perfekt spielt. Ihre Mimik und Gestik, die sie der Hauptrolle der Elizabeth verleiht, verstärken den Eindruck, dass das gesamte Projekt Roche-zentriert sein soll.
So hat der Film auch inhaltlich nicht viel zu bieten. Im Gegensatz zu „Feuchtgebiete“ war ich überrascht, dass die Ekelszenen sich lediglich auf die Fadenwürmer beschränken. Gott sei Dank! Durch die schonungslose Offenheit und teils absurden Ansichten ist Schoßgebete dennoch verstörend. Das erschwert die Identifikation mit der Hauptdarstellerin ungemein. Besonders in den hochemotionalen Momenten glaubt man, die Gefühle von Elizabeth nachempfinden zu können. Und im nächsten Moment geht es dann um Sexpraktiken, die sie richtig geil machen, und darum, wie beschissen die Medien ihrer Meinung nach sind. Und schon fühlt man sich von Elizabeth wieder entfremdet. Ab und an sorgt das auch mal für einen Lacher, aber insgesamt funktioniert es nicht, da die Sprünge zu absurd sind. Hinzu kommt, dass Interpretationen ihrer Gedanken und Äußerungen überhaupt nicht gewollt sind. Sie sagt es, sie meint es, so ist es, und weiter geht’s im Protokoll. Äh, was hat sie gerade noch alles gesagt? Das wiederum macht es so schwer, ihren endlosen Monologen zu folgen.
Wie bereits die erste Buchverfilmung von Charlotte Roche soll der Film provozieren. Er enthält eine große Portion Gesellschaftskritik, die sich vor allem an das bornierte Spießertum richtet. Es geht weiterhin um – eine höchst eigene Interpretation von – Emanzipation und Feminismus, für den sie schon des Öfteren öffentlich kritisiert wurde, unter anderem von Alice Schwarzer. Kein Wunder, dass Schwarzer auch im Film erwähnt wird. Darüber hinaus werden unwichtige Details nicht ausgespart. So entwickelt sich der Film am Ende zu einem Softporno. Alles in allem wird unwahrscheinlich viel erzählt, aber dennoch bleibt der Film nichtssagend. Gute Ansätze wie der Autounfall als Ursache für ihre Neurose werden sofort durch belanglose Reaktionen im Keim erstickt. Es wird also nicht nur im Allgemeinen provoziert, sondern die Nerven des Zuschauer im Besonderen.
Fazit
Die Verfilmung von Schoßgebete kann nicht überzeugen. Schuld daran dürfte die Vorlage sein, die sich nicht für eine Verfilmung eignet. Es ist keine echte Entwicklung der Charaktere nachzuvollziehen, eine Handlung existiert nicht, der Zuschauer wird zum Zuschauen verdammt, statt zum Nachdenken animiert. Einzig die Leistung von Lavinia Wilson muss man würdigen. Sie hat Charlotte Roches Ansichten in Perfektion auf die Leinwand gepresst. Die echte Frau Roche sehe ich da lieber in Fernseh-Talkshows, in denen auch mal andere zu Wort kommen dürfen.
Ein Buch ist prinzipiell erst einmal ein Buch, das gelesen werden soll, und nicht die Vorlage für ein Film. Ein Buch und ein Film sind zwei verschiedene Kunstformen. Insofern gibt es für mich keine für eine Verfilmung geeigneten oder ungeeigneten Filme sondern nur fähige und unfähige Drehbuchautoren/innen und Regisseure/innen.
In der Vergangenheit gab es jede Menge Romane, die als unverfilmbar galten, allerdings durch geniale Drehbuchautoren und Regisseure in Meisterwerke des Kinos verwandelt wurden.
Beispiele:
BARRY LYNDON und Arthur Schnitzler´s TRAUMNOVELLE galten als unverfilmbar. UHRWERK ORANGE und Steven King´s Roman SHINING gelten zwar als einigermaßen gelungene aber nicht herausragende literarische Werke. Das Kinogenie Stanley Kubrick – wahrscheinlich verstand kaum ein Mensch davor und danach so viel vom Geschichten-Erzählen, von Film-, Kamera-, Beleuchtungs- und Tontechnik wie er – schuf daraus Meisterwerke des Kinos; sogar den schauspielerisch limitierten Tom Cruise brachte er (TRAUMNOVELLE / EYES WIDE SHUT) zu einer seiner wenigen wirklich guten Leistungen.
David Cronenberg verfilmte William Burrough´s als unverfilmbar geltenden NAKED LUNCH.
Danny Boyle machte aus dem als unverfilmgar geltenden TRAINSPOTTING einen erzählerischen und visuellen Rausch.
Das geht sogar im filmischen Entwicklungsland Deutschland.
Volker Schlöndorf machte unter den ungünstigen Bedingungen einer europäischen multinationalen und mehrsprachigen Produktion, bei der es ständig Probleme mit dem Autor der Romanvorlage gab, das Meisterwerk des deutschen Nachkriegskinos. DIE BLECHTROMMEL wurde mit dem ersten von sehr wenigen Oscars für den besten nicht-englisch-sprachigen Film für Deutschland und einer Goldenen Palme von Cannes ausgezeichnet.
Und auch ein Tom Tykwer machte als immerhin einer von drei Regisseuren bei CLOUD ATLAS keine schlechte Figur.
