The Iceman (2012)

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The Iceman, USA 2012 • 103 Minuten • Regie: Ariel Vromen • Mit: Michael Shannon, Ray Liotta, Winona Ryder, David Schwimmer, James Franco, Stephen Dorff • FSK: ab 16 Jahren • DVD-Start: 30. August 2013 • Verleih: Splendid Film • Englische Website

Schauspielkunst besteht darin, nichts zu machen. Ok, stimmt nicht, zumindest nicht im Allgemeinen. Aber in The Iceman setzt Hauptdarsteller Michael Shannon ein scheinbar so festgeklammertes Gesicht auf, dass einem schwindelig wird vor Angst. Wenn er sich dann doch zu einem Lächeln zwingt, wirkt es ehrlich – doch ist es zutiefst falsch; denn dieser Mann ist geboren, um zu töten. Wenn da nur nicht seine Frau wäre, die ihm gleich zwei Töchter gebar…

Richard (Michael Shannon) ist Pole, Auftragskiller und Familienvater. Von seinen Kollegen stets „Polacke“ genannt, treibt er sein Unwesen für Mafia-Boss Roy DeMeo (Ray Liotta). Anfangs mordet er aus reiner Lust, nicht aus stimulierender Absicht, nein, er mordet, weil es ihm nichts ausmacht, hat es noch nie; er kann es, er will es. Als er Deborah (Winona Ryder) heiratet, zwei Kinder bekommt und durch das Mordgeld ein schickes Haus kauft, wandelt sich seine Arbeit zunehmend zum Problem. Denn eigentlich ist Richard eine richtig kranke Sau – es merkt nur niemand.

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The Iceman (2012) Filmbild 1The Iceman ist der von den Medien geschrieene Titel eines Mörders, der in den 60er- und 70er-Jahren dutzende Menschen umgebracht hat: Er fror die Opfer ein, um den wahren Todeszeitpunkt zu verschleiern. Faszinierend: Ist wirklich passiert, und zwar in Amerika. Dass sich Regisseur Ariel Vromen einen derart komplexen Stoff aussucht und sich im Drehbuch gen Ende hin in Belanglosigkeiten suhlt, ist einerseits schade. Andererseits, verdammt, das muss jetzt gesagt werden: Wir hätten eine der besten Schauspielleistungen der vergangenen Jahre verpasst. Michael Shannon wälzt sich in der Boshaftigkeit seines Charakters, ohne je grotesk oder gar unsympathisch zu wirken. Sein einer, sein einziger Gesichtsausdruck entfaltet sich durch die alleinige Anspannung. Diese riesigen, braunen Augen, diese leblosen Mundwinkel, diese starre Körperhaltung! Wenn Shannon auftritt, gefriert das Blut. Im Film. Im Zuschauer. Überall.

In den ersten 10 Minuten inszeniert Regisseur Vromen zwei Schlüsselszenen, die bis zum Ende den Tenor von The Iceman vorgeben: purer Ernst, der scheinbar in soziale Unzulänglichkeit übergeht. Da sitzt Shannon mit seiner Freundin Ryder also an einem Tisch bei dem ersten Date. Sie sagt: „Das ist unhöflich, jemanden einzuladen und nicht zu reden!“ Er sagt: „…!“ Aber wie er nichts sagt, wie er da sitzt und einfach nicht den Mund aufkriegt, ist atemberaubend – schließlich steht so viel in Shannons Gesicht geschrieben; vielleicht ist es pure Antipathie, sozialer Misstand, Unglück oder Unlust – man weiß es nicht, aber man weiß: Verdammt, der Mann, der hat etwas an sich, das fesselt.

Shannons Charakter Richard fesselt nicht, er tötet eine Szene später, als ein Bekannter seine Freundin beleidigt. Einfach so. Zack, Messer, Kehle, Mantel, Abgang. Jetzt wird klar: Ja, ähm, okay.

The Iceman (2013) Filmbild 2

Herrlich im Unklaren lässt uns Vramen über die Gründe dafür. In zwei, drei Szenen zwar wird die perfide Weltansicht Richards deutlich, aber Vromen hält sich damit nicht lange auf und lässt seinen Darsteller Shannon wüten, toben, töten. Bezeichnend für den Mörder als Psychopath stehen einige Ausfälle von Richards sich sorgsam selbst aufgezwungene Rolle des lieben Vaters: Im Streit mit seiner Frau fehlt nur ein Wimpernschlag zum nächsten Mord. Da bröckelt die Fassade, die dahinter ein Monster bewahrt, das gegenwärtig ist in diesem Film, in jeder Szene, aber in familiärer Harmonie nur weniger intensiv wirkt, nie aber vollkommen verschwindet.

