Total Recall, USA 2012 • 118 Min • Regie: Len Wiseman • Mit: Colin Farrell, Jessica Biel, Kate Beckinsale, Bryan Cranston, Bill Nighy • FSK: ab 12 • Kinostart: 23.08.2012 • Deutsche Website
Handlung
In nicht allzu ferner Zukunft ist die Erde durch chemische Waffen verwüstet. Bewohnbarer Lebensraum ist das höchste Gut. Nur noch zwei solche Territorien existieren – Die Vereinigte Föderation von Britannien (heutiges Großbritannien) und die „Kolonie“ (Australien). Da es in der Kolonie kaum Arbeit gibt, „pendeln“ viele Arbeiter jeden Tag mittels eines riesigen Lifts, genannt der "Fall", durch den Erdkern nach VFB. Douglas Quaid (Colin Farrell) ist einer von diesen glücklosen Arbeitern. Mit seiner wunderschönen Frau Lori (Kate Beckinsale) lebt er in einer Bruchbude und träumt von einem besseren Leben. Irgendwann hält er die Ruhelosigkeit nicht aus und besucht die Traumfabrik Rekall, die den Menschen ihre sehnlichsten Träume als Erinnerungen einpflanzt. Aber irgendetwas während der Prozedur läuft schief. Soldaten stürmen das Gebäude, töten Mitarbeiter und wollen Doug mitnehmen. Bevor Doug weiß, was ihm geschieht, erledigt er sekundenschnell die Angreifer und kann der Verstärkung mit knapper Not entfliehen. Völlig verstört zu Hause angekommen, erwartet ihn schon der nächste Schock. Lori, seine gelebte Frau, versucht ihn zu töten. Doug entkommt ihr, doch zuvor erfährt er, dass er angeblich Teil des Widerstands war, der gegen die beinahe diktatorische Macht des Kanzlers Cohaagen (Bryan Cranston), der die VFB in eiserner Hand hält, ankämpft. Während Doug auf der Flucht versucht, die Bruchstücke seiner Erinnerung zusammenzusetzen, trifft er auf Melina (Jessica Biel), eine Frau, die er schon oft in seinen Träumen gesehen hat. Auf ihre Hilfe ist er angewiesen, wenn er die Wahrheit über sich selbst herausfinden will. Doch geschieht das alles wirklich oder ist das Abenteuer bloß Teil seines Rekall Trips?
Kritik
Total Recall reiht sich nahtlos in die scheinbar endlose Serie von Remakes ein, die in Hollywood aus einem Mangel an Originalität und dem Wunsch nach leicht verdientem Geld dank der Beliebtheit des Originals in den letzten Jahren entstanden sind. Nicht dass man sich hier falsch versteht – Neuverfilmungen von älteren Stoffen gibt es in der Traumfabrik schon lange, doch die Umschlagzeit der Filme ist deutlich kürzer geworden. Immerhin sind es bei Total Recall schon 22 Jahre seit der Schwarzenegger/Verhoeven Kollaboration. Dabei ist es an sich albern, sich aus Prinzip den Remakes entgegenzustellen. Es gab durchaus diverse Neuverfilmunge, die ihre Daseinsberechtigung verdient haben. Diese gab es sowohl früher schon (Scarface, Das Ding aus einer anderen Welt) als auch in jüngster Zeit (The Hills Have Eyes, Der Todeszug nach Yuma, The Departed – Unter Feinden). Dabei gilt es die Merkmale eines gelungenen Remakes zu beachten. Entweder nimmt man nur das absolute Grundgerüst des Originals und strickt um diesen eine ganz eigene (gute!) Geschichte oder man übernimmt all die Elemente des Originals, die gut funktioniert haben und verbessert diejenigen, die noch Verbesserungspotenzial hatten. Von großem Vorteil ist es, wenn man einen visionären Regisseur im Regiestuhl sitzen hat, dessen Ambitionen über Standardware mit wenig Anstrengung hinausgehen. Wenn man bei den sogenannten „Klassikern“ der Achtziger und Neunziger mit weniger verklärtem Blick der Nostalgie hinschaut, so finden sich bei vielen durchaus Aspekte, die sich verbessern oder erfolgreich verändern ließen. Schaut man sich die Filmografie der steirischen Eiche an, so finden sich auch hier Streifen, die von einer Neuauflage profitieren würden, so zum Beispiel auch die Adaption von Stephen Kings Kurzgeschichte The Running Man.
