Star Wars: The Force Awakens, USA 2015 • 135 Min • Regie: J.J. Abrams • Mit: John Boyega, Daisy Ridley, Adam Driver, Harrison Ford, Carrie Fisher, Oscar Isaac, Domhnall Gleeson, Gwendonline Christie, Mark Hamill • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 17.12.2015 • Deutsche Website
Handlung
Es war einmal vor langer Zeit in einer weit weit entfernten Galaxie…
Auch 30 Jahre nach der Zerstörung des zweiten Todessterns und dem Sieg über Darth Vader und Imperator Palpatine geht der Kampf des Widerstands gegen die dunklen Mächte, die sich aus der Asche des Imperiums erhoben haben und sich First Order nennen, unerbittlich weiter. Beide Seiten sind auf der Jagd nach einer mysteriösen Weltraumkarte. Wie schon einst die Pläne des ersten Todessterns landet auch die besagte Karte in der Obhut eines Droiden, der auf dem Wüstenplaneten Jakku an die junge und einsame Schrottsammlerin Rey (Daisy Ridley) gerät. Sie wurde vor vielen Jahren dort von ihrer Familie zurückgelassen, hält jedoch unerschütterlich an der Hoffnung auf ihre Rückkehr fest. Ihre Sorgen werden jedoch viel unmittelbarer, wenn die Schergen des First Order auf die Spur des Droiden kommen. Rey flieht gemeinsam mit dem abtrünnigen Stormtrooper Finn (John Boyega) und macht es sich zum Ziel, den Droiden BB-8 samt seiner wichtigen Fracht bei der Rebellenallianz abzuliefern, während Finn vor allem möglichst viel Abstand zwischen sich und seinen ehemaligen Befehlshabern legen möchte. Für beide ist es erst der Beginn eines großen Abenteuers, das sie aber zur Zielscheibe des skrupellosen und gefährlichen First-Order-Schurken Kylo Ren (Adam Driver) macht, der im Kampf gegen die Rebellen auch eigene Ziele verfolgt.
Kritik
Vor 38 Jahren hat George Lucas mit Krieg der Sterne den Begriff Leinwand-Spektakel neu definiert und legte den Grundstein für eins der größten Popkultur-Phänomene aller Zeiten. Wie jedes multimediale Phänomen, das über mehrere Jahrzehnte existiert, hat auch Star Wars seine Höhen und Tiefen gehabt. Nach den finanziell erfolgreichen, aber entschieden gemischt aufgenommenen Prequels, wurde J.J. Abrams die Mammuttaufgabe übertragen, Star Wars zu seiner ursprünglichen Pracht wieder zu erheben. Abrams hat zuvor schon das Star-Trek-Franchise zum neuen Leben erweckt, doch während der Mainstream auf seine Beiträge aus dem Star-Trek-Universum sehr positiv reagierte, waren viele eingefleischte Trekkies weniger begeistert. Natürlich ist Star Wars: Das Erwachen der Macht ein sicherer kommerzieller Triumph für Disney, doch man kann die Macher des Films kaum um den Druck beneiden, mit dem die Produktion einer neuen Star-Wars-Episode einhergeht. Das gilt erst recht, wenn diese die Geschichte der Original-Trilogie nach über 30 Jahren endlich fortführt und das für die Fans beinahe als heilig geltende Trio Han Solo, Leia Organa und Luke Skywalker zurückbringt. Hier wird jeder Moment, jedes Details und jede Entwicklung dem streng prüfenden Blick langjähriger Fans unterzogen und niemand möchte den Zorn von Millionen von Fans auf sich ziehen und der Mann sein, der einen Star-Wars-Film vermasselt hat. Immerhin hatte George Lucas als Schöpfer dieses Universums einen Stein im Brett bei den Fans. Diesen Bonus genießt J.J. Abrams nicht.
