Thief, USA 1981 • 125 Min • Regie & Drehbuch: Michael Mann • Mit: James Caan, Tuesday Weld, James Belushi, Robert Prosky, Willie Nelson, Dennis Farina • Kamera: Donald Thorin • Musik: Tangerine Dream • FSK: ab 18 Jahren • Vertrieb: OFDb Filmworks • Kinostart: 27.08.1981 • Heimkinostart: 11.03.2016
„I am the last guy in the world that you wanna fuck with.“ – Wer mit Frank Geschäfte machen will, sollte sich auf klare Regeln gefasst machen. Frank ist der Hauptprotagonist in Michael Manns Spielfilmdebüt „Thief – Der Einzelgänger“ und wird von einem James Caan verkörpert, der in seiner gesamten Karriere wohl nie besser gewesen ist. Caan spielt nicht nur, er lebt und leidet seine Figur, die nach jahrelanger Haft eine bessere Existenz aus dem Stand erschaffen will. Das führt dann direkt zu der wohl intensivsten Szene in einem gänzlich meisterhaften Werk. Natürlich, es geht darin um Kriminalität und Gewalt – aber eben auch um Gefühle und einen brennenden Ehrgeiz. Denn Frank will die Kellnerin Jessie (Tuesday Weld). Er möchte sie nicht, er will sie. So kommt es schließlich, dass er sie nach einem unglücklich gelaufenen Date in seinen Wagen zerrt und verbal attackiert. Normalerweise dürfte solch ein brutales Verhalten das Entstehen jeder Beziehung sofort im Keim ersticken. Doch Frank schafft es – und dieser Moment in einem kleinen Diner ist pure Kinomagie. Nicht etwa weil er in besonders schöne Bilder getaucht worden ist, sondern weil man diese eigentlich absurde Situation tatsächlich abkauft. Das liegt auch an Michael Manns Drehbuch, vor allem aber am wirklich großen Schauspiel.
Ein paar Schritte zurück: Frank betreibt einen Gebrauchtwagenladen, doch die wahre Gabe des Ex-Sträflings liegt im Knacken von Safes. Gelernt hat er das im Gefängnis von seinem Leidensgefährten Okla (gespielt von Country-Legende Willie Nelson), der für ihn so etwas wie einen großer Bruder darstellt. Während Okla seine Strafe noch absitzen muss, arbeitet Frank an der Verwirklichung seines persönlichen American Dream. Dieser schließt Erfolg, Reichtum und eine eigene kleine Familie ein. Fixiert hat Frank seine präzisen Vorstellungen auf einem Foto, auf dem auch das Bild seines inzwischen sterbenskranken Mentors prangt. Er will Okla aus dem Knast holen und gleichzeitig mit der unfruchtbaren Jessie eine gemeinsame Zukunft aufbauen. Um beide Ziele möglichst schell zu erreichen, geht der eigentlich strikt selbstständige Dieb einen Pakt mit dem Teufel ein: Eine Handvoll krimineller Projekte erhält er von dem Gangsterboss Leo (Robert Prosky) zugewiesen. Als Gegenleistung wird Okla vorzeitig auf freien Fuß entlassen und dem frischen Paar winken Geld und ein Adoptivsohn. Doch der Deal mit dem organisierten Verbrechen verläuft nicht wirklich wie geplant – und Frank sieht endgültig rot …
„Thief“ ist ein frühes Projekt des heutzutage besonders mit teurem Krawall-Kino assoziierten Megaproduzenten Jerry Bruckheimer (u.a. „Top Gun“, „The Rock“). Und ein Gespür für aufregende Newcomer mit einem individuellen Stil hat dieser bereits in seinen Anfangstagen bewiesen. Manns Film ist jedoch weit mehr als nur ein schick ausschauender Heist-Thriller: Der spätere Regisseur solcher Meilensteine wie „Heat“ (1995), „Insider“ (1999) oder „Collateral“ (2004) legt Wert auf eine möglichst authentische Schilderung des kriminellen Metiers und hat hier auf die Beratung des realen Juwelendiebs und Autoren der Buchvorlage „The Home Invaders“, John Seybold, zurückgreifen können. So gestalten sich die Einbrüche auch nicht als flink abgehandelte Actionszenarios, sondern als sorgfältig und detailliert inszenierte Coups. Dieser hautnahe Blick aus der Perspektive der Unterwelt ist hochinteressant und spannend. Der Nervenkitzel erwächst nicht etwa aus inflationären Schießereien oder Verfolgungsjagden, sondern aus der starken Bindung an die charismatische Titelfigur und der Frage, ob diese ihr ambitioniertes Ziel letztlich erreichen wird.
