Warrior, USA 2011 • 134 Min • Regie: Gavin O’Connor • Drehbuch: Gavin O’Connor, Anthony Tambakis & Cliff Dorfman • Mit: Joel Edgerton, Tom Hardy, Nick Nolte, Jennifer Morrison, Frank Grillo, Kevin Dunn • Kamera: Masanobu Takayanagi • Musik: Mark Isham • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Universum Film • DVD-Start: 24.02.2012
„Ein Körper verharrt im Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen Translation, sofern er nicht durch einwirkende Kräfte zur Änderung seines Zustands gezwungen wird.“
–Erstes newtonsches Gesetz
„You don’t knock him out, you lose the fight. Understand me? You don’t knock him out, you don’t have a home.“
Gavin O’Connors „Warrior“ erzählt die Geschichte zweier entfremdeter Brüder, welche sich infolge eines populären Martial-Arts-Turniers erneut gegenüberstehen. Der aus dem Irak zurückgekehrte Marine Tommy Conlon (Tom Hardy, „Inception“) sucht nach Jahren absoluter Funkstille seinen verhassten Vater Paddy (Nick Nolte, „Kap der Angst“) auf. Mit einer persönlichen Bürde, welche er seit dem Krieg auf seinen Schultern trägt, bittet er den inzwischen trockenen Alkoholiker und Ex-Trainer widerwillig, ihn als Kämpfer für den lukrativen Sparta-Grand-Prix auszubilden. Dem Gewinner winken fünf Millionen Dollar – eine Summe, die Tommy bereits einem bestimmten Zweck angedacht hat. Sein Bruder Brendan (Joel Edgerton, „Königreich des Verbrechens“), der weder mit ihm noch mit Paddy Kontakt hält, versinkt zeitgleich unter einem Berg aus Schulden. Obwohl dieser einer Arbeit als Physiklehrer nachgeht, schaffen er und seine Frau Tess (Jennifer Morrison) es einfach nicht, die Hypotheken für das neue Heim zu tilgen. Ihre jüngste Tochter hat obendrein ein Herzleiden. Der Familienvater sieht nur eine Möglichkeit, aus der finanziellen Misere zu gelangen: Er muss erneut in den Ring – auch wenn er Tess versprochen hat, die ehemalige, gefährliche Beschäftigung ein für alle Mal hinter sich zu lassen. Die Wege der Brüder kreuzen sich erneut beim erbarmungslosen Turnier, welches am Ende nur einen Gewinner vorsieht…
„Warrior“ präsentiert uns drei Hauptfiguren, die – zunächst jeder für sich – einen Kampf austragen: Tommy, der einst ein Versprechen gegeben hat und für die Einhaltung dessen beim Sparta siegen muss. Brendan, der für seine Familie sorgt und deshalb dringend die große Geldsumme benötigt. Und schließlich Paddy, der seine vergangenen Fehler wiedergutzumachen versucht und gegen innere Dämonen antritt. Eine zerrissene Familie ist es, die im Scheinwerferlicht unerwartet eine neue Chance erhält, wieder zueinander zu finden. Das Drama der ersten Filmhälfte vermag aufgrund greifbarer Figuren und bodenständiger Motivationen zu fesseln. Hier haben wir die Not und die Schuld, die die Protagonisten zum Handeln zwingt. Der physische Kampf, das brutale Aufeinanderprallen von Fleisch, Muskeln und Knochen, wird zur Metapher für die unvermeintlichen Kämpfe, der uns selbst tagtäglich begegnen – den Kampf um Anerkennung, den Kampf, die eigene Familie über die Runden zu bringen, den Kampf gegen die Ketten der Vergangenheit. Es sind die stillen, intimen Szenen, die dem neuen Werk von Gavin O’Connor („Miracle – Das Wunder von Lake Placid“) eine gewisse Tiefe und Stärke verleihen: Der erfolglose Versuch Paddys, die Wogen mit seinem verbitterten Sohn Brendan zu glätten. Das erste Wiedersehen der Brüder, die sich auch am nächtlichen Strand wie fremde Feinde in die Augen blicken. Die undurchdringliche, eiskalte Mauer um Tommy, die seinen Vater fast erneut in einen dunklen Abgrund drängt.
