The Spectacular Now, USA 2013 • 95 Minuten • Regie: James Ponsoldt • Mit: Miles Teller, Shailene Woodley, Bob Odenkirk, Brie Larson, Kyle Chandler, Jennifer Jason Leigh • FSK: n.n.b. • Kinostart: n.n.b. • Internationale Webseite
"The Spectacular Now" – Wie seicht hallen doch diese drei unspektakulären Worte in den Gedanken nach. Man erinnert sich nur zu gern an die Kindestage, wo sich das wahre Versprechen dieser drei Worte andauernd entfalten konnte. Keine Sorgen, kein Bedauern, keine Zeit zu verlieren, denn alles was zählte war der Moment, in dem doch alles greifbar und makellos erschien. Ein Zustand, ja, fast schon ein Glaubenssatz, den man doch immer mal wieder auf seine Fahne schreibt oder schreiben will. Einer tut es; und zwar beinah radikal: Die Welt liegt dem Protagonisten Sutter Keely wie in den glorreichen Kindheitstagen zu Füßen. „The Spectacular Now“ aus der Feder des vielseitigen Jugendbuchautors Tim Tharp ("Knights of the Hill Country") wird grandios inszeniert und von einem der sympathischsten und natürlichsten Darsteller Paare der letzten Zeit in das Zentrum des eigenen Lebensethos gespielt.
Jeder Tag scheint für Sutter Keely (Miles Teller) ein Fest zu sein, jeder Moment so spaßig wie eine Party und die Menschen um ihn herum sind scheinbar Spielfiguren auf seiner Spielwiese. Dabei gilt: Je kurioser der Augenblick, desto besser. Sutter ist im Begriff die Highschool mehr schlecht als recht abzuschließen und ruht sich auf dem Image, „Das Leben auf jeder Party zu sein“, aus. Seine geliebte Freundin Cassidy (reizvoll: Brie Larson) verlässt ihn vordergründig, weil sie Sutter mit einer anderen Dame im Auto sieht. Was soll‘s? Auf der nächsten Party wird gezecht und Sutter wird von einem Mädchen seiner Schule am nächsten Morgen in irgendeinem Garten gefunden. Das Mädchen heißt Aimee Finecky (Shailene Woodley) und willigt ein, Sutter bei ihrer Zeitungsliefertour mitzunehmen, da Sutter sein Auto in der Nacht irgendwo in der Nähe abgestellt haben muss. Selbstlos beschließt Sutter die unscheinbare aber nicht unsympathische Aimee zu protegieren und ihrem Leben mehr spektakuläre Würze zu geben. Im Laufe dieses zunächst oberflächlichen Vorhabens wird aus dem ursprünglichen Helfersyndrom mehr; mehr als Sutter sich vorerst eingesteht.
Wer hier einen Schnellschuss wagt und diese ergreifende Geschichte von Aimee und Sutter als vorhersehbare vom-Fließband-Teenie-RomCom-nur-ohne-Vampire-Geschichte abstrafen möchte, liegt völlig treffsicher daneben. Hier gibt es keinen American Pie, hier gibt es keine Märchenprinzen, kein vom Mauerblümchen zum Supermodel Gemurkse oder weitere Klischeeunfälle, die der Übersicht halber hier in der Aufzählung fehlen. Es ist kein unbeschwerter Partyfilm; auch wenn dies ihm Buch etwas ausführlicher beschrieben wird, setzt der Film in dem Punkt auf kurze, zusammenfassende Montagemomente, um den Blick von den Charakteren nicht unnötig abzulenken oder flachen Comedy-Relief zu bieten. Autor Tim Tharp schrieb eine clevere, geerdete und durch seine Charaktere bezaubernde Coming-of-Age-Erzählung. Besonders die Figur „Sutter“ ist eine großartige Charakterisierung eines in den Alkoholismus abdriftenden, eloquent-geistreichen, lebensbejahenden Spaßgesellschafters, der um ein Stücken täglichen Selbstbetrug nicht verlegen und im Inneren um nachdenklichen Tiefengrund nicht beschämt ist. Trotzdem stößt er seine engsten Menschen immer wieder vor den Kopf; da sei z.B. sein Chef Dan (vertraut charmant: Bob Odenkirk) genannt, der ihm, trotz Einnahmeproblemen, aber gerade weil Sutter die Kundschaft betört, vergebens eine Jobverlängerung mit scheinbar für Sutter nicht einzuhaltenden Auflagen anbietet.