Dennoch konnte man die Skepsis gegenüber dem Total Recall Remake nachvollziehen. Das Original, die Verfilmung der Philip K. Dick-Kurzgeschichte Erinnerungen en gros (OT: We Can Remember It for You Wholesale) lebte voll und ganz von Verhoevens grotesker Vision. Sein Total Recall trug die üblichen Markenzeichen eines Verhoeven Films – überzogene Gewaltdarstellungen, schockierende Bilder (wie im Bauch lebende Mutanten oder dreibusige Frauen) und Sozialkritik. Zugleich war es auch ein passendes Vehikel für seinen Star, Arnold Schwarzenegger, damals nahe am Höhepunkt seiner Karriere. Viel schauspielerisches Können hat er in dem Part nicht zur Schau gestellt, aber für die brachiale Gewalt und die üblichen One-Liner („Look who’s talking“) hätte man zu der Zeit kaum einen besseren Star finden können. Diese Symbiose von Regisseur und Star machte Total Recall zu einem beliebten Streifen bei den Fans von Science-Fiction. Als mit Len Wiseman der Regisseur für das Remake angekündigt wurde, verstarb bei den meisten die Hoffnung auf einen innovativen Ansatz bei der Neuauflage. Wiseman, der die Underworld-Reihe ins Leben rief und sich für den letzten John McClane-Einsatz in Stirb Langsam 4.0 verantwortlich zeichnete, kann zwar gute Action routiniert inszenieren ist aber weniger für seine Vision bekannt. Die darauffolgende Bekanntgabe, dass das Mars-Setting des ersten Films entfallen würde und der Gewaltgehalt gehörig zurückgeschraubt werden würde (er wurde für die milde PG-13 Freigabe gedreht) stieß auf ebenso wenig Begeisterung wie eine ausgefallene Klimaanlage in einem Zug der Deutschen Bahn im Hochsommer. Da half auch die Besetzung des talentierten und ständig unterschätzten Colin Farrell in der Arnie-Rolle sowie des brillanten Breaking Bad-Protagonisten Bryan Cranston in der Rolle des Fieslings Cohaagen nicht weiter.
Doch manchmal ist es durchaus von Vorteil, mit sehr niedrigen Erwartungen in einen Film reinzugehen. Oft entspricht der Film eben diesen Erwartungen, doch zuweilen führen die gesenkten Ansprüche an den Film dazu, dass man doch auf die eine oder andere Wiese positiv überrascht wird. Glücklicherweise fällt Total Recall in die letzte Kategorie. Um es klarzustellen: die meisten Befürchtungen erweisen sich durchaus als wahr. Len Wiseman schafft es zu keinem Zeitpunkt, dem Film einen eigenen Stempel aufzusetzen, wie Verhoeven es beim seinem Film tat. Der over-the-top Gewaltfaktor des ersten Films ist für einen gelungenen Sci-Fi-Streifen nicht notwendig, aber immerhin setzte sich der erste Film damit vom üblichen Gros ähnlicher Streifen ab. Das tut die Neuauflage nicht. Auch hier erledigt Colin Farrells Doug Quaid/Carl Hauser Unmengen von Gegnern, doch diese sind meistens sogenannte Synthetics – gesichtslose Robotersoldaten – sodass kaum Blut vergossen wird. Jegliche Originalität lässt sich dem Film auch nicht unterstellen (besondere Ironie bekommt dann die Nennung von „Original Film“ als eine Produktionsfirma des Films im Vorspann). Seine Vision der zukünftigen Städte ist visuell beeindruckend, doch von den Ideen her aus Minority Report, Blade Runner und Das fünfte Element gut zusammengeklaut. Kein Wunder, basieren doch die ersten beiden ebenfalls auf Kurzgeschichten von Philip K. Dick, wobei Minority Report einst als Fortsetzung zu Verhoevens Total Recall konzipiert wurde.
Wiseman lässt kaum eine Gelegenheit aus, sich vor dem Original zu verbeugen. Es gibt Anspielungen auf den Mars, diverse kleine Szenen, die 1:1 aus dem Original übernommen wurden und die bereits erwähnte dreibusige Frau, deren Auftritt hier aber gezwungen und irgendwie auch züchtiger erscheint als im Original, welches sich des Trash-Faktors solcher Szenen jederzeit bewusst war. Reines, beinahe seelenloses Abhaken dessen, was im Original erinnerungswürdig war, kommt hier leider als reines Kalkül rüber, um den Fans des Originals einen Knochen zuzuwerfen. Die Neuerungen, die Wiseman und das Team von sechs (!) Autoren sich für den Film ausgedacht haben, sind leider allesamt keine Verbesserungen. Zwar befolgt Total Recall die Handlung des Originals relativ getreu (und diese Teile funktionieren allesamt immer noch gut), doch die Idee einer Invasion durch Legionen der Robotersoldaten, die Coohagen plant, erinnert zu stark an Star Wars: Episode II – Angriff der Klonkrieger. Dass die Klone, sorry, die Synthetics den Klonkriegern aus dem Star Wars-Film zum verwechseln ähnlich sehen, bestärkt nur das Déjà-Vu. Die Idee des „Falls“, also des gigantischen intraplanetaren Aufzugs durch den Erdkern bietet zwar eins der visuellen Highlights des Film, sorgt aber sogar bei großem Vorstellungsvermögen für Unlogik-bedingte Kopfschmerzen. Eins der interessantesten Aspekte des Originals, die Frage nach dem, ob alles, was geschieht, real oder nur Teil des Rekall sei, stellt sich hier kaum. Die Antwort ist ziemlich eindeutig.