So sorgfältig und emotional die Charaktere und ihre Konflikte allerdings anfangs eingeführt werden, so sehr kippt „Warrior“ leider, wenn nach der mitreißenden, ersten Stunde plötzlich alle Augen auf das rohe Getümmel im Käfig gelenkt werden. Die Verschmelzung der persönlichen Geschichten mit dem folgenden, wüsten Spektakel gelingt nicht recht. Das mag zum einen daran liegen, dass das stumpfe Pathos, das die Moderatoren über knappen Bildmontagen heraufbeschwören, in Bezug auf die beiden Hauptfiguren befremdlich wirkt: Betreten diese wirklich die Arena, um herauszufinden, wer der „stärkste Mann der Welt“ ist? Ist es nicht eher so, dass ihnen nur diese eine Option bleibt, um ihr ganz eigenes Ziel zu erreichen? Wen interessiert bitte noch machohaftes Kräftemessen, wenn man womöglich in seinen Einzelteilen zu seiner verhungernden Familie zurückgeschickt wird? Anhänger der sogenannten Mixed-Martial-Arts werden vielleicht ihre Freude daran haben, wenn anonyme Fleischberge zu Klump geschlagen werden, doch treiben diese Momente das eigentliche Drama nicht weiter. Im Gegenteil: Man entfernt sich von dem Innenleben Tommys und Brendans, schaut ihnen enttäuschend distanziert dabei zu, wie sie als absolute Underdogs offensichtlich relativ problemlos auf der Karriereleite von ganz unten nach ganz oben steigen. Wir werden Zeuge, wie Brendans Ehefrau, der Schuldirektor und seine Schüler mit leuchtenden Augen jubelnd vorm Fernseher sitzen, während er gerade mit einem quadratischen Gorilla einen potentiell fatalen Zweikampf austrägt. Martial-Arts ist kein Tischtennis, aber in „Warrior“ reagiert das ärgerlich naiv gezeichnete Umfeld nahezu so, als wäre es das. Tommys Army-Kameraden besetzen ganze Zuschauerreihen – einer hat ihn in einem youtube-Video als tapferen Kriegshelden identifiziert, der vielen Männern mit dem Wegreißen einer ganzen Panzertür das Leben gerettet hat. Wer so etwas vermag, hat wohl auch keine Schwierigkeiten, frühere Champions in die Knie zu zwingen.
„Warrior“ ist ein gänzlich durchkonstruierter Film. Das muss nichts zwangsläufig Schlechtes bedeuten. Worauf der Plot am Ende hinausläuft, ist zumindest von Anfang an offensichtlich. Es sind schließlich die Charaktere, die uns interessieren. Und ihre unsichtbaren Narben. Wie wollen zuhören, wie ihre bitteren Worte kollidieren – ob sie je das Vergangene begraben und eine gemeinsame Zukunft ansteuern können. Oder ob es dafür bereits zu spät ist. Das Gestöhne, Geächze und Geprügel ist Beiwerk; mich zumindest haben die physischen Kämpfe zu keiner Sekunde berührt. Wahrscheinlich auch deshalb nicht, weil der Regisseur nie vermittelt, was die Brüder mit dem Sport verbinden – abgesehen davon, dass sie ihn beherrschen und Geld damit verdienen müssen. Von Magie kann keine Rede sein. Joel Edgerton, Tom Hardy und Nick Nolte liefern allesamt überzeugende, teils großartige, Leistungen in ihren Rollen ab, nur muss leider auch angemerkt werden, dass die ursprüngliche Intensität ihrer problematischen Figurenkonstellation durch das später in den Vordergrund tretende Hau-drauf-Getöse verwässert wird. Es gibt da gegen Ende eine Szene in einem Spielcasino. Paddy hat von der Heldentat Tommys erfahren und geht voller Stolz auf seinen Sohn zu. Dieser blockt – wie immer – ab, kontert mit gemeinen Kommentaren und wirft seinem gebrochenen Vater schließlich einen Haufen Kleingeld zu: Damit könne er sich wieder besaufen gehen. Wir sehen daraufhin das traurige Resultat der reichlich unbedachten, verbalen Böswilligkeit. Der vermutlich stärkste Moment des insgesamt soliden Films.
„Warrior“ startet vielversprechend, aber manövriert seine Figuren letztlich ein wenig unglücklich zu ihrem unausweichlichen Finale. Ich hätte viel lieber noch mehr über Tommy und Brendan erfahren und dafür auf die große Show verzichtet.
Kritik im Original erschienen bei mannbeisstfilm.de
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