Mirror Mirror, USA 2012 • 106 Min • Mit: Lily Collins, Julia Roberts, Armie Hammer, Nathan Lane, Sean Bean • Regie: Tarsem Singh • FSK: Ohne Altersbeschränkung • Kinostart: 05.04.2012 • Deutsche Website
Handlung
Es ist die allseits bekannte und geliebte klassische Geschichte von Schneewittchen (Lily Collins). In einem märchenhaften Königreich kommt die Tochter des Königspaares zur Welt. Aufgrund ihres wunderschönen Aussehens wird sie Schneewittchen genannt. Doch die Mutter stirbt und an ihre Stelle tritt die böse Königin (Julia Roberts), die Schneewittchens Vater (Sean Bean) mit schwarzer Magie verzaubert und auf eine Mission schickt, von der er nie zurückkehrt. So wächst Schneewittchen eingesperrt im prächtigen Schloss auf, ohne Ahnung von der Außenwelt. Die böse Königin hat derweil das ganze Königreich unter ihrer Fuchtel und kümmert sich wenig um die verarmte Bevölkerung, während sie stattdessen das ganze Geld für opulente Ballveranstaltungen und Kleider ausgibt. Als ihr Geld aber zur Neige geht, gerät sie in Bedrängnis. Wie passend also, dass plötzlich der junge, charmante und gutaussehende Prinz Alcott (Armie Hammer) auftaucht. Diesen zu ehelichen würde die finanziellen Probleme der Königin lösen. Doch Alcott hat ein Auge auf Schneewittchen geworfen. Erzürnt befiehlt die Königin ihrem ergebenen Diener Brighton (Nathan Lane), Schneewittchen in den Wald zu bringen und dort hinzurichten. Doch er kann es nicht übers Herz bringen und setzt die Arme einfach aus, ihrem Schicksal überlassen. Im Wald trifft sie auf eine Bande von sieben kleinwüchsigen Räubern und schließt sich diesen an. Nach anfänglichen Uneinigkeiten kämpfen die einst aus der Gesellschaft verstoßenen Zwerge gemeinsam mit Schneewittchen gegen die böse Königin.
Kritik
Dass zwei Projekte mit der gleichen Thematik zeitnah ins Kino kommen ist in Hollywood keine Seltenheit. Aus irgendeinem Grund oder durch puren Zufall beschließen zwei Studios einen erfolgversprechenden Stoff zu verfilmen. Keines der Studios ist bereit nachzugeben und das Projekt fallen zu lassen und so entsteht ein zeitlicher Wettkampf, denn oft ist es entscheidend, den Film als erster auf den Markt. Es gibt dafür zahllose Beispiele unter großen Produktionen, wie Dante’s Peak und Volcano in 1997, sowie die beiden Todes-Asteroid Streifen Deep Impact und Armageddon von 1998. Aber auch im Bereich des anspruchsvollen Kinos ist dieses Phänomen anzutreffen – 2005 kam Capote raus und erntete sehr viel Lob, sowie einen Oscar für seinen Hauptdarsteller Philip Seymour Hoffman. Als dann ein Jahr später ein weiterer Film über Truman Capote, Infamous, in die Kinos kam, waren die Kritiken zwar auch gut, die allgemeine Resonanz und das Interesse sehr verhalten, da bereits ein Jahr zuvor ein sehr gelungener Film über Capote lief. Diese Beispiele zeigen, dass bei einem solchen Zweikampf es in der Regel einen Verlierer gibt.
Letztes Jahr entschied Hollywood, dass die Welt nicht nur einen, sondern gar zwei Filme über Schneewittchen braucht. Der Impuls diesen uralten Stoff aufzugreifen ist leicht nachvollziehbar. Im Jahre 2010 wurde Tim Burtons Verfilmung von Alice im Wunderland ein weltweiter Erfolg mit einem Einspiel von über einer Millarde Dollar. Schnell kamen auch andere Märchenstoffe ins Augenmerk der Studios. Die klassische Schneewittchen-Geschichte hat natürlich viel Potenzial mit seiner starken Heldin, einem archetypischen Bösewicht und einer Möglichkeit für humorvolle Momente dank der sieben Zwerge. Die Idee kam sowohl Relativity Media als auch Universal Pictures. Nicht willens einen potenziellen Kassenschlager aufzugeben wurden beide Projekte Wirklichkeit. Realtivitys Film bekam den Titel Spieglein, Spieglein (OT: Mirror Mirror), während Universals Version Snow White and the Huntsman genannt wurde und Twilight Star Kristen Stewart in der Rolle von Schneewittchen, sowie die Oscar-Gewinnerin Charlize Theron als Böse Königin für sich gewinnen konnte. Neben der basalen Idee sind die beiden Projekte grundverschieden. Die ersten Bilder zeigen, dass mit Snow White and the Huntsman ein düsterer Ansatz mit epischen Schlachten gewählt wurde. Spieglein, Spieglein, hingegen, ist ein klassisches Märchen durch und durch.
