The Guest, USA 2014 • 99 Min • Regie: Adam Wingard • Mit: Dan Stevens, Maika Monroe, Leland Orser, Sheila Kelley, Brendan Meyer, Lance Reddick • FSK: ab 18 Jahren • Verleih: Splendid Film • Heimkino-Start: 24.04.2015 • Internationale Webseite
90% auf Rotten Tomatoes, 6,7 Punkte auf IMDb, bei uns nur 1,5/5 Sterne. Wie kann das sein? Ganz einfach erklärt, sollten Kritiken persönliche Empfehlungen oder Warnungen aussprechen. Niemals sollten Kritiken in das derart anmaßende, militante Herausposaunen von absoluten, unumstößlichen Meinungsbildern abgleiten. So ist es auch mit „The Guest“. Nicht abschrecken lassen und ruhig eine eigene Meinung bilden. Viele Menschen fanden den düsteren Thriller mit dem charismatischen Dan Stevens in der Hauptrolle und seinem 80er Retro-Synthie-Soundtrack echt dufte. Die Gegenmeinung stützt sich auf das zu durchsichtige Drehbuch von Simon Barrett und der dadurch zu generischen Umsetzung von „You’re Next“ (übrigens super) Regisseur Adam Wingard. Um als huldvolle Hommage durchzugehen, gerät leider einiges zu stark unter die Räder. Das kann dann auch der stylische Soundtrack (Erinnerung an „Drive“), die süße Maika Monroe oder der coole Dan Stevens nicht mehr wettmachen. Trotzdem war es für viele Zuschauer ein sehenswerter Beitrag bei den diesjährigen Fantasy Filmfest Nights.
Der älteste Sohn der Familie Peterson namens Caleb ist im Afghanistan-Einsatz gefallen. Die noch trauernde Familie erhält unerwarteten Besuch von David (Dan Stevens). Der freundliche David stellt sich als ehemaliger Kamerad und Freund des verstorbenen Sohnes vor und möchte der Familie in der Zeit der Trauer beistehen. So lädt Mutter Laura (Sheila Kelley) David für ein paar Tage ein, der sich prompt bei ein paar Bierchen mit Vater Spencer (Leland Orser) anfreundet. Calebs junger Bruder Luke (Brendan Meyer) wird von den Sportskanonen der Schule gemobbt, wessen sich David beflissentlich mit starker Hand annimmt. Tochter Anna (Maika Monroe) hält David für einen scharfen Draufgänger, wird David gegenüber aber zunehmend misstrauisch, wenn sich die ungewöhnlichen Ereignisse im Umfeld der Familie häufen.
Was hat „The Guest“ auf der Plus-Seite? Der Retro-Soundtrack macht schon mal glücklich und Regisseur Adam Wingard komponiert dazu ein paar hochwertige, ansehnliche Bilder und Sequenzen. Dan Stevens meistert die Rolle des süffisant charmanten Soldaten bis zum abgeklärten Killer im Gegensatz zum Rest der Familie (ausgenommen Maika Monroe) gut. Leland Orser und Sheila Kelly sind Bauernopfer ihrer Rollen. Das Drehbuch lässt sie zu gutgläubig und naiv tapsig, nichts ahnend durch das Geschehen herumstolzieren. Ob sie sich im Zuge des Trauerfalls einer klaren Sicht auf die Dinge verschließen und ihr „Glück“ mit dem unbekannten David nicht fassen können, der ihnen von dem verstorbenen Caleb erzählt, bleibt mehr als seltsam und unlogisch. Mobbing-Opfer Luke gibt den klischeehaften Nerd mit Beatles-Frisur und macht leider ebenfalls keine gute Figur, da er hölzern lediglich das Klischee abspult. Maika Monroe holt aus ihrer Figur mehr als das Minimum heraus, da sie diejenige ist, die David nach und nach durchschaut. Dabei darf sie schließlich von anfänglicher Bewunderung bis hin zu Misstrauen, Unbehagen und physischer Gegenwehr einiges mehr zeigen als der restliche Cast der Familie.
Adam Wingard schreibt mit „The Guest“ einen Liebesbrief an vielerlei kultige Genres und zitiert sich munter durch die 70er/80er-Jahre von Slasher-, Action-, Trash- und B-Movies bis hin zur Neuzeit (von „Halloween“ über „Scream“ bis zu „Drive“). Die anfänglich leise, beklemmende Atmosphäre, als David sich beinah zu glitschig in die Familie einnistet bis hin zu dick platzierten Gewaltexzessen. Das ist echt gut und hat enorm viel Potenzial. Die Geschmacksverirrung findet sich in einem zu vorhersehbaren Drehbuch, dem der Wendungsreichtum fehlt. Die meisten Figuren agieren holprig und unglaubwürdig, als würden sie wie ein Esel einer Möhre folgen, die ihnen vor der Birne rumbaumelt. Das zieht dem ganzen Film die benötigte fiese, nagende Spannung unter den Füßen weg, sodass man eher über manche Dinge wie die blinden, treudoofen Eltern schmunzelt oder manche klassischen Genre-Dialoge als hohle Nuss von einem Dialog abtut. Schade, der Film hat durchaus sexy Momente (wie die Halloween Party in der Mitte) und versaut es doch immer wieder rechtzeitig bis zum großen Finale hin. Ob das Finale eigentlich schon wieder gut ist, weil übertrieben trashig, erschließt sich nur zögerlich. Ein sauberes Zitat aus der Kneipenschlägerei ist dennoch schon jetzt kultig: „Blowjob shots for the ladies and Cosmopolitans for each of the guys.“. Also, nicht entmutigen lassen, denn der Film hat das Zeug, anderen Begutachtern gut zu gefallen.
Trailer
https://youtu.be/YG1ooalDzEM