Zero Dark Thirty, USA 2012 • 157 Min • Regie: Kathryn Bigelow • Drehbuch: Mark Boal • Mit: Jessica Chastain, Chris Pratt, Joel Edgerton, Jason Clarke, Kyle Chandler, Édgar Ramírez, Mark Strong, Taylor Kinney, James Gandolfini • Kamera: Greig Fraser • Musik: Alexandre Desplat • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Universal Pictures Germany • Kinostart: 31.01.2013 • Website
Dunkelheit und Stille. Wenn man am 11. September 2001 den Fernseher einschalten wollte, um etwas anderes als die Nachrichten zu sehen, so blickte man auf einen schwarzen Bildschirm und einen Lauftext, der in etwa folgende Nachricht beinhaltete: „Aufgrund der heutigen, tragischen Ereignisse werden wir unser Programm vorerst einstellen.“ Der Rest ist erschütternde, moderne Geschichte. Tausende Tote. Tausende Verletzte. Eine Nation in Aufruhr. Eine Welt in Angst. Auch wenn man zu diesem Zeitpunkt weder in New York City, noch überhaupt in den USA gelebt hat, so hat man dennoch eine große Portion des Schocks mitbekommen, der noch lange andauern sollte.
Kathryn Bigelows „Zero Dark Thirty“ beginnt ebenfalls mit Schwarzbild, über das jedoch nun die hilflosen Schreie und Telefonanrufe von Opfern gelegt wurden. Eine Stimme versucht die Person am anderen Ende der Leitung zu beruhigen – das Flugzeug sei in den anderen Tower eingeschlagen. Wir wissen inzwischen, was kurz darauf geschehen wird. Es ist ein starker, emotionaler Auftakt zu einem Film, der insgesamt kalt und distanziert eine lange, quälende Odyssee schildert: Die Jagd auf den verantwortlichen al-Qaida-Führer Osama bin Laden. Die erste Aufnahme fängt einen Mann ein, der einen Gefangenen in einem dunklen, schmutzigen Raum foltert. In der Ecke steht eine Person mit einer Sturmhaube über dem Gesicht, die das grausame Geschehen regungslos mitansieht. Der Folterknecht heißt Dan (Jason Clarke) und seine vermummte Begleitung ist die Neue, Maya (Jessica Chastain). Trotz des unangenehmen Anblicks lernt Maya schnell – beim nächsten Versuch, aus dem Verhörten Ammar (Reda Kateb) durch jedes Mittel Informationen zu erlangen, wird sie ohne Maske vor diesen treten. In den Chefetagen gilt sie als „Killer“, ihr Nachname ist unbekannt. Ebenso wie die „wahre Maya“, die Frau, auf der diese Figur basiert, ein Mysterium bleibt. Sie ist diejenige, die im Film den finalen Startschuss zur Tötung bin Ladens veranlasst und damit eine Dekade der verzweifelten Suche spektakulär beendet. Wie die US-Zeitung Washington Post nun berichtet, hatte die echte CIA-Ermittlerin nach ihrer Mission Probleme damit, die Belohnung für den Erfolg mit anderen Involvierten zu teilen. Ein internes Teamspiel ist das wohl nicht gerade gewesen. Weshalb sich Bigelow und ihr Drehbuchautor Mark Boal, die nach dem sechsfachen Oscar-Abräumer „Tödliches Kommando – The Hurt Locker“ (2009) erneut zusammenarbeiten, für den Namen Maya entschieden haben, erscheint nach einem weiteren Blick nicht willkürlich: Im Indischen steht dieser sowohl für eine Wunderkraft, wie auch für ein Trugbild.
