The Girl in the Spider’s Web, USA/GB/D/SE/CA 2018 • 117 Min • Regie: Fede Alvarez • Mit: Claire Foy, Sverrir Gudnason, Sylvia Hoeks, Lakeith Stanfield, Stephen Merchant, Claes Bang • FSK: n. n. b.• Kinostart: 22.11.2018 • Website
Handlung
Die rebellische Hackerin Lisbeth Salander (Claire Foy) lebt untergetaucht in Stockholm. Immer wieder zieht sie die Aufmerksamkeit der Behörden auf sich durch ihre Racheakte gegen Männer, die Frauen misshandeln. Ihre zaghafte Freundschaft zum Enthüllungsjournalisten Mikael Blomkvist (Sverrir Gudnason) ist seit einem Exposé, das er drei Jahre zuvor über sie publiziert hat, deutlich abgekühlt. Doch nun ist sie auf seine Hilfe angewiesen, nachdem ein Freelance-Hackerjob ihr mehr Ärger einhandelt, als sie es sich hätte vorstellen können. Der ehemalige NSA-Mitarbeiter Frans Balder (Stephen Merchant) bittet sie darum, ein mächtiges Programm, das er einst geschrieben hat und mit dem die Waffensysteme eines jeden Landes unter Kontrolle gebracht werden können, zu stehlen, damit er es vernichten kann. Der Hackangriff auf die US-Behörde verläuft erfolgreich, ruft jedoch nicht nur den cleveren NSA-Mann Needham (Lakeith Stanfield) auf den Plan, sondern auch eine mysteriöse kriminelle Organisation. Diese hat es ebenfalls auf das Programm abgesehen und geht dafür über Leichen. Frans wird ermordet, sein autistischer Sohn August entführt. Der Mord wird Lisbeth angehängt, die selbst nur knapp einen Mordanschlag überlebt. Mikael, der inmitten einer Schaffenskrise steckt, soll dabei helfen, herauszufinden, wer dahinter steckt. Eine überraschende Spur führt direkt in Lisbeths Vergangenheit…
Kritik
Mit Lisbeth Salander hat der schwedische Autor und Journalist Stieg Larsson eine postmoderne feministische Ikone erschaffen. Hochintelligent, zäh, unangepasst und mit einer rebellischen Scheiß-drauf-Attitüde begeisterte die Hackerin zunächst Millionen von Lesern und verhalf später gleich zwei Schauspielerinnen zum großen Durchbruch. Noomi Rapace wurde durch ihre Darstellung von Lisbeth in den schwedischen Adaptionen von Larssons drei Romanen weltweit bekannt, Rooney Maras furchtlose Interpretation brachte ihr eine verdiente Oscarnominierung ein.
Larsson hat die Popularität seiner ultracoolen Antiheldin leider nicht mehr miterlebt, da er noch vor der Veröffentlichung seiner Bücher an einem Herzinfarkt starb. Seine ursprünglich auf zehn Romane angelegte "Millennium"-Reihe, in die er neben spannenden Krimigeschichten auch politische Aussagen eingebunden hat, wurde jedoch einige Jahre nach seinem Tod durch David Lagercrantz fortgesetzt. Nun schafft es auch die erste dieser Fortsetzungen in die Kinos. Nachdem Sony trotz fünf Oscarnominierungen nur bedingt zufrieden mit der Performance von David Finchers kostspieliger Verblendung-Verfilmung war, wich das Studio nicht nur auf einen neuen Regisseur und Darsteller aus, sondern übersprang gleich den zweiten und dritten Roman, um direkt bei Lagercrantz' erstem Beitrag zur "Millennium"-Reihe anzusetzen. Ich kenne die Vorlage zu Verschwörung nicht, doch wenn der Film ihr im Großen und Ganzen entspricht, kann ich mir nicht vorstellen, dass Larsson sehr glücklich darüber gewesen wäre, was sie aus dem Duo Lisbeth und Mikael gemacht hat.
Claire Foy hat sich die Rolle geschnappt, um die sich bereits zahlreiche junge Hollywood-Schauspielerinnen gerissen haben. Dass sie in Verschwörung deutlich weniger nachhaltigen Eindruck hinterlässt als ihre beiden Vorgängerinnen in der Rolle, liegt sicherlich nicht an Foys Talent, den sie über jeden Zweifel hinaus in der Netflix-Serie "The Crown" bewiesen hat, sondern daran, wie ihre Figur angelegt ist und welches Material sie bekommt. Gerade Verblendung – sowohl die schwedische als auch die US-amerikanische Version – schickte Lisbeth auf eine Tour de Force. Sie war in ihrer Weltfremdheit faszinierend, buhlte nie um die Sympathie ihrer Mitmenschen oder Zuschauer und nur gelegentlich blubberten bei ihr Gefühlsregungen knapp unter der Oberfläche. Verschwörung macht Lisbeth menschlicher, aber auch banaler. Ihre traumatischen Kindheitserfahrungen mit ihrer Schwester führen dazu, dass Lisbeth immer wieder abgelenkt wird, wenn sie ein Kind sieht. Ihre Gefühle verbirgt sie nicht mehr hinter einem undurchdringlichen Schutzwall. Von der punkigen Antiheldin ist nicht mehr viel übrig. Noch deutlich gewöhnungsbedürftiger ist, dass die neue Lisbeth zu einer Actionheldin stilisiert wird, die in Verschwörung mehr Actionsequenzen vorzuzeigen hat als bei allen bisherigen Auftritten der Figur zusammengenommen.