Die Fans mussten sich lange genug gedulden, hoffen und bangen, dass der neue Film unter Disneys Regie der alten Trilogie und deren Charakteren gerecht wird. Sie können erleichtert aufatmen: der neue Star Wars ist gut, sogar sehr gut. Abrams hat sich gemeinsam mit dem Drehbuchautor Lawrence Kasdan der gigantischen Herausforderung gestellt und diese unter lediglich geringfügigen Abzügen mit Bravour gemeistert. Aus den Fehlern der Prequels lernend und sich auf die Stärken der alten Filme rückbesinnend, erschuf Abrams ein aufregendes neues Kapitel der Saga, das sich ehrfürchtig vor den Vorgängern verneigt und zugleich die Mythologie auf eine natürliche Art und Weise weiterentwickelt. Der Zeitsprung zwischen Die Rückkehr der Jedi-Ritter und Das Erwachen der Macht ermöglicht es, dass wir in eine einerseits vertraute, aber auch neue Situation hineingeworfen werden und nur langsam entwirren, was sich in der Zeit seit Darth Vaders Fall zugetragen hat.
Die größte Leistung vollbringt der Film mit seinem Spagat zwischen den vertrauten Motiven der Reihe und neuen Charakteren, die im Zentrum des Films stehen. Schilderte die Prequels noch den Abstieg eines Helden in die Dunkelheit, steht bei Star Wars: Das Erwachen der Macht wieder die klassische Heldengeschichte im Mittelpunkt. Wie einst Luke Skywalker schickt der neue Film auch Rey und Finn auf eine Reise zur Selbstfindung und eine Suche nach ihren Plätzen in dieser Welt. Die beiden Jungschauspieler standen vor der Herausforderung, sich als neue essentielle Bestandteile der Mythologie zu etablieren, die von Generationen von Fans im gleichen Atemzug mit Luke und Han genannt werden können. Zum Glück war die Besetzung der beiden ein Volltreffer.
Den größten Triumph von dem neuen Cast trägt Daisy Ridley davon. In einem Jahr, das bereits mit starken, nuancierten weiblichen Charakteren in Action-Blockbustern wie Charlize Theron in Mad Max: Fury Road oder Rebecca Ferguson in Mission: Impossible – Rogue Nation glänzte, bildet Das Erwachen der Macht dank Ridleys Rey den perfekten Abschluss. Rey ist einerseits eine pfiffige, starke junge Frau, die in einer harten Welt ihren Mann stehen kann. Andererseits verbergen sich in ihr auch ein verletzlicher Kern und eine tiefe Trauer, die sie mit Hoffnung und Optimismus überdeckt. Das verleiht der Figur eine emotionale Tiefe, die im Laufe der nächsten Filme vermutlich weiter erforscht werden wird. Doch Rey ist noch mehr – sie ist das Substitut der Zuschauer. Mit großen Augen, einem breiten Grinsen und voller Begeisterung träumt sie von Abenteuern, Heldentaten und einem aufregenden, abwechslungsreichen Leben in einer faszinierenden, fremden Welt. Es sind kleine Momente, die dies zum Vorschein bringen, beispielsweise wenn Rey, außerhalb ihrer (den Fans sehr vertrauten) Bruchbude sitzend, einen alten Pilotenhelm aufsetzt und in der Ferne einen Raumschiff starten sieht. Die sanfte Melancholie dieses Augenblicks ist ein Spiegelbild der legendären Aufnahme von Luke vor dem doppelten Sonnenuntergang auf Tatooine.
Boyegas Finn will hingegen kein Held sei, kennt aber den Unterschied zwischen Gut und Böse, seiner Umwelt zum Trotz, und handelt dementsprechend. Die Charakterisierung von Finn fällt ein wenig dünn aus angesichts des Potenzials, das die Figur bietet, doch mit einer energischen Performance und einem Talent für Situationskomik macht Boyega das wieder wett und entwickelt auf Anhieb gute Chemie im Zusammenspiel mit Ridley.