So führen uns Regisseur und Hauptdarsteller ins Dunkle der Doppelpersönlichkeiten, ins Abwegige normaler Menschen, ins Gehirn eines Killers, den man fürchtet aus gutem Grund, doch die stoische Selbstinszenierung selbst im Angesicht einer Knarre am Kopf einen Grad an Faszination birgt, der geradezu unheimlich und zutiefst verstörend ist. Je tiefer ein Mensch in Lügen steckt, so beliebiger wird die Wahrheit gegenüber denjenigen, denen man nichts vorlügen will.

So hält sich Vromen raus aus dem Gangsterfilm-Gehabe vergangener Genre-Werke und zieht sein Ding durch. Viel muss er dafür nicht tun, beileibe nicht, so ist Richard als Charakter mehr ein surreales Abziehbild eines Profikillers als ernstzunehmender Gegner im Mafia-Milieu. Gerade wenn man Andrew Dominiks auf Tarantino getrimmte Gangster-Dialog-Maschine Killing Them Softly als Vergleich heranzieht; dort treiben es Coolness-Götter und Sympathie-Kollegen Brad Pitt und James Gandolfini mit sozialkritischem Unterton und dem Mafia-Buisness als herunterskalierte Wirtschaft. The Iceman hingegen will nichts hören von den ganz großen Dialogen, den ganz großen Machtkämpfen oder den ganz großen Drogenkriegen; The Iceman weiß hingegen alles über das kleine Stück Gefühl in einem Monster, das ganz zufällig für die Mafia arbeitet. Motiv: Geld. Und ab und zu mal töten. Mehr nicht.

So hebt sich diese kleine Perle ab vom jüngst bis zur schnarchigen Gehirnkopulation getriebenen Massenschlacht ohne letztendliche Stimulierung (Gangster Squad) und von einer bis ins Detail choreografierten Inszenierung einer Gangster-Persönlichkeit (American Gangster). Hier allein zählt Michael Shannon und sein Richard, der tötet, weil es ihm nichts ausmacht, einen Dreck auf die Auftraggeber gibt und nur Geld will. Dahinter steckt bis zum Schluss die Thematik um einen Killer, der schon tötete, bevor er dafür bezahlt wurde und sein echtes Dasein als Monster einem falschen Alltag als Vater unterwirft. Beispielhaft, wenn Boss Roy ihm Aufträge verweigert, die Kamera an Richards Gesicht zoomt und da keine Sorge um seine Familie zum Ausdruck kommt, weil jetzt das Geld fehlt – es steht ihm die pure Panik ins Gesicht geschrieben, weil er, nunja, nicht mehr töten kann.

The Iceman (2012) Filmbild 3

Gen Ende hin verliert sich das Drehbuch ins Komplexe und verwirrt unnötig. Wenngleich eine betörend schaurige Atmosphäre bleibt, in etwa wie bei einem Vulkan kurz vor einem Ausbruch – diese Naturgewalt an sich sieht wunderschön aus, aber selbst beim stillen Beobachten glaubt man, ein Grollen zu hören und erwartet jeden Moment den puren, den finalen Ausbruch, der alles ins Verderben jagt. Einen Ausbruch von Richard hat man vor dem Finale ohnehin schon gesehen, sogar mehrere, sei es der kongeniale Autounfall oder der Familienstreit, doch am Schluss fehlt das, was nötig wäre, um als Zuschauer Friede schließen zu können mit diesem coolen, ekelhaften Serienkiller.

Die letzten drei Minuten entschädigen zwar nicht die Drehbuchschwächen, zeigen aber in so kurzer Zeit die Perfektion von Michael Shannon. Im Sekundentakt wechseln sich dort die Sehnsucht auf Mord, die Liebe zur Familie und die monstermäßige Wut auf alle Beteiligten ab.

Herrlich wie immer rattert Ray Liotta seinen Text herunter, auch Winona Ryder, James Franco, David Schwimmer (mit sexy Pornobalken!) und sogar Chris Evans spielen bisweilen fantastisch. Aber The Iceman ist der Film von Michael Shannon, selbst dann, wenn er nicht im Bild ist, weil man seinen kalten Blick noch immer zu spüren glaubt.

Jede Schwäche verschwindet damit. Alles ist gut. Michael Shannon hat es gerichtet als Richard „The Iceman“ Kuklinski und sich nach Take Shelter erneut für ewig in mein Herz gespielt. Beeindruckend.

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