Doch bei all dem Meckern, muss ich einfach zugeben, dass der Film viel Spaß gemacht hat. Ich erwartete das Schlimmste, aber merkte kaum, wie zwei Stunden vergingen. Während die überspitzte letzte halbe Stunde die bereits strapazierte Glaubwürdigkeit des Films endgültig platzen lässt und eher belächelt, denn mit Begeisterung aufgenommen werden wird, ist der Weg dorthin ein actionreicher wilder Ritt. Es stimmt schon, dass Wiseman dem Film keine eigenen Markenzeichen verpasst, doch die Action kann er sehr gut inszenieren. Sei es nun die Szene, in der Farrell in einer einzigen Kamerafahrt eine Gruppe von Soldaten erledigt oder sein Kampf mit Kate Beckinsale oder auch die rasante Verfolgungsjagd mit schwebenden Autos, der Actionfaktor ist sehr hoch und lässt niemals Langeweile aufkommen. Viele Überraschungen hält der Plot für die Kenner des Originals nicht bereit, aber das Tempo wird immer wieder angezogen, sodass es einem auch nicht viel ausmacht, das Gefühl zu haben, das alles schon einmal gesehen zu haben. Während die verrückten Gestalten von Verhoevens Film hier fehlen und es auch keine Gewaltorgien gibt, kann der Film mit beeindruckenden Effekten punkten. Zwar wirken die von Wisemans Team erschaffenen futuristischen Stadtlandschaften nicht sehr originell, aber ein Fest für die Augen sind sie trotzdem. Mit nur wenigen Ausnahmen stört auch nicht die Tatsache, dass hier fast alles dem Computer entstammt. Auch wenn fast alles vor dem Green Screen inszeniert wurde, bauen die Verfolgungsszenen in Aufzugschächten oder auf futuristischen Autobahnen dennoch viel Spannung auf. Dass hier wenig echtes Blut vergossen wird, fällt eigentlich auch nicht schnell auf.
Mit Colin Farrell hat man zwar einen besseren Schauspieler als Schwarzenegger in der Hauptrolle besetzt, doch leider wirken seine Fähigkeiten hier (wie auch bei den meisten anderen großen Hollywood-Produktionen, in denen er mitgewirkt hat) eher verschwendet. Die Action meistert er gut, bleibt aber sonst relativ blass. Farrell ist wohl besser in kleineren Produktionen wie Brügge sehen und sterben aufgehoben, in denen er sich komplett entfalten kann. Hier nimmt er eine generische Rolle und spielt sie ebenso durchschnittlich, wie sie geschrieben ist. Kate Beckinsale hingegen, die in sich die Rollen von Sharon Stone und Michael Ironside aus dem Original vereint, hat sichtlich viel Spaß an der Rolle der Bösen und verteilt gehörig Arschtritte. Gut gelungen ist der Einfall, zwischen ihrem natürlichen britischen Akzent und dem amerikanischen zu wechseln. Den letzteren benutzt sie, während sie noch Quaids liebenswerte Ehefrau spielt, den anderen, wenn sie sich nicht mehr verstellen muss. Jessica Biel trägt zwar zu ihrer Charakterentwicklung wenig bei, beweist aber erneut, dass sie als Actionamazone immer gut besetzt ist. Bei dem Kampf zwischen ihr und Beckinsale möchte man schon fast jubeln.
Die anderen Rollen sind zu vernachlässigen. Bill Nighy als Rebellenführer hat einen kaum nennenswerten Auftritt und Bryan Cranston stiehlt zwar als Cohaagen die meisten seiner Szenen, doch viele sind es auch nicht. Ihn in einen Faustkampf mit Colin Farrell zu verwickeln, war vielleicht auch nicht die weiseste Idee.
Auch wenn die Kritik jetzt überwiegend negativ klingen mag, habe ich in der Tat den Film sehr genossen. Notwendig war er keineswegs und hat dem ersten Film auch nichts hinzuzufügen. Aber wie viele Blockbuster kann man nun wirklich als „notwendig“ bezeichnen? Dafür erfüllt der Film sein Versprechen über die Laufzeit hinweg gut zu unterhalten, etwas fürs Auge zu bieten und den Zuschauer nicht für völlig dumm zu verkaufen. Auch auf 3D wurde hier zum Glück verzichtet. Immerhin ist es schon insgesamt eine deutliche Verbesserung gegenüber dem letzten Remake eines Schwarzenegger-Films, dem letztjährigen Conan.
Finanziell ist das Kalkül, einen beliebten Film neuaufzulegen und dadurch schnelle Knete zu machen, ebenso wie bei Conan nicht aufgegangen. Der Film ist in den USA gefloppt und wird dort nicht einmal die Hälfte seines Budgets einspielen. Vielleicht lässt das die Macher eines anderen Verhoeven-Remakes, Robocop, noch einmal den eigenen Film überdenken.
Fazit
Total Recall kann es mit dem Original von Verhoeven nicht aufnehmen, dafür ist er nicht eigenständig genug und die wenigen Neuerungen sind mehr als fraglich. Trotzdem weiß der Film mit rasanter Action gut zu unterhalten und die zweistündige Laufzeit schnell vergehen zu lassen.