Beide Darsteller teilen sich über weitere Strecken die Leinwand mit Harrison Fords Han Solo, dessen Rückkehr für viele zweifelsohne das Highlight des neuen Films darstellen wird – nicht zu Unrecht. Nach mehr als drei Jahrzehnten streift sich Ford die Rolle mühelos wie eine zweite Haut über, als wäre er in all der Zeit irgendwo als Han Solo gealtert. Allein seine Einführungsszene ist großartig und es sind die vielen Momente zwischen ihm und anderen Charakteren, die für Humor und Emotionen sorgen. Ford erinnert alle Fans noch einmal daran, warum er zum absoluten Liebling der Fans wurde, gewinnt der Figur darüber hinaus auch eine neue Seite ab, die wir zuvor noch nicht gesehen haben. Weniger Screentime und Spielraum bekommt Carrie Fisher als Leia zugespielt, doch die Szenen zwischen ihr und Ford zeugen immer noch von alter Chemie und mittlerweile auch von Vertrautheit. Was Mark Hamill als Luke betrifft, halte ich es wie Disneys Marketing-Strategie und bestätige lediglich, dass er tatsächlich in dem Film auftritt.
Nicht unerwähnt darf natürlich auch der große neue Bösewicht bleiben. Als Vader-Lookalike Kylo Ren fällt Adam Driver die wenig beneidenswerte Aufgabe, in die Fußstapfen des ikonischsten aller Leinwand-Bösewichte zu treten. Optisch ist der Ansatz bewusst ähnlich, doch während Vader in Eine neue Hoffnung noch als unaufhaltsame, böse Macht ein Mysterium bleibt, gibt Das Erwachen der Macht deutlich mehr preis über seinen Haupt-Antagonisten. Anfangs noch sehr bedrohlich, geht diese Wirkung dadurch ein wenig verloren, doch Driver trifft in den Schlüsselmomenten die richtigen Noten und behält bis zum Ende die Faszination und die Unberechenbarkeit des Charakters. Schlechter kommt Domhnall Gleesons eindimensionaler, Hitler-mäßige Reden schwingender General Hux weg, dessen einzige Funktion darin besteht, Teile der Handlung voranzutreiben. Viel mehr Interesse weckt da schon Andy Serkis’ geheimnisvoller Anführer Snoke, dessen eindrucksvoller erster Auftritt sich vielen Zuschauern ins Gedächtnis einbrennen wird. Zu guter Letzt hinterlässt Oscar Isaac als fescher X-Wing-Pilot Poe Dameron ebenfalls einen guten Eindruck, auch wenn man sich mehr von ihm in dem Film wünscht.
Doch natürlich ist die Star-Wars-Saga nicht nur wegen ihrer Mythologie und Charaktere populär geworden, sie setzte einst auch neue Maßstäbe für bildgewaltige Blockbuster und obwohl es viel schwieriger ist im heutigen Umfeld, Kinogänger über Bilder staunen zu lassen, entfaltet Abrams’ Film häufig eben diese Wirkung und steht in seinen besten Momenten den Höhepunkten der gesamten Reihe in nichts nach. Sowohl die Luftduelle als auch die neue Superwaffe des First Order und der obligatorische, diesmal etwas rabiater geratene Lichtschwertkampf sind fantastisch in Szene gesetzt, doch es sind vielmehr einige ruhige Momente, in denen Dan Mindels Kameraaufnahmen in wundervoller Symbiose mit John Williams' magischer Musik und der unglaublichen Arbeit der Effektekünstler und Ausstatter, sorgfältig durchdachte Referenzen an die klassische Star-Wars-Ikonografie komponieren und dabei Bilder erschaffen, die man gleich einrahmen und sich an die Wand hängen will – allen voran die finale Einstellung des Films. Sogar das 3D sorgt für einige wirklich beeindruckende Momente, die den Preisaufschlag fast rechtfertigen. Abrams hat zudem sein Wort gehalten und setzt im Film, so weit es nur geht, auf handgemachte Effekte, Makeup und Modelle, während die nicht im Übermaß eingesetzten Computerefekte sich bis auf einige wenige Szenen nahtlos in die Umgebung einfügen. Dadurch lässt uns der Film wieder wie ein Teil dieser Welt fühlen, in die wir eintauchen dürfen.
