Scream VI (2023) Kritik

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Scream VI, USA 2023 • 123 Min • Regie: Matt Bettinelli-Olpin, Tyler Gillett • Drehbuch: James Vanderbilt, Guy Busick • Mit: Melissa Barrera, Jenna Ortega, Jasmin Savoy Brown, Mason Gooding, Courteney Cox, Hayden Panettiere, Samara Weaving, Dermot Mulroney, Liana Liberato, Henry Czerny, Jack Champion • Kamera: Brett Jutkiewicz • Musik: Brian Tyler, Sven Faulconer • FSK: ab 18 Jahren • Verleih: Paramount Pictures • Kinostart: 09.03.2023 • Deutsche Website

Im Fall von „Scream VI“ wäre es bereits eine Schande, Details aus der Eröffnungsszene zu verraten. Es ist der beste Beginn aus der beliebten Slasher-Reihe seit Drew Barrymore in Teil eins unerwartet früh ihren Filmtod gefunden hat. Anders, unvorhersehbar und schockierend – der Auftakt setzt geschickt den Ton des neuen Films, der erneut von dem Radio-Silence-Duo Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett („Ready or Not“) inszeniert und von James Vanderbilt („Zodiac“) sowie Guy Busick (u.a. „Castle Rock“) verfasst worden ist. Die Kreativerben der verstorbenen Horror-Legende Wes Craven und Original-Autor Kevin Williamson wissen genau um den Geist des Franchises, vermögen es diesmal aber noch mehr als in ihrem bereits sehr gelungenen fünften Ableger, diesem auch ganz frische Akzente hinzuzufügen.

Scream VI (2023) Filmbild 6

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Im Vorgänger mahnte Neve Campbell als leiderprobtes Final Girl Sidney Prescott die Neuzugänge Sam (Melissa Barrera) und Tara Carpenter (Jenna Ortega), dass es keinen Sinn macht, vor dem Schrecken davonzulaufen, da dieser einen letztlich sowieso einholen wird. Nach den blutigen Ereignissen ist Sidney diesmal in weiter Ferne, da sowohl die Geschwister, als auch ihre Freunde Mindy (Jasmin Savoy Brown) und Chad (Mason Gooding) sich dafür entschieden haben, das Trauma in Woodsboro zu lassen und in New York City einen Neuanfang zu wagen.

Während Tara, Mindy und Chad dort das College besuchen, knabbert Sam an ihrer Vergangenheit als Tochter des Serienkillers Billy Loomis und hält ihre kleine Schwester schützend an einer sehr kurzen Leine. Nicht völlig grundlos, wie sich bald herausstellt: Ein bestialischer Mord mit einer Spur zu Sam führt den Ermittler Bailey (Dermot Mulroney) zu der eingeschworenen Clique. Sogar das FBI ist schließlich in den Fall involviert und möchte in Gestalt einer alten Bekannten, Agentin Kirby Reed (Hayden Panettiere), dem neuen Ghostface ein für allemal das Handwerk legen. Bis die Beteiligten dem Täter (oder den Tätern?) auf die Spur kommen, soll selbstverständlich noch mehr Blut fließen …

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Anders als jede vergleichbare Horrorreihe, haben die „Scream“-Filme stets von gut gezeichneten und sympathischen Protagonisten gelebt. „Scream VI“ macht da keine Ausnahme, selbst wenn außer Courteney Cox als unverbesserliche Reporterin Gale Weathers und der bereits genannten Kirby aus Teil vier lediglich die ganz frische Generation sowie einige Neuzugänge (u.a. Liana Liberato als Quinn, die WG-Mitbewohnerin der Carpenters, Jack Champion als Chads Studentenverbindungskumpel Ethan und Devyn Nekoda als Mindys Geliebte Anika) die Handlung vorantreiben.

Sowohl die Schöpfer der Geschichte als auch die Jungstars haben inzwischen so viel Vertrauen in die Charaktere, dass das Werk letztlich auch komplett ohne Legacy-Cast funktioniert hätte. So sind es neben den intensiven Slasher-Attacken vor allem die zwischenmenschlichen Momente, die sich später im Gedächtnis festbrennen werden. Selten hat man in einem Subgenre-Beitrag eine derartige Chemie zwischen den Figuren gespürt. Dass die gemeinsamen Erlebnisse das Quartett geprägt und fest zusammengeschweißt haben, wird in diesen intimen Szenen überdeutlich. Das hier sind Freunde, die für das Leben des anderen sogar ins offene Messer springen würden.