Sönke Wortmann´s Verfilmung von SCHOSSGEBETE kenne ich – noch – nicht und werde sicher kein Geld für eine Kinokarte opfern. Ich kenne aber einen Teil von Wortmann´s Filmen. Im Vergleich zu den oben aufgeführten Filmkünstlern ist er ein Stümper, der nahezu unfähig zu einer originellen Erzählweise und Bildsprache ist. Er studierte auf der Hochschule für Fernsehen und Film in München und erlernte dort die Basiskenntnise, die zur Berieselung eines anspruchslosen Fernsehpublikums notwendig sind. Meistens beschränkt sich seine Erzählweise auf bloßes Abfilmen in Kombination mit mehr oder weniger idiotischen Dialogen. Und wenn es schwieriger oder kompliziert wird, fällt ihm nichts Anderes ein als eine Erzähler/innen-Stimme aus dem Hintergrund – Stichwort: bebildertes Hörspiel. Diese Erzählmuster konnte ich auch in dem Trailer zu SCHOSSGEBETE wieder bestaunen.
Bücher und Filme sind nicht nur verschiedene Kunstformen, sondern haben auch medientheoretisch völlig andere Eigenschaften und können dadurch nicht in einen Topf geworfen werden. In diesem Punkt stimme ich völlig überein. Dennoch bin ich der Meinung, dass wenn ein Film so damit hausieren geht, eine Bestsellerverfilmung zu sein, dann müssen sich die Macher es auch gefallen lassen, einen Vergleich zu ziehen. Dass es in diesem Fall nicht gelungen ist, habe ich in der Kritik versucht
darzulegen. Fakt ist, dass ein Film mit dem richtigen Regisseur fällt
oder steht. Doch ich fürchte, dass sich bei dieser Vorlage auch andere
die Zähne ausgebissen hätten. Tom Tykwer hätte diesen Stoff nie angefasst, da er nicht zu seiner Art filmischer Umsetzung passt. Danny Boyle hat mit dem genannten „Trainspotting“ ein Meisterwerk geschaffen, weil er das Medium Film als Leitmedium verwendet hat und nicht das Buch strikt abgefilmt hat. Das Gleiche hat er letztes Jahr mit „Drecksau“ bewiesen. Gezielte Anpassungen an der Erzählweise und einigen Stellen im Plot konnten den Stoff auf eine neue Weise erlebbar machen, ohne den „Geist“ des ursprünglichen Stoffs verfliegen zu lassen. Ein Satz noch zu Stanley Kubrick: Er ist ein Ausnahmetalent, das sich nicht mit anderen Regisseuren vergleichen lässt – bzw. ein Vergleich würde Kubrick nur unnötig glorifizieren. Alles in allem ist meiner Meinung nach der Film nicht gelungen, weil er den Eigenschaften des Buchs zu viel Platz eingeräumt hat. Und wie ich in der Kritik schon erläutert habe: Dann hätte man das Buch auch Buch lassen sollen. Um Sönke Wortmann dafür generell in Grund und Boden zu stampfen, fehlt mir ehrlich gesagt das Hintergrundwissen zu ihm. Auch daher danke für die ausführliche Meinung!
Bücher und Filme sind nicht nur verschiedene Kunstformen, sondern haben
auch medientheoretisch völlig andere Eigenschaften und können dadurch
nicht in einen Topf geworfen werden. In diesem Punkt stimme ich völlig
überein. Dennoch bin ich der Meinung, dass wenn ein Film so damit
hausieren geht, eine Bestsellerverfilmung zu sein, dann müssen sich die
Macher es auch gefallen lassen, einen Vergleich zu ziehen. Dass es in
diesem Fall nicht gelungen ist, habe ich in der Kritik versucht
darzulegen. Fakt ist, dass ein Film mit dem richtigen Regisseur fällt
oder steht. Doch ich fürchte, dass sich bei dieser Vorlage auch andere
die Zähne ausgebissen hätten. Tom Tykwer hätte diesen Stoff niemals angefasst,
da er nicht zu seiner Art filmischer Umsetzung passt. Danny Boyle hat
mit dem genannten „Trainspotting“ ein Meisterwerk geschaffen, weil er
das Medium Film als Leitmedium verwendet hat und nicht das Buch strikt
abgefilmt hat. Das Gleiche hat er letztes Jahr mit „Drecksau“ bewiesen.
Gezielte Anpassungen an der Erzählweise und einigen Stellen im Plot
konnten den Stoff auf eine neue Weise erlebbar machen, ohne den „Geist“
des ursprünglichen Stoffs verfliegen zu lassen. Ein Satz noch zu Stanley
Kubrick: Er ist ein Ausnahmetalent, das sich nicht mit anderen
Regisseuren vergleichen lässt – bzw. ein Vergleich würde Kubrick nur
unnötig glorifizieren. Alles in allem ist meiner Meinung nach der Film
nicht gelungen, weil er den Eigenschaften des Buchs zu viel Platz
eingeräumt hat. Und wie ich in der Kritik schon erläutert habe: Dann
hätte man das Buch auch Buch lassen sollen. Um Sönke Wortmann dafür
generell in Grund und Boden zu stampfen, fehlt mir ehrlich gesagt das Hintergrundwissen zu ihm. Auch daher danke für die ausführliche Meinung!