Für die visuelle Darstellung einer märchenhaften Welt, konnte das Studio wohl kaum einen besseren Filmemacher als Tarsem Singh finden. Der Regisseur bewies bereits mit Filmen wie The Cell, The Fall und Krieg der Götter (OT: Immortals) sein ausgeprägtes Gespür für Bildgewalt. Mit Spieglein, Spieglein kommt nun sein erster familiengerechter Film. Dieser trägt ebenfalls Tarsems unverkennbare Handschrift. Die opulente und farbenfrohe Ausstattung geht Hand in Hand mit wundervoll kreativen Kostümen des leider kürzlich verstorbenen Kostümbildners Eiko Ishioka, der für seine Arbeit an Bram Stokers Dracula bereits einen Oscar einheimsen konnte. In dieser Kategorie sollte der Film bei der Verleihung nächstes Jahr mit Sicherheit ein Kandidat werden, denn allein die dekadenten Ballkleider von Julia Roberts gehören zum Beeindruckendsten, was im Bereich der Filmkostüme in letzter Zeit geschaffen wurde.
Den größten Coup landete man aber mit dem Casting von Julia Roberts in der Rolle der bösen Königin. In ihrer ersten durchweg bösen Rolle geht America’s Sweetheart vollends auf. Mit selbstverständlichem Augenzwinkern strotzt ihre zynische Darstellung nur so vor Spaß und Freude am Böse-Sein. Lange ist es her, dass Roberts eine so lebhafte und überzeugende Performance dargeboten hat. Vielleicht läutet dieser Film für sie nach Auftritten in Langweilern wie Eat Pray Love und Larry Crowne ein verdientes Comeback ein. Obgleich dies ein Film über Schneewittchen ist, steht der Charakter der bösen Königin (zum Glück) genauso im Fokus des Geschehens und geht zuweilen über die Rolle des stereotypen Märchenbösewichts hinaus. Nicht unbemerkt bleiben die leichten Seitenhiebe auf den Schönheitswahn in Hollywood.
Als Kontrast zu Julia Roberts toller Performance steht leider das größte Manko dieses Films – Lily Collins als die Heldin. Collins, die ihr schauspielerisches Unvermögen letztes Jahr bereits im Teenie-Actioner Atemlos (OT: Abduction) unter Beweis gestellt hat, hat eindeutig das Aussehen für die Rolle (was man bei Kristen Stewart in ihrer Version doch anzweifeln darf). Zugleich aber ist ihre Darstellung noch blasser als ihre Haut. Man kauft ihr durchaus das naive und unerfahrene Mädchen vom Filmbeginn ab, doch es gelingt Collins nicht, die Wandlung zur klugen fechtenden Heldin, die ihr Schicksal endlich in die eigene Hand nimmt, überzeugend darzustellen. Hier stößt die junge Schauspielerin einfach an ihre Grenzen. Am Rest der Besetzung gibt es hingegen nichts auszusetzen. Der durch The Social Network bekannt gewordene Armie Hammer ist perfekt besetzt als Prince Charming und beweist weiterhin seine Wandlungsfähigkeit. Er stellt den Prinzen mit der nötigen Albernheit und Fähigkeit zur unglaublichen Selbstüberschätzung dar. Sein Diener Charles Rennbock (Robert Emms) harmoniert sehr gut mit ihm und hat einige sehr witzige Momente, bevor er leider in der zweiten Filmhälfte vollkommen untertaucht. Nathan Lane als der treue Diener der Königin spielt die Unterwürfigkeit mit Humor aus. Schließlich sind die sieben Zwerge auch alle super besetzt und jeder mit einer eigenen Persönlichkeit ausgestattet, was angesichts der kurzen Laufzeit doch beachtenswert ist.
Was den Humor angeht, so wandelt Spieglein, Spieglein auf den selbstreferenziellen Pfaden der Shrek Filme. Dies funktioniert gut in einigen Momenten, doch wirkt es manchmal auch etwas gezwungen. Zu sehr wurden die Märchenfilme der letzten Jahre durch Shreks Pop Culture Humor beeinflusst. Man möchte meinen, dass nach all den Jahren den Filmemachern auch etwas Neues einfallen würde. So hat der Film einerseits einiges an Biss und nimmt das Märchengenre gehörig auf die Schippe, andererseits erscheint dieser „moderne“ Zugang zu Märchenstoffen mittlerweile auch nur als alter Hut.
Insgesamt hat Tarsem Singh hier einen unterhaltsamen Film abgeliefert, der auch meistens nicht mehr als das sein will. Nach seinem Stil-über-Substanz Feuerwerk Krieg der Götter, stehen die Schauwerte hier tatsächlich im Dienste der Geschichte. Ferner ließ sich Tarsem (vielleicht etwas durch seine indische Herkunft bedingt) von Bollywood Musical beeinflussen, was die grobe Struktur des Films betrifft. Während des Abspanns bekommen wir gar eine richtig gelungene Musical-Nummer mit dem eingängigen Song „I Believe (in Love)“ zu sehen – eins der Highlights des Films.
Fazit
Spieglein, Spieglein ist ein durchaus unterhaltsames Märchenabenteuer mit einer blassen Heldin, aber einer umso besser aufgelegten Julia Roberts in der Rolle der bösen Königin.