Scream VI (2023) Filmbild 4

In den Teilen eins bis drei hat der getötete Filmnerd Randy Meeks seine Verbündeten bekanntlich stets über die überlebenswichtigen Spielregeln der jeweiligen Story – ob Slasher, Sequel oder Trilogie – aufgeklärt. Seit dem letztjährigen Vorgänger übernimmt diesen Part dessen Nichte Mindy, die den fünften Teil bereits als Requel identifiziert hat und sich infolge der neuen Mordserie in einem Franchise verortet sieht. Wer der Täter ist, beziehungsweise lebt oder stirbt, sei nun völlig offen – alte Hasen nicht ausgeschlossen. Zusätzlich spielen Easter Eggs diesmal eine wesentliche Rolle, die in „Scream VI“ besonders in Form eines mysteriösen Ghostface-Schreins eine echte Bedeutung bekommen und nicht, wie so oft, als reiner Fanservice im leeren Raum stehen. Da gerade dieser Film viele Bezüge zu seinen Vorgängern aufweist – insbesondere zu „Scream 2“ – ist eine erneute Sichtung der gesamten Reihe vor dem Kinobesuch lohnenswert.

Horror- und Thriller-Freunde werden allerdings auch außerhalb des „Scream“– oder internen „Stab“-Universums etliche Referenzen zu älteren Werken entdecken. Zumal diese Story nicht nur im urbanen Big Apple angesiedelt ist, sondern zugleich in der Halloween-Zeit spielt, gibt es für den Täter reichlich Gelegenheit, sich unter anderen Maskierten zu verstecken, die neben weiteren Ghostface-Kostümen eben auch die gesamte Grusel-Bandbreite abdecken. Beklemmend wird das, wenn die Freunde an einer Subway-Station getrennt werden und in ihrem jeweiligen Zug angespannt Ausschau nach dem Täter halten müssen.

Scream VI (2023) Filmbild 3

„Scream VI“ enthält erstmals auch Elemente eines klassischen Polizei-Thrillers sowie Zitate aus dem Krimi- und Giallo-Feld. Neben einem T-Shirt zu Dario Argentos „Vier Fliegen auf grauem Samt“ gibt es auch inhaltlich klare Anspielungen auf den italienischen Spannungs-Meister, wenn zum Beispiel ein Charakter, wie in dessen Meisterwerk „Deep Red“, aus der Ferne einen Mord beobachtet, ihm in der aufgeladenen Situation aber wichtige Einzelheiten entgehen. Dass hier auf die eine oder andere Weise auch der einzige Film-Ausflug von Slasher-Ikone Jason Voorhees nach NYC auftaucht, sollte man dagegen gar nicht extra erwähnen müssen.

New York mit seinen dunklen Gassen ist als neuer Hintergrund übrigens nicht bloß eine willkommene atmosphärische Abwechslung zu (abgesehen von Teil drei) dem Dauer-Tatort Woodsboro. Dass die Protagonisten selbst in dieser Metropole nicht vor weiteren Ghostface-Angriffen sicher sind, zeigt, dass das Kleinstadt-Drama durch die populäre Verwertung in Buch und Film bis weit über die vertrauten Grenzen Anhänger und Schaulustige gefunden hat und Sidney mit ihrer zuvor genannten Prognose Recht behält. Ein weiteres Grauen kann überall lauern und jederzeit zuschlagen. Eine Flucht ist unmöglich. Dass man sich deshalb aber noch lange keiner vermeintlichen Vorbestimmung hingeben muss, zeigt eine wunderbare Szene zum Schluss.

Scream VI (2023) Filmbild 2

Wie es um die Auflösung von „Scream VI“ oder das Ghostface-Motiv steht, wird an dieser Stelle selbstverständlich nicht verraten. Nur so viel: Auch dieses adrenalinhaltige Finale steht ganz in der Tradition der Reihe und man kann als erfahrener Zuschauer durchaus erraten, wer unter der vertrauten Maske steckt. Woran sich einige zartbesaitete Zuschauer allerdings stören könnten – und was wiederum andere freuen wird -, ist dass dieser sechste Eintrag deutlich brachialer und blutiger zur Sache geht als die Prequels.

Die Spannungsschraube ist seit dem grandiosen Beginn kräftig angedreht und Gefangene werden nicht gemacht. Dieses Mal springt Ghostface während einer Konversation auf offener Straßer auf seine Opfer zu, greift zu Schusswaffen und verschwindet nicht einfach, wenn Türen verschlossen sind. Doch während der oder die Täter so kompromisslos Terror verbreiten, wappnen sich auch die Helden zur Gegenwehr und gehen dabei keinesfalls zimperlicher vor.

Scream VI (2023) 6

Als Verarbeitung von Opfer-Traumata ist „Scream VI“ kämpferisch, als Bild von Zusammenhalt und Freundschaft rührend und als Meta-Schocker zugleich clever und äußerst intensiv. Es ist der beste Teil der Reihe seit dem Original, neben Ti Wests „X“ der beste Slasher seit Wes Cravens Megahit und eines der besten Horror-Sequels überhaupt. Man kann nur hoffen, dass Radio Silence als Regie-Team bei weiteren Fortsetzungen erhalten bleiben und man das Franchise auf diesem Niveau weiterführt.

So und nicht anders bitte.


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