Skyfall, UK/USA 2012 • 143 Min • Regie: Sam Mendes • Mit: Daniel Craig, Judi Dench, Javier Bardem, Ben Whishaw, Ralph Fiennes, Naomie Harris, Bérénice Marlohe, Albert Finney • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 1.11.2012 • Deutsche Website
Handlung
Im nun 23. Leinwandeinsatz wird es persönlich für James Bond. Nach einer gescheiterten Operation in Istanbul, bei dem eine Festplatte mit den wahren Identitäten von weltweit eingesetzten Undercover-Agenten entwendet wurde, wird James Bond (Daniel Craig) versehentlich niedergeschossen und für tot erklärt. In Wahrheit kommt er nur knapp mit dem Leben davon, doch anstatt sich zurück zum Dienst zu melden, genießt der desillusionierte Bond seinen Ruhestand mit Alkohol und Frauen. Als jedoch M (Judi Dench), Bonds ehemalige Vorgesetzte, von ihrer dunklen Vergangenheit eingeholt wird und sowohl sie als auch das gesamte MI6 von denselben Leuten bedroht werden, die auch für den Diebstahl der Festplatte verantwortlich sind, sieht sich Bond gezwungen, wieder in den aktiven Dienst zurückzukehren. Er nimmt den Kampf mit dem mysteriösen und scheinbar übermächtigen Raoul Silva (Javier Bardem) auf. Dabei wird Bonds Loyalität auf harte Probe gestellt, denn Silva ist determiniert, mit M eine alte Rechnung zu begleichen.
Kritik
Wer glaubt, dass nach 50 Jahren die James Bond-Filme nichts mehr Neues zu bieten hätten, wird in dem 23. Abenteuer des Superagenten eines Besseren belehrt. Bereits Casino Royale war ein extrem gelungener James Bond-Film, der gezeigt hat, wie viel unerforschtes Potenzial in der Serie noch steckt und uns mit Daniel Craig einen James Bond bot, der menschlicher war denn je. Er machte Fehler und flog auch schon so richtig auf die Fresse. Wurde die Wahl von Craig als James Bond vor Casino Royale noch von den meisten kritisch beäugt, überzeugte er die meisten Skeptiker mit seiner Variante der Rolle. Die sehr hoch gesteckten Erwartungen konnte der Nachfolger, Ein Quantum Trost, leider nicht erfüllen. Der interessante Versuch war, zum ersten Mal einen James Bond-Film zu einer waschechten Fortsetzung zu machen, die nahtlos an die Ereignisse des Vorgängers anknüpft. Doch er schlug größtenteils fehl. Die Gründe dazu sind vielerlei und rangieren von der falschen Wahl des Regisseurs (Marc Forster hat in der Vergangenheit gute Filme abgeliefert, doch Action ist einfach nicht sein Forte) bis hin zu einem unausgereiften Drehbuch, welches noch weniger klassische James Bond-Elemente beinhielt als Casino Royale. Craig war erneut hervorragend in der Rolle, doch auch er konnte hier nicht viel ausrichten.
Und so taten die Köpfe hinter dem neusten James Bond-Film, Skyfall, das einzig Vernünftige und starteten die vor zwei Filmen neugestartete Serie einfach wieder neu – mehr oder weniger. In modernem Filmjargon – ein Reboot von einem Reboot. So verrückt das auch klingen mag, so perfekt funktioniert das in Skyfall. Ohne jegliche Erwähnung oder Anspielung auf die ersten beiden Filme (die wiederum untereinander stark zusammenhingen) ist Skyfall im klassischen James Bond-Sinne ein Film, der für sich selbst steht und eine in sich abgeschlossene Geschichte bildet. Zugleich werden in Skyfall aber auch alle Stärken der verschiedenen Bond-Elemente genutzt, die sich über die Jahre herausgebildet haben. Daniel Craig war vom Anfang an sehr überzeugend in der Rolle von Bond, indem er uns eine andere Art des bekannten Superagenten geboten hat. Nicht nur ständig mit Anzug und Fliege bekleidet, war Craigs Bond auch bereit sich mitten ins dreckige Actiongetümmel zu stürzen. Zugleich verfügt sein Bond über den lakonischen Humor, den man bei dem Charakter schon lange vermisst hat. Trat dieser im letzten Film leider hinter den dramatischen Plot zurück, kommt er in Skyfall voll zur Geltung. Casino Royale war ein beeindruckender Einstand für Craigs Bond, aber Skyfall zeigt uns einen Daniel Craig, der sich in die Rolle von Bond gut eingelebt hat und kein blutiger Anfänger mehr ist. Zugleich ist er auch desillusionierter, verbitterter und psychisch aber auch körperlich angeschlagen. Der Film schreckt sich auch nicht davor zurück, das voranschreitende Alter von Bond deutlich zu stellen (insbesondere ironisch, angesichts der Tatsache, dass Roger Moore den Part gespielt hat, bis er 57 war). Mangelte es Bond in Casino Royale noch an Erfahrung, ist es hier die körperliche Fitness, die ihm bei seinen Einsätzen zu schaffen macht. Das passt alles perfekt zu Craigs Darstellung von Bond als einen echten Menschen, ein Konzept, welches in Skyfall mehr erforscht wird denn je. So häufig unrasiert und ungepflegt hat man Bond kaum gesehen! Aber auch, dass er trotz seiner vielen Einsätze, der Opfer, die er bringen musste und der Vielzahl an Leben, die er genommen hat, seine Menschlichkeit und sein Mitgefühl nicht verloren hat, wird vom Anfang an klargestellt.