Gäbe es einen eigens angerfertigten Preis für wahrhaftig sympathische Darsteller Paare, Shailene Woodley und Miles Teller würden ihn für diesen exquisiten Cocktail der Schauspielkunst gewinnen; den Szenen der zwei jungen Schauspieler ist eine eigene Magie inhärent. Den "Special Jury Award for Acting" heimste der Film zurecht beim Sundance Festival 2013 ein. Bereits in Alexander Paynes großartigen „The Descendants – Familie und anderen Angelegenheiten“ brillierte die junge Shailene Woodley als verwundbarer, aber resoluter Teenie. In „The Spectacular Now“ mimt sie Aimee als unsicheres, von ihren Lebensumständen ausgebremstes Mädchen mit viel Herz. Sie ist dennoch eine aparte Erscheinung, die ein mattes und glanzloses Leben unter der Fuchtel ihrer Mutter führt. Schließlich ist es Sutter, der ihr beibringt „Nein“ zu den haltlosen Forderungen ihrer Mutter oder dem nörgeligen Einfluss ihrer „besten“ Freundin zu sagen (eine herrliche Unterrichtseinheit). Mit Sutter kann Aimee aufblühen, lockerer werden und entspannen. Entspannung erfährt sie auch durch Sutters Trinkerei – hier und da immer wieder ein Schlückchen aus dem Flachmann. Die beiden pirschen sich aneinander heran, Sutter erst unter dem Deckmantel der Hilfe zum Booster von Aimees Beliebtheit. Miles Teller zeigt immer wieder beeindruckend seine emotionale Janusköpfigkeit: einen wunden Kern und der wortgewitzte Gentleman. Er gibt die entscheidenden Vorlagen für Woodleys vorsichtige, schüchterne und beinah tapsig-verspielte Aimee.
Die wahre Spannung des Films liegt bei den Unterschiedlichen Lebensweisen und Sichtweisen der beiden Hauptdarsteller in puncto Lebensführung. Obgleich in Sutter eine Menge mehr als Charme, Witz und Esprit steckt, lebt er augenscheinlich selbstgenügsam vor sich hin. Die Melancholie des Lebens fließt an ihm einfach vorbei; sicherlich trägt der Alkoholismus seinen gerechten Teil bei. Der „Sutterman“ beraubt sich und seine Partner (Cassidys echter Grund für den Schlussstrich) einer Zukunft, weil er eine solche gar nicht erst mit bedeutungsschweren Inhalten in sein gedankliches Lebenskonzept lässt. "Jetzt" ist wunderschön. Solang es läuft, läuft es halt. Er hat das Gefühl, von niemandem geliebt zu werden, sodass er im Gegenzug anscheinend nicht liebt oder lieben kann. Er übersieht die sorgevollen Falten seiner liebenden Mutter quasi gewissenlos und sieht in sich den gleichen Loser wie sein egoistischer Vater Tommy (Kyle Chandler), nachdem er ihn nach Jahren wieder getroffen hat. Er findet in seinem Vater nicht das, was Sutter sich immer eingeredet oder gewünscht hat. Am Ende sind es eben die kleinen Steine wenn man sie lostritt. Manchmal bringen sie einen ganzen Erdrutsch zustande. Erst die Beziehung zu Aimee lässt Sutter letztendlich in sein inneres horchen und die gedanklichen Arbeitsprozesse nehmen ihren lauf. Dem relativ wenig Filme drehenden Regisseur James Ponsoldt gelingt es, dem Coming-of-Age-Genre eine bedeutende Perle hinzuzufügen (Freunde von "The Breakfast Club" und Co. können bedenkenlos hinschauen). Nebst Hauptdarstellern besitzen sogar alle Nebenfiguren -egal wie wenig Leinwandzeit- eine Komplexität und Verletzlichkeit, wie sie in manchen Filmen einfach vernachlässigt wird. So tanzt der Film leichtfüßig und zugleich tiefgründig im Takt. Das Buch ist auf jeden Fall auch eine Empfehlung wert, wobei der Film einen Hauch optimistischer wirkt.
Trailer
Fazit: Das Leben ist eine Anhäufung von spektakulären Momenten. „The Spectacular Now“ ist solch ein feierlicher Moment.