Nicht zuletzt ist „Thief“ auch die starke Charakterstudie eines Mannes, der verlorene Zeit wiedergutzumachen versucht. So steht der Thriller ganz in der Tradition nahezu aller Arbeiten Michael Manns: Der „Miami Vice“-Schöpfer konzentriert sich nie bloß auf einen blanken Plot, sondern führt auch vor Augen, wie das Kernthema das Leben der Protagonisten auch außerhalb ihrer Profession beeinflusst. Wenn „Heat“ das große Epos des Crime-Genres darstellt, so darf man „Thief“ als dessen pure Essenz betrachten – hier rückt der Regisseur lediglich weniger Figuren in den Mittelpunkt. Frank ist ein ambivalenter Sympathieträger; gerade seine unbedingte Zielstrebigkeit löst eine ungeheure Faszination aus. Vielleicht weil er sich als Prototyp der Do-it-yourself-Mentalität manifestiert und mit seinen starren Ansichten offensichtlich nicht nur Erfolge in der Geschäftswelt erzielen kann, sondern auf seine individuelle Weise sogar zwischenmenschliche Konflikte zu lösen vermag. Wer nicht durch Worte zu überzeugen ist, wird eben mit Gewalt zum Umlenken gezwungen. Für Kompromisse gibt es in seinem Traumgerüst keinen Platz, und der ursprüngliche deutsche Kinotitel „Der Einzelgänger“ ist mehr als zutreffend. Trotz seines Freundes Okla und seiner lang ersehnten Kleinfamilie gilt für Frank weiterhin: Er gegen den Rest der Welt. Alles oder nichts. Und der sehr blutige Showdown zieht dann einen klaren Schlussstrich.
„Thief“ ist ein brillantes Stück Neo-Noir-Kino und immer noch die Blaupause für das Werk eines einflussreichen modernen US-Regisseurs. Bevor Michael Mann jedoch weitere Erfolge in Hollywood feiern durfte, legte er nach dieser Großtat mit dem kruden Fantasyhorror „Die unheimliche Macht“ (1983) den bisherigen Tiefpunkt seiner Karriere nach.
Information zur Heimkinoveröffentlichung
Ab dem 11. März 2016 ist Thief – Der Einzelgänger im Vertrieb von OFDb Filmworks in deutscher und englischer Sprachfassung (mit wahlweise deutschen Untertiteln) als schön gestaltete 5-Disc-Collector´s Edition (inkl. DVDs und BluRays der verschiedenen Fassungen des Hauptfilms) erhältlich.
Dieser Edition liegen folgende Extras vor:
• Director’s Cut-Fassung
• Original-Kinofassung
• Special Director’s Edition (’95)
• Audiokommentar von Michael Mann und James Caan
• Audiokommentar von Prof. Dr. Marcus Stiglegger
• Isolierte Musik- und Effektspur
• Featurette: "The Directors: Michael Mann"
• "Stolen Dreams" – Neues Interview mit James Caan
• "Hollywood USA: James Caan" – Episode der französischen TV-Serie „Ciné regards“ über den Schauspieler James Caan
• "The Art of the Heist" – Analyse des Films mit Schriftsteller und Kritiker F.X. Feeney
• Kinotrailer
• Filmposter
(Artwork © OFDb Filmworks)
Trailer