Auch wenn Skyfall (zum Glück) bei weitem nicht an die Albernheit der Roger Moore-Filme herankommt und auch deutlich ernster ist als die Reihe mit Pierce Brosnan, handelt es sich dabei dennoch um den humorvollsten Bond-Film der Craig-Ära und beinhaltet genau die Art vom verspielten und von Doppeldeutigkeiten so strotzendem Austausch zwischen Bond und den Frauen, insbesondere mit der von Naomi Harris gespielten Agentin Eve, welcher eine ganz besondere Rolle im Film vorbehalten ist. Die Chemie zwischen den beiden passt und es sprühen ordentlich Funken, während Bérénice Marlohe die klassische Rolle des „anderen“ Bond-Girls mit einer guten Mischung aus Femme Fatale, Vulnerabilität und einem Hauch Erotik erfüllt.
Judi Denchs kompromisslose Darstellung von Bonds geheimnisvoller Chefin M war schon immer eine weitere Stärke der neueren Bond-Filme, deren Potenzial nie vollends genutzt wurde – bis jetzt! Es mag ganze sieben Filme gedauert haben, bis Dench, die auch in den schlechteren Bond-Filmen immer eine starke Präsenz war, in den Mittelpunkt eines James Bond-Films rücken durfte. Ein riskanter Schachzug, der auch nach hinten hätte losgehen können, denn manche Charaktere funktionierten am besten in kleinen Portionen. Dank der immensen schauspielerischen Bandbreite von Dench ist das hier nicht der Fall, denn der Film holt mehr aus ihrem Charakter, der schon immer eine Art mütterliches Substitut für den Vollwaisen Bond war, heraus, als man für möglich gehalten hätte. Skyfall zeigt sie von ihrer kältesten und skrupellosesten Seite, aber auch zugleich ihre Verletzlichkeit und ihre tief verborgene Zuneigung für Bond. In einer gerechten Welt, wäre Dench eine Kandidatin für eine Oscar-Nominierung mit diesem Film.
Letzteres gilt auch für Javier Bardem, dessen Raoul Silva vielleicht der interessanteste Bösewicht der James Bond-Filme und der beste Leinwand-Psychopath seit Heath Ledgers Joker ist. Genial, verspielt, extravagant, überdramatisch, brutal, effizient und vor allen Dingen komplett wahnsinnig ist er ein Gegenspieler, wie ein großartiger Bond wie Craig ihn verdient. Er ist Bond immer zwei Schritte voraus und zum ersten Mal seit langer Zeit lässt ein Bösewicht bei einem Bond-Film den Zuschauer sich tatsächlich fragen, ob Bond ihm überhaupt gewachsen ist. Bardem, der schon gekonnt einen Psychopathen in No Country for Old Men gespielt hat, fährt hier aber andere Geschütze auf als in dem Coen Brothers-Film. War er dort ein schweigsamer, präziser und kaltblütiger Killer, so ist sein Raoul Silva in Skyfall viel gesprächiger und hat einen großartigen ersten Auftritt (der überraschend spät im Film kommt), in dem er eine ganz ungewohnte Art von Chemie mit Craigs Bond entfacht – der eine oder andere Zuschauer wird überrascht sein. Keine 30 Sekunden braucht Bardem, um das Publikum für sich zu gewinnen. Sicher, Bardem hat sich das eine oder andere beim Joker und Dr. Hannibal Lecter abgeschaut, doch mit seiner extravaganten und überschwänglichen Art, einschließlich des grässlichen blondierten Haarschopfes, ist er eben ein klassischer Over-the-Top James Bond-Bösewicht.