Als Zuschauer durchlebt man während des Films eine Achterbahn an Emotionen. Anfangs macht Das Erwachen der Macht zwar den Anschein, hauptsächlich den allerersten Star Wars als Vorbild gehabt zu haben, doch es wird schnell klar, dass Abrams und Kasdan hier die gesamte Trilogie als Referenzpunkt diente. Eine neue Hoffnung, Das Imperium schlägt zurück und Die Rückkehr der Jedi-Ritter werden auf ihre Essenz destilliert und diese zieht sich durch den Film hindurch. Es gibt den Entdeckungszauber des ersten Films, die düsteren Momente des zweiten und die großen Triumphe des dritten. Man spürt, dass hier jemand im Regiestuhl saß, der die Originalfilme verehrt. Obwohl Abrams’ eigener Fingerabdruck nicht unsichtbar bleibt, hält er sich mit seinen typischen Merkmalen größtenteils zurück und verzichtet sogar nahezu gänzlich auf Blendenflecke (lens flares). Manch einer wird dem Film vielleicht vorwerfen, es den Fans zu sehr recht machen zu wollen und die eine oder andere subtile oder direkte Anspielung und Verbeugung zu viel zu haben, doch besser konnte die Rückkehr in diese Welt kaum gestaltet werden. Die Ausgangssituation für brandneue Abenteuer ist nun erschaffen, die hoffentlich selbst in ferner Zukunft als Inspiration für Referenzen herhalten werden.
Zu guter Letzt gebührt viel Lob Disneys Marketing-Abteilung, die es trotz zahlreicher TV-Spots, Teaser und Trailer geschafft hat, dass man eigentlich so gut wie nichts über den Film im Vorfeld weiß. Vielmehr führen die Vorschau-Videos die Zuschauer sogar gekonnt auf falsche Fährte, um ihnen beim Film den Teppich unter den Füßen zu ziehen.
Wo Das Erwachen der Macht letztlich in der Rangliste der besten Star-Wars-Filme landen wird, wird sich mit der Zeit noch zeigen. Die Reihe zeichnete sich schon immer dadurch aus, dass man immer wieder gerne zu ihr zurückkehrt und die Filme re-evaluiert. Das wird bei Episode VII nicht anders sein und vielleicht umso mehr auf den Film zutreffen, wenn die kommenden Episoden die losen Enden verknüpfen und ein neues Licht auf diesen Film werfen. Die einzige negative Emotion, die sich unter Umständen nach einer Phase des unglaublichen Hochgefühls einschleicht, ist die frustrierende Erkenntnis, dass wir noch eineinhalb Jahre warten müssen, bis die Geschichte weitergeht.
Fazit
Die Magie von Star Wars ist zurück! Mit einem engagierten neuen Cast, einem guten Auge für atemberaubende Aufnahmen und der absoluten Hingabe eines Fans an den Star-Wars-Mythos, verwebt J.J. Abrams liebevoll die thematischen Höhepunkte der Original-Trilogie mit einer dramatischen Weiterentwicklung der einzelnen Geschichten, die den Zuschauer unterhält, fesselt, zum Lachen bringt, berührt, schockiert und am Ende mit einem breiten Grinsen zurücklässt, denn eine der größten Blockbuster-Reihen der Kinogeschichte wurde soeben um ein weiteres würdiges Kapitel erweitert. Der Countdown geht von vorne los.
Trailer
https://youtu.be/VC18mrZJYao
Eine weitere Rezension zu Star Wars: Das Erwachen der Macht findet Ihr bei uns hier.
Klasse geschrieben Arthur, hat mir sehr gut gefallen.