Maya ist die Person, die uns hier als emotionales Zentrum bereitgestellt wird – auch wenn wir nie völlig ergründen, was sie nun so sehr an diesen Auftrag bindet. Weshalb sie sich selbst aufopfert. Sie ist besessen von ihrem Ziel und kämpft dafür teils erbarmungslos gegen ihre Vorgesetzten. Die Bezeichnung „Killer“ ist also keineswegs unangebracht. Im Verlauf von „Zero Dark Thirty“ lernen wir noch andere Charaktere kennen, die uns aber nie über den gesamten Zeitraum begleiten. Der tödliche Anschlag auf eine Kollegin schürt noch weiter das Feuer in Maya: „Ich werde bin Laden töten,“ ist ihr aufgebrachter Kommentar nach dem Vorfall. Sie selbst wird nicht den Abzug betätigen, aber sie besitzt die Ausdauer, sich durch das undurchsichtige Netzwerk an Informationen zu arbeiten und beweist am Ende den richtigen Riecher. Andere Anwesende schätzen die Wahrscheinlichkeit, den Terroristen in einem observierten Haus anzutreffen, auf lediglich 60%. Maya bleibt unbeirrt: Es sei nach Wahrscheinlichkeiten gefragt, nur deshalb sage sie 95%. Eigentlich seien es 100%. Das ist Dynamit im Konferenzraum.
„Zero Dark Thirty“ ist nicht „The Hurt Locker Teil 2“. Bigelow und Boal versprechen uns zwar keine Dokumentation, aber die permanente Spannung in dem brisanten Thriller basiert nicht auf lautem Gewehrfeuer oder fatalen Sprengsätzen, sondern auf der geschickten Mischung aus Fakten und Fiktion. Wir kennen den Beginn der Geschichte, ihr Ende in Abbottabad am 2. Mai 2011 und möglicherweise einige Zwischenstationen. Wie jedoch die Operation ihren Lauf nahm und zu ihrem Resultat führte, das bringt uns das Werk auf fesselnde Weise nahe. Es ist eine völlig andere Perspektive, aus der wir das Geschehen beobachten – nicht durch die Augen von Soldaten, die bärtigen Männern auf einem Marktplatz hinterherlaufen, sondern aus den geheimen Schaltzentralen, wo geplant und evaluiert wird. Und so ist es bis zum intensiven Finale nicht bin Laden selbst, sondern dessen Bote, ein Phantom namens Abu Ahmed, dem Maya ihre volle Aufmerksamkeit schenkt. Der Film teilt sich in Kapitel auf, die verschiedene Aspekte der Mission beleuchten. Ein Rückschlag wird beispielsweise „Menschliches Versagen“ genannt, während sich „Spionagetechnik“ mit der zermürbenden Prozedur der Überwachung auseinandersetzt. Wer sich nur Action erhofft hat, den wird die komplexe Arbeit bis zur letzten halben Stunde bitter enttäuschen. Oscar-Preisträgerin Bigelow lässt uns auch den Frust ihrer Protagonistin spüren, wenn diese auf der Stelle tritt und das Ende nur von einem schnöden Ok abhängt. Zum Schluss verlassen wir Maya, schauen ihr zu, wie sie erwartungsvoll zwei Navy SEAL-Teams zu ihrem großen Einsatz aufbrechen lässt. Wer sich nicht schon zuvor mit seinen Händen im Kinositz festgekrallt hat, wird das spätestens dann nachholen. Der brodelnde Soundtrack von Alexandre Desplat („Argo“) begleitet Greig Frasers flexible Kamera, die direkt an den Männern zu kleben scheint. Man wird bis zur letzten Minute nicht aufatmen, auch wenn der Ausgang schon feststeht. Tränen zeigt uns die letzte Einstellung – nur sind diese der Vergangenheit oder der Zukunft geschuldet?
In den USA hat „Zero Dark Thirty“ eine Lawine an Diskusionen losgetreten: Er befürworte die gezeigten Foltermethoden, wie etwa das Waterboarding. Er verurteile diese. Er sei pures Propagandamaterial für die Wiederwahl von Präsident Obama. Das sei jetzt alles mal dahingestellt – wen diese Fragen wirklich beschäftigen, der soll sich gleich ein eigenes Bild von einem der besten Filme des Jahres 2012 machen. Es ist keine leichte Kost, die einen hier erwartet – aber das anspruchsvolle Werk ist jede seiner 157 Minuten wert.
Trailer
Cooler Film!