Die anderen Parts kommen deutlich kürzer sind aber nicht weniger gut, von Ben Whishaws gutem Einstand als Q (der auch noch das eine oder andere dazulernen muss) bis zu Ralph Fiennes‘ Mallory, der als eindimensionaler arroganter Arsch vom Dienst anfängt, aber sich zum Glück zu mehr entwickelt.
Nicht zu vergessen ist natürlich das A und O der Bond-Serie: spektakuläre Action und exotische Locations. Während letztere uns nach Istanbul, Shanghai, Macau und Schottland führen, mangelt es an Action ebenso nicht in Skyfall. Von der spektakulären Verfolgungsjagd in Istanbul bis zum etwas kleineren aber dennoch nicht weniger spannend ausgefallenen Showdown am Ende, erweist sich Sam Mendes als äußerst fähig darin, beeindruckende Action in Szene zu setzen und wiederlegt damit effektvoll einige Befürchtungen er sei eine falsche Wahl für die Regie gewesen, da er, wie Forster, keine großen Erfahrungen mit Filmen eines solchen Kalibers in der Vergangenheit gesammelt hat. Stattdessen ist Mendes die perfekte und seltene Kombination, die sowohl die leiseren Momente des Films, aber auch die groß angelegten Actionsequenzen gekonnt in Szene setzt. Unterstützt wird er von wohl einem der momentan besten Kameramänner Hollywoods, Roger Deakins, dessen Aufnahmen den Zuschauern nachhaltig im Gedächtnis bleiben sollten.
Es ist wohl der erste oscarprämierte Regisseur der James Bond-Serie, der aus dem Franchise alles herausholt, was möglich ist. Dabei schreckt sich Mendes nicht davor zurück, viele Anspielungen auf diverse ältere Bond-Filme zu machen und sehr geschickt traditionelle Bond-Elemente in den Film einzubinden. Das Vermächtnis der Bond-Filme wird stets mit größtem Respekt behandelt und man sieht, dass es sich bei Mendes um einen wahren Fan handelt, der aber zugleich der Reihe einen ganz eigenen Stempel aufdrückt. Sein Skyfall zeugt von Liebe zu dem, was Bond populär und erfolgreich gemacht hat aber auch von Mut, neue Wege zu beschreiten. Als eine Inspiration für den Film erwähnt Mendes die Batman-Filme von Christopher Nolan und der Einfluss ist hier nicht zu übersehen, insbesondere in der zweiten Filmhälfte. War Casino Royale vielleicht Batman Begins der Craig-Bonds (und ignoriert man am besten Ein Quantum Trost), so ist Skyfall The Dark Knight dieser neuen Reihe, wobei Skyfall nie komplett in Nolans düstere Abgründe abgleitet und genug Platz für etwas leichte Unterhaltung, Humor und Augenzwinkern lässt.
Vom furiosen Beginn und einer genial animierten Vorspann-Sequenz (zusammen mit dem besten James Bond-Lied seit Jahren, gesungen von der Soul-Röhre Adele) bis hin zu seinem Finale, der den Zuschauer mit einem breiten Lächeln aus dem Kino entlässt, zieht Skyfall einen in seinen Bann und lässt sich gar nicht anmerken, dass es sich mit 143 Minuten Laufzeit um den zweitlängsten Bond-Film aller Zeiten handelt. Wenn es überhaupt etwas „Unerfreuliches“ an diesem Musterbeispiel von einem tollen Blockbuster gibt, dann ist das die Tatsache, dass ab jetzt jeder neue Bond-Film mit Skyfall vergleichen werden wird und wahrscheinlich kaum einer diesen Vergleich bestehen wird. Doch bis dahin sollte man einfach Skyfall genießen und sich darüber freuen, dass eine 50 Jahre alte Filmserie immer noch etwas so Großartiges hervorbringen kann.
Fazit
Action, Humor, Emotionen und ein fantastischer genial-verrückter Bösewicht. Skyfall ist ein großartiger Blockbuster und ein grandioser James Bond-Film, der die klassischen Bond-Elemente mit dem neuen, ernsthafteren Einschlag der Serie in eine perfekte Balance bringt.