Foy ist bei der Performance nichts vorzuwerfen und den richtigen Look – abgesehen von der seltsamen Wahl eines Topfschnitts – hat sie auch drauf. Im Gegensatz zu Rapace und Mara fügt die Rolle ihrem Repertoire jedoch nicht viel hinzu und offenbart auch keine neuen Tiefen.
Sie kommt jedoch deutlich besser weg als alle anderen Figuren in dem Film, die lediglich dazu da sind, um die Handlung voranzutreiben. Lisbeth war immer der wahre Star und der beliebteste Charakter der "Millennium"-Reihe, doch die Geschichten handelten genau so sehr von ihr wie von Mikael. In Verschwörung ist Mikaels Rolle so nebensächlich, dass sie überflüssig erscheint. Sverrir Gudnason, der zuletzt in Borg/McEnroe einen guten Eindruck gemacht hat, ist völlig blass und eindimensional in der Rolle. Die Entscheidung, seine Figur plötzlich deutlich zu verjüngen und nah an Lisbeths Alter zu bringen, ist schwer zu rechtfertigen. Dem für seine 40 Jahre sehr jugendlich aussehenden Gudnason kauft man einen sehr erfahrenen, mit allen Wassern gewaschenen Journalisten nicht wirklich ab.
Überhaupt schafft es der Film, eine beachtliche Anzahl an wirklich guten Schauspielern in schablonenhaften Rollen zu verschwenden, darunter Stephen Merchant (Logan – The Wolverine), Lakeith Stanfield ("Atlanta") und Claes Bang aus dem Cannes-Sieger The Square, der als stumpfer Killer auch ein drittrangiger James-Bond-Handlanger hätte sein können. Am übelsten dran ist Vicky Krieps, die sich zuletzt in Der seidene Faden sogar neben Daniel Day-Lewis behauptet hat, hier als Mikaels (ebenfalls deutlich verjüngte) Kollegin und Liebhaberin mit gerade einmal zwei oder drei nichtssagenden Szenen. Sylvia Hoeks (Blade Runner 2049) hat als Lisbeths Gegenspielerin immerhin eine unheimliche Ausstrahlung und kontrastiert auch optisch prächtig mit Claire Foy. Jedoch schöpft auch ihre unausgereifte Rolle das Potenzial kaum aus. Bonuspunkte gibt es jedoch für ihr ultrastylisches und auf kilometerweite Entfernung auffälliges rotes Outfit.
Der Vorteil, die vorherigen Romane auszulassen und gleich mit Band 4 zu beginnen, liegt darin, dass die Zuschauer endlich eine neue Geschichte aus der Welt des Mädchens mit dem Drachen-Tattoo zu sehen bekommen und Vergleiche mit einer anderen Version entfallen. Das hat jedoch auch zur Folge, dass essentielle Vorgeschichte fehlt. Auf die vorherigen Ereignisse wird im Film immer wieder mal angespielt und verwiesen, das reicht jedoch nicht aus, um dem zentralen Konflikt das nötige emotionale Gewicht zu verleihen.
Es waren nicht so sehr die Krimi-Plots, die Larssons Romane so gut gemacht haben, sondern seine Figuren. Diese Schlüsselerkenntnis ist den Machern von Verschwörung offenbar entgangen, die vertiefte Figurenzeichnung zugunsten eines flotten und actionreichen Plots opfern. Dieser ist jedoch leider auch mit zahlreichen Logiklöchern gespickt und verlässt sich sehr auf rettende Einfälle in letzter Sekunde. Jeder kennt es, wenn eine Bombe in Filmen eine Sekunde vor dem Ablauf des Countdowns entschärft wird. Jetzt stellt Euch vor, solche Last-Second-Aktionen sind über einen gesamten Film verteilt. Dazu werden auch gerne die Intelligenz und die Vernunft einiger Akteure nach Belieben variiert, damit es passt. Die Charaktere stehen im Dienste des Plots und nicht andersherum.
Was Regisseur Fede Alvarez, der zuvor das solide Evil-Dead-Remake und den hochspannenden Thriller Don’t Breathe inszeniert hat, gelingt, ist ein passabler, flott erzählter Thriller, der trotz seiner Vorhersehbarkeit durchaus unterhält. Im Gegensatz zu Fincher schafft es Alvarez nicht, eigene Akzente zu setzen. Sogar der schön animierte Bond-eske Vorspann ist klar von Finchers Verblendung inspiriert. Er hat jedoch ein gutes Auge für markante Bilder, die von seinem Don’t-Breathe-Kameramann Pedro Luque auf die Leinwand gebannt wurden. Auch wenn dem Film insgesamt die schäumende Wut und die bitterböse Note von Finchers Film fehlt, gibt es zumindest eine sehr fiese Szene, die alle daran erinnert, dass Alvarez im Horrorgenre beheimatet ist. Ansonsten wirkt der Film wie eine kompetent inszenierte Auftragsarbeit. Adäquat, aber ohne Leidenschaft.
Fazit
Tauscht man die Namen der Protagonisten aus, dann bleibt Verschwörung ein durchschnittlicher, weitgehend spannungsarmer Thriller mit einigen wenigen Höhepunkten und schöner Optik. Regisseur Fede Alvarez schafft es im Gegensatz zu David Fincher nicht, eigene Akzente zu setzen, und der Film wird den von Stieg Larsson erschaffenen faszinierenden Hauptfiguren keineswegs gerecht.