Transcendence, USA/GB/CN 2014 • 119 Minuten • Regie: Wally Pfister • Mit: Johnny Depp, Rebecca Hall, Paul Bettany, Kate Mara, Morgan Freeman, Cillian Murphy, Cole Hauser • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 24.04.2014 • Deutsche Website
Hochaktuelle und brisante Themen finden schnell den Weg nach Hollywood. Edward Snowden und das Aufdecken der NSA-Affäre haben dazu geführt, dass Filme wie „The Return of the First Avenger“ solch Thematiken streifen und in kritischen Nebensätzen beleuchten. Sogar Videospiele wie „Watch Dogs“ beschäftigen sich eingehend mit den Möglichkeiten digitalen Missbrauchs aus der Ego- oder Third-Person-Perspektive. Regiedebütant Wally Pfister (Christopher Nolans Stammkameramann u.a. „Inception“) nimmt sich des mit Vorschuslorbeeren überschütteten Drehbuchs von Jack Paglenan (er soll auch ein „Battlestar Gallactica“-Drehbuch vorantreiben). „Transcendence“ bewegt sich eifrig im Spannungsfeld Ethik, Moral, Religion, Natur und Technik. Das ist auch recht so und wirft interessante Fragestellungen auf; Pfister scheitert jedoch an inkonsistenter Narration und Figurenzeichnung.
Dr. Will Caster (Johnny Depp) ist ein Experte im Bereich der künstlichen Intelligenz. Frau Evelyn (Rebecca Hall) und er basteln an einem neuen Computersystem, das Fähigkeiten zu Emotionen und Selbstreflektion besitzt. Ein paar (Cyber-)Terroristen aus der technikfeindlichen Gruppe „Unplug“ möchten unter der Führung von Bree (Kate Mara) die Fertigstellung eines solchen Superrechnerhirns verhindern. Ein Attentat mit einer radioaktiven Pistolenkugel besiegelt Dr. Casters Schicksal, sodass Evelyn zusammen mit dem gemeinsamen Freund Max Waters (Paul Bettany) nur einen Ausweg findet: sie laden Wills Verstand auf ihren Super-Rechner hoch. Ist es letzten Endes noch die gleiche Person? Oder ist der im Computer befindliche Verstand von Will eine völlig neue Form einer ungeheuren Macht?
Hauptkritikpunkt ist die oben erwähnte Inkonsistenz des Films an mehreren Punkten. Erstens hat der Film den Anspruch in mittelnaher Zukunft angesiedelt zu sein, was es dann leider unglaubwürdig werden lässt, wenn Computer-Dr. Caster eine Art Mutanten-Zombiearmee heranzüchtet und diese dann Bärenkräfte wie ein X-Man haben. Zweitens weichen die guten Ideen und aufwühlenden Fragestellungen zu schnell eben diesen deplatzierten Sci-Fi-Superlativen. Die mehr oder weniger namenlosen (Cyber-)Terroristen bleiben gesichtslos, eindimensional und lediglich radikal motiviert. Gut, eine einfache Triebfeder mag manchmal ausreichen. Schön ist es, Paul Bettany mal wieder mit mehr Leinwandzeit, seit er Iron Man-PC J.A.R.V.I.S. seine Stimme leiht, zu sehen. Seine Zeit wird jedoch vornehmlich dafür genutzt, ihn von den Terroristen umstimmen zu lassen, um gegen seinen ehemaligen Freund zu kämpfen. Leider bekommt der Zuschauer nichts von seinem inneren Kampf mit. Duch ein bisschen Folter und Gefangenschaft wird er irgendwie gelutert. Cillian Murphy (FBI-Agent Buchanan) und Morgan Freeman (Joseph) verblassen weitestgehend und vor allem Freemans Wandlung vom Schreibtischtäter zum Söldner mit Wüstenhut ist dürftig. Rebecca Hall macht ihre Sache als zu ihrem Ehemann haltende und dann später doch stückchenweise misstrauende Frau gut, verpasst aber den nötigen Sprung, um die Zuschauer irgendwie für sich zu gewinnen. Trotz der bedingungslosen Liebe beider Casters will der Funke nicht überspringen. Das führt daz, dass Halls Erkenntnisgewinn zu langsam und ein wenig unbeholfen wirkt.
Wally Pfisters erste Regiearbeit versprüht den Charme eines versierten Kameramannes, denn die gezeigten Bilder, sei es Slow-Motion-Wassertropfen oder sterile Laborräume, sind stimmig, beeindruckend und handwerklich einwandfrei eingefangen. Seine Exposition gerät leider viel zu langatmig. Als Dr. Caster zu Beginn eine Rede hält, werden immer wieder Schnitte zu der Vorbereitung des Anschlags gemacht, sodass ein Spannungsmoment so gut wie ausbleibt. Wenn Dr. Caster „endlich“ hochgeladen wird, gerät auch die schleichende Ablehnung gegenüber seiner vermeintlich guten Taten zu langsam.
Am Ende sind es die aktuellen Fragestellungen, denen man als Zuschauer etwas abgewinnen kann. Beinah allgegenwärtig finden sich in allen Medien Bezüge zur Frage, wie sich die Gesellschaft im Zeitalter der maximalen Elektrosmog-Nutzung entwickeln kann/wird. Spike Jonze wurde für sein grandioses Mensch-liebt-Betriebssystem-Drehbuch „Her“ richtigerweise mit dem Oscar gekrönt. Der Spiegel-Bestseller „Blackout“ von Marc Elsberg spielt einen Hackerangriff und den anschließenden Stromausfall in Europa realistisch durch; nur um ein paar weitere Beispiele zu nennen. Zu Beginn von „Transcendence“ wird eine Zeit ohne Laptops, Handys, Telefone und Internet beschrieben. Viel zu genüsslich schaut man als Zuschauer auf die Bilder einer zum Tür Stopper missbrauchten Tastatur. Bei dieser interessanten und eigentlich per se sehenswerten Thematik ist es nur allzu schade, dass dieser Film zu lang und irgendwie